Ostdeutschland holt langsam auf
28. August 2009"Mezzogiorno ohne Mafia", so beschrieb im Jahr 2005 Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt die wirtschaftliche Lage in Ostdeutschland. Der Vergleich war gar nicht so schlecht gewählt. Im Süden Italiens lag die Wirtschaftskraft, gemessen am italienischen Norden, damals bei nur 60 Prozent und der Osten Deutschlands reichte ebenfalls nicht viel weiter an den Westen heran. Im Jahr 2009 hat sich das deutsche Ost-West-Gefälle allerdings deutlich verringert, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer aktuellen Analyse feststellt. Klaus F. Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: "Bei der Produktivität und bei der Wettbewerbsfähigkeit hat es in Ostdeutschland enorme Fortschritte gegeben. Die Erneuerung der Infrastruktur ist ganz weit fortgeschritten. Auch muss man sehen, dass die komplette Deindustrialisierung der DDR eingemündet ist in eine Industrie, die nun auch wettbewerbsfähig ist und der es gelingt, beachtliches Wachstum zu generieren."
Aufbau Ost trägt Früchte
20 Jahre nach dem Mauerfall scheint der enorme Einsatz staatlicher Finanzmittel in den Aufbau Ost tatsächlich Früchte zu tragen. Der Osten erreicht bei der Arbeitsproduktivität inzwischen 78 Prozent des Westniveaus. Tschechien kommt in einem solchen Vergleich auf gerade einmal dreißig Prozent. Trotzdem kann man die Frage stellen, warum es zwischen Ost- und Westdeutschland heute überhaupt noch einen Abstand gibt. Karl-Heinz Paqué, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Magdeburg, sieht einen einfachen Grund: "Dieses eine Viertel an Produktivitätsabstand, das noch bleibt, ist aus meiner Sicht im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Osten noch keine Produktpalette hat, die den gleichen Innovationsgrad, also die gleiche Wertschöpfung auf dem Weltmarkt hat."
Der Osten schrumpft
Dem Osten fehlen industrielle Kerne, die Betriebe sind vergleichsweise klein und große westdeutsche und internationale Unternehmen führen in den neuen Bundesländern meist lediglich Zweigbetriebe. Der Osten ist vielfach nur die verlängerte Werkbank des Westens, während die qualifizierten und hochqualifizierten Jobs in Forschung und Entwicklung, Marketing und Führung in den Konzernzentralen angesiedelt sind. Abhilfe könnte nach Ansicht der Wissenschaftler eine engere Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft und eine stärkere Förderung innovativer Unternehmensansiedlungen leisten. Klein aber fein, so müsste die Maxime lauten. Damit würde man auch dem demographischen Problem begegnen. Im Osten schrumpft die Bevölkerung massiv. Seit 1990, so rechnet Jochen Ragnitz vom Ifo-Institut Dresden vor, ist die Einwohnerzahl um zwei Millionen zurückgegangen. Für ihn seien Bildung, Forschung und Entwicklung die Ansatzpunkte, um dem Osten weiter auf die Füße zu helfen. "Wie man es erreichen kann, dass diese Herausforderungen durch die demografische Entwicklung nicht negativ sind, sondern positiv sein können", sagt Ragnitz weiter.
Trotz der noch zu lösenden Probleme ziehen die Wirtschaftswissenschaftler 20 Jahre nach dem Fall der Mauer eine positive Bilanz. Dass die Lage vor allem von den Ostdeutschen selbst vielfach negativ beurteilt wird, liegt nach Ansicht der Wissenschaftler an überzogenen Erwartungen noch aus der Wendezeit und falschen Vergleichsmaßstäben. Man dürfe nicht vergessen, dass durch die dramatische Deindustrialisierung nach dem Mauerfall die Bruttowertschöpfung des Ostens im Jahr 1992 bei drei Prozent des Westens lag. Die seitdem geleistete Aufholleistung werde viel zu wenig gewürdigt.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Zhang Danhong