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Kastration für Pädophile

5. Oktober 2009

Pädophile sollen entweder lebenslang in Haft oder zwangskastriert werden, fordern einige Politiker der Partei "Gerechtes Russland". Menschenrechtler kritisieren diesen Vorschlag scharf.

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Logo der Partei "Gerechtes Russland" auf russischer Flagge
Ein Gesetzentwurf der Partei "Gerechtes Russland" sorgt für Kritik

Anton Beljakov ist ein Mann der drastischen Worte. Pädophile seien kranke und gefährliche Menschen, die niemals Mitglieder der Gesellschaft sein könnten, wird der sozialistische Duma-Abgeordnete in der russischen Presse zitiert. Und darum sollen sie nach einem Vorschlag der Sozialisten zwangskastriert werden. Beljakov wolle so vor allem die Kinder vor Übergriffen schützen.

Lebenslange Haft oder chemische Kastration

Ein Gang in einem Gefängnis (Foto: AP)
Wegsperren oder kastrieren - für Beljakov gibt es nur diese MöglichkeitenBild: AP

Die geplante Gesetzesänderung soll neben lebenslänglichen Haftstrafen auch eine chemische Kastration von Kinderschändern ermöglichen. Beljakov will so die Zahl der Kindesmissbrauchfälle senken. "Über 90 Prozent aller Pädophilen werden rückfällig", sagt er. Es gebe für Pädophile, die besonders schwere Strafen begangen haben, zwei Möglichkeiten: lebenslange Haft oder eine chemische Kastration nach 15 bis 20 Jahren Haft.

Mit Hilfe von Hormonen soll bei überführten Pädophilen der Sexualtrieb ausgeschaltet werden. Es sei eine konkrete ärztliche Hilfe für einen kranken Menschen, sagt Beljakov. "Wenn ein Patient eine lebensgefährliche Beininfektion hat, entscheidet der Chirurg über eine Amputation, nicht der Kranke. Im Fall der chemischen Kastration haben wir es mit einem ähnlichen Sachverhalt zu tun. So kann ein Pädophiler ein erfülltes Leben führen, ohne dass er von seinen perversen sexuellen Phantasien verfolgt wird."

Nur wenige Reaktionen

In einer Scheibe spiegelt sich das Parlamentsschild der Duma (Foto: AP)
Die Duma muss über den Gesetzesvorschlag entscheidenBild: Maksim Nelioubin



Die große politische Empörung auf diesen Vorschlag blieb bislang aus. Der Grund: Menschenrechtler leben in Russland gefährlich. Im Juli 2009 wurde die Tschetschenin Natalia Estemirowa in Grosny entführt und erschossen. Sie hatte sich ebenso für die Einhaltung der Grundrechte in Russland eingesetzt wie der Moskauer Anwalt Stanislaw Markelow. Auch er wurde im Vorjahr ermordet.

Dennoch gibt es in Russland auch kritische Stimmen. Tanya Lokshina von der Menschenrechts-Organisation Human Rights Watch hält den Gesetzesvorschlag zur Zwangskastration für gefährlich. "Es ist eine ungerechtfertigte Strafe, die sich vor allem nicht mehr rückgängig machen lässt. Es könnten schließlich auch unschuldige Menschen überführt werden." Dass das Parlament das Gesetz verabschieden wird, kann sie sich nicht vorstellen - "auch wenn die Unabhängigkeit der Justiz in Russland leider sehr eingeschränkt ist."

Kastration ja, aber ohne Zwang

Im unabhängigen Kontrollausschuss der Duma, der so genannten Öffentlichkeitskammer, wurde der Entwurf von Anton Beljakov unterstützt - allerdings nur in eingeschränkter Form. Der Ausschussvorsitzende Anatolij KucherEna sagte, dass eine chemische Kastration nur mit dem Einverständnis des Betroffenen erfolgen dürfe.


Autoren: Joscha Weber und Artjom Maksimenko
Redaktion: Julia Kuckelkorn