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Pamus sagt ab

31. Januar 2007

Der türkische Nobelpreisträger Orhan Pamuk hat aus Angst vor Attentaten eine Deutschlandreise kurzfristig abgesagt. Nach dem jüngsten Journalistenmord in der Türkei wächst die Angst vor militanten Nationalisten.

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Orhan Pamuk vor der türkischen Flagge (Quelle: dpa)
Orhan Pamuk stand schon wegen Verleumdung des Türkentums vor GerichtBild: picture-alliance/ dpa

Nach massiven Drohungen hat der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk eine Reise nach Deutschland abgesagt. Pamuk sehe sich offenbar nach dem Mord an dem türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink konkret gefährdet, berichtete der "Kölner Stadt-Anzeiger" (31.1.07). Auftritte in Berlin, Köln, Hamburg, Stuttgart und München wurden gestrichen.

Eine Sprecherin des Hanser-Verlags in München erklärte, Pamuk habe ohne Angaben von Gründen seine Lesereise kurzfristig abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben. Der Verlag bedauere es sehr, respektiere aber seine Entscheidung und hoffe, dass die Lesereise sehr bald nachgeholt werden könne.

Wegen "Beleidigung des Türkentums"

Protestierende mit Plakaten von Hrank Dink (Quelle: AP)
Nach dem Mord an Hrank Dink gab es öffentliche Proteste in der TürkeiBild: AP

Nach Expertenansicht gilt nicht das Ziel Deutschland als Risiko, sondern Reisen überhaupt. Der mutmaßliche Drahtzieher des Mordes an Dink hatte am vergangenen Mittwoch vor einem türkischen Gericht gedroht: "Orhan Pamuk, seien Sie klug." Wie der auf offener Straße erschossene Dink wird auch Pamuk von türkischen Nationalisten angefeindet. Nach kritischen Äußerungen zum türkischen Massenmord an den Armeniern im Ersten Weltkrieg war der Autor wegen "Beleidigung des Türkentums" angeklagt worden. Der Prozess gegen Pamuk war Anfang vergangenen Jahres eingestellt worden.

Im Untergrund wie einst Autor Salman Rushdie lebt Pamuk nicht. Erst kürzlich war er bei einer Buchmesse in Kairo. Bei der Rückkehr nach Istanbul vergangenen Freitag fiel auf, dass er vom Flughafen ab begleitet wurde. Das scheint dafür zu sprechen, dass die türkischen Sicherheitsbehörden die Bedrohungen gegen ihn ernst nehmen.

Folgen des Dink-Mords

In der Öffentlichkeit hatte sich Pamuk auch zwei Tage nach dem Journalistenmord gezeigt, als er der Familie einen Beileidsbesuch abstattete. "In gewissem Sinn sind wir alle für seinen Tod verantwortliche", hatte er dort gesagt: "Besonders aber diejenigen, die den Paragrafen 301 (Verunglimpfung des Staates und Beleidigung der Türkentums) verteidigen und daran festhalten wollen." Dink sei wegen seiner Gedanken ermordet worden, "wegen seiner Gedanken, die unser Staat nicht akzeptiert".

Ralph Giordano (Quelle: AP)
Ralph Giordano sieht die Muslime in Deutschland gefordertBild: AP

Der Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums, Johano Strasser, äußerte Verständnis für Pamuks Entscheidung. Die aktuelle Drohung gegen Pamuk sei ernst zu nehmen. Auch in Deutschland gebe es unter den Türken militante Nationalisten. Strasser betonte ebenso, dass Pamuk nach den Protesten gegen den Journalistenmord in der Türkei dringender gebraucht werde: "Die türkische Gesellschaft ist durch den Mord an Hrant Dink in Bewegung geraten. So viele Menschen wie in letzter Zeit haben sich noch nie öffentlich auf der Straße gegen die Nationalisten gezeigt und er ist die eigentliche Leitfigur dieser Bewegung."

Aufruf zu Protest

Der Kölner Schriftsteller Ralph Giordano rief die muslimische Gemeinschaft in Deutschland zu Solidarität mit Pamuk und zu Protesten gegen die Mord-Drohungen auf. "Die Muslime in Deutschland müssen nun glaubwürdig und nachhaltig dokumentieren, dass ihnen Freiheit und Menschenwürde am Herzen liegen, und dass der Terror, der aus dem Islam kommt, auch ihr Feind ist", sagte Giordano dem "Kölner Stadt-Anzeiger". (kas)