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Pöbelei beim Papaya-Salat

Patrick Tippelt, Bangkok3. April 2006

Dicke Komfort-Polster umgaben Thailands Premier bisher. Ein aufschlussreicher Spontanangriff auf den Privatmann Thaksin deckt eine Störung auf, die nicht nur eine politische ist. Da hilft auch keine Wahl mehr.

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Helmut und Thaksin - Brüder im Geiste? Eher noch Thaksin und Silvio. Politische Giganten und der Realitätsverlust. Besonders zum Ende ihrer Laufbahn hin scheinen sich Politik-Elefanten gern Vorstellungen hinzugeben, die einem Wahn ähneln. Dabei ist Thailands bisheriger Regierungschef Thaksin Shinawatra eine buntere Version, typisch asiatisch halt. Behende tänzelnd, stets lächelnd und viel gefährlicher als Kohl vor zehn Jahren und Berlusconi dieser Tage.

Vielen Thais ist die Lust auf Thaksin nun vergangen Sie möchten nicht mehr von ihm regiert werden. Das zeigte sich in den vorgezogenen Parlamentswahlen gestern, in denen Millionen dem Boykottaufruf der Thaksin-Gegner folgten und sich enthielten, leere Stimmzettel abgaben - in Bangkok allein mehr als die Hälfte aller Wähler.

Pöbel schlägt zurück

Wie also ist das mit dem Wirklichkeitsverlust? Thaksin mag geblendet gewesen sein, von seiner Arroganz, von seinen Beratern. Vielleicht hat er alles, was in Thailand passiert ist in den letzten Monaten, auf die leichte Schulter genommen. Die andauernden Massenproteste zum Beispiel. Die Protestierenden hat er noch als "dummen Pöbel" bezeichnen können.

Kreidebleich, aber immer noch winkend

Letzte Woche aber traf es ihn hart, weil persönlich. Da aß er publikumswirksam mit zwei Kollegen in einem Einkaufszentrum zu Mittag. Einfache Nudeln und Papaya-Salat genoss man, als, scheinbar aus dem Nichts, eine Ladenbesitzerin auftauchte, sich vor den Tisch postierte und "Thaksin raus!" schrie. Rasch lockte dies andere Mitschreier an.

Kreidebleich war das große, quadratische Gesicht Thaksins auf einmal. Doch seine Kollegen nötigten ihn aufzuessen. Des Premiers Sohn stieß zum Trio hinzu und man verließ den Ort der plötzlichen Scham. Weniger als zehn Schritte kam man, als die Querulantin namens Varaporn auf dem zweiten Stock eines Parkhauses auftauchte und wieder schrie, diesmal spontan unterstützt von rhythmisch klatschenden Zuschauern. Während Thaksins Junior blitzschnell die Lage peilte und wütend "Miststück" zu Varaporn hochzischte, begann Thaksin lächelnd, zu ihr hoch zu winken. Fassungslos, wie betäubt schon, war er, als Varaporn sich weigerte und weiterpöbelte.

Politische Manie?

Seit dieser aufschlussreichen Episode fragen sich nicht wenige im Land, ob Thaksin vielleicht an einer bipolaren Störung leidet. Und das nicht nur im politischen Sinn. Thaksins Reaktion auf die Ladenbesitzerin lässt sich nicht leicht erklären. Ihn hat die Spontandemo tatsächlich aus der Fassung gebracht. Bestürzt floh er in seine Heimatstadt Chiang Mai.

Einige Kommentatoren beschuldigen Thaksins Berater. Sie würden ihn fernhalten von allem Widrigen. Doch "Thaksin raus!" ist seit mehreren Monaten der Schlachtruf seiner Gegner, überall hörbar, auf allen Massendemonstrationen. Da hätte es schon Watte in den Ohren Thaksins bedurft, um ihn das nicht mitbekommen zu lassen.

Die Wahlergebnisse stehen noch aus. Prognosen sind nie mehr als das. Thailand erwartet den Rücktritt Thaksins. Dieser allerdings sei "zufrieden" mit dem Wahlergebnis, so die Nachrichtenticker am Montagabend. Dieser Mann will seine Wirklichkeit, ein Wahn eigentlich, partout nicht aufgeben.