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Pakistans "besorgtes" Militär

Shamil Shams/HS1. September 2014

Pakistans Militär hat die Demonstranten in Islamabad und die Regierung zum "Dialog ohne weitere Zeitverschwendung" aufgerufen. Kritiker sehen darin eine Machtdemonstration der Armee gegenüber Premier Sharif.

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Pakistanische Soldaten in Islamabad (Foto:afp)
Bild: AAMIR QURESHI/AFP/Getty Images

Nur die wenigsten in Pakistan haben damit gerechnet, dass die Proteste gegen die Regierung Sharif so lange anhalten würde: inzwischen sind es fast drei Wochen, und ihr Ende ist nicht abzusehen. Die Hauptforderung der Demonstranten ist und bleibt der Rücktritt von Premier Nawaz Sharif, dem sie Wahlfälschung vorwerfen. Die Hoffnungen Sharifs und seiner Minister haben sich nicht erfüllt, dass dem Protest die Luft ausgehen würde, oder dass die Anführer Imran Khan und Tahir-ul-Qadri sich kompromissbereit zeigen und ihre Anhänger zum Ende der Sitzblockade des Parlaments aufrufen würden. Stattdessen schlug der Protest in Gewalttätigkeit um, Militärchef Raheel Sharif trat als Vermittler auf, und eine Reihe weiterer politischer Gruppierungen schlossen sich dem Protest an.

Am Montag (01.09.2014) besetzten Hunderte Demonstranten vorübergehend den staatlichen Fernsehsender PTV, bis sie von Sicherheitskräften vertrieben wurden. Am Wochenende war es zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Tausenden Demonstranten gekommen, die sich auf den Weg zum Amtssitz Sharifs gemacht hatten. Mindestens drei Menschen wurden getötet und Hunderte verletzt, als die Polizei mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Menge vorging.

Differenzen der Armeeführung mit Sharif

Die Armeeführung kam am Sonntag (31.08.2014) zu einem Krisentreffen zusammen und äußerte Unterstützung für die Demokratie, aber auch Besorgnis über die Lage. Für viele Beobachter im Lande ist diese "Besorgnis" aber Teil des Drehbuchs, dessen Autor Armeeführung ist. Nach dieser Lesart haben die Populisten Qadri und Khan die Unterstützung der Armee. Der Grund: Ihre Führung blickt mit Argwohn auf den Annäherungskurs Sharifs gegenüber Indien. Auch bestehen wegen der Afghanistan-Politik Sharifs und wegen des Falles Pervez Musharraf Differenzen zwischen Sharif und der Armee (der Ex-Staats- und Armeechef steht unter Hochverratsanklage und Hausarrest). Generell befürchtet die Armee unter einer Regierung Sharif eine weitere Erosion ihres Einflusses auf die Sicherheits- und Außenpolitik und ihrer Machtstellung, die schon unter Sharifs Vorgängerregierung nicht mehr uneingeschränkt war.

Pakistan TV Studio PTV Stürmung 1.9.
Der staatliche Fernsehsender PTV wurde gestürmt, konnte aber in der Zwischenzeit wieder geräumt werdenBild: picture-alliance/AP Photo

Ist Pakistan also wieder auf dem Weg zurück zur Militärherrschaft wie in vergangenen Jahrzehnten? Die meisten Beobachter glauben, dass es keine regelrechte Machtübernahme durch die Militärs geben wird, aber stärkere Einflussnahme. "Der Armee sind Sharif und seine Versuche, den zivilen gegenüber dem militärischen Sektor zu stärken, nicht sympathisch", meint Ali K. Chishti, Sicherheitsexperte aus Karatschi, gegenüber der Deutschen Welle. "Aber die Armee ist auch von Qadri und Khan und ihren Führungsqualitäten nicht überzeugt, deshalb wird das Militär die Regierung nicht stürzen, sondern einen mittleren Weg suchen", so Chishti. Andere Beobachter wie Abdul Agha aus Islamabad glauben, dass die Armee ihr Ziel bereits erreicht hat und gar nicht mehr direkt zu intervenieren brauche, sie habe bereits "symbolisch geputscht."

Zukunft der Demokratie in Pakistan

Eben das werfen ihr Bürgerrechtler wie Arshad Mahmood aus Islamabad vor. "Die Armee hat die verfassungsmäßige Aufgabe, die gewählte Regierung zu unterstützen. Aber die Protestler fühlten sich von der Erklärung der Generäle nach ihrem Treffen am Sonntag ermutigt."

Raheel Sharif und Premierminister Nawaz Sharif (Foto:PID)
Militärchef Raheel Sharif bei einem Krisentreffen mit Ministerpräsident Nawaz SharifBild: picture alliance/Photoshot

Sharif steht unter Druck, die Pattsituation bedroht jede Verbesserung der desolaten wirtschaftlichen Lage. Sollte er zurücktreten und Neuwahlen ansetzen, um die Krise zu beenden? Südasienexperte Siegfried O'Wolf von der Universität Heidelberg hält das für eine schlechte Lösung: "Sharif führt eine gewählte Regierung an. Ein verfassungsfremder und erzwungener Rücktritt hätte eine äußerst negative Auswirkung auf die künftige Entwicklung der Demokratie in Pakistan", so der Experte gegenüber der Deutschen Welle. Ali K. Chishti hält einen Rücktritt Sharifs für unwahrscheinlich: "Sharif ist fest entschlossen, im Amt zu bleiben, es müsste schon etwas Außerordentliches passieren, damit er seine Meinung ändert."