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Politik

Der "Buchhalter von Auschwitz" ist tot

12. März 2018

Er gehörte zu den letzten, die für ihre Taten in der Zeit des Nationalsozialismus vor Gericht standen. Oskar Gröning war geständig - stemmte sich aber bis zuletzt dagegen, seine Haftstrafe anzutreten.

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Oskar Gröning
Gröning vor Gericht - in einer Aufnahme aus dem Jahr 2015Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Der als "Buchhalter von Auschwitz" bekannt gewordene ehemalige SS-Mann Oskar Gröning ist tot. Das bestätigte Grönings Anwalt der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". Wie "Spiegel Online" zuerst berichtet hatte, starb Gröning bereits am Freitag im Alter von 96 Jahren. Er war zuvor gestürzt und ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Gröning war im Juli 2015 vom Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden - wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz. Er hatte ein Gnadengesuch an die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza gestellt. Sie wollte ursprünglich bis Ende dieser Woche darüber entscheiden.

Umfassend geständig

Der ausgebildete Bankkaufmann war Mitglied der Waffen-SS und gehörte von 1942 bis 1944 zum Verwaltungspersonal des Tötungslagers Auschwitz. Dort war er in der sogenannten Häftlingsgeldverwaltung tätig. Gröning sortierte das bei den Opfern gefundene Bargeld und leitete es nach Berlin weiter. Zudem bewachte er in einigen Fällen das Gepäck der Deportierten.

Im Prozess gestand Gröning umfassend und bekundete mehrfach seine Reue. Er erklärte, er habe "nicht unmittelbar" mit den Morden zu tun gehabt, doch durch seine Tätigkeit "dazu beigetragen, dass das Lager Auschwitz funktionierte".

Tatsächlich konnte ihm keine konkrete Tötung nachgewiesen werden. Er habe allerdings durch das Bewachen von Gepäck und das Verwalten der Gelder die Morde gefördert, heißt es in dem Urteil, das seit September 2016 rechtskräftig ist. Mitte Januar hatte die Staatsanwaltschaft Lüneburg ein Gnadengesuch Grönings abschlägig beschieden. Damit wollte er seinen Haftantritt noch abwenden. Davor hatte das Bundesverfassungsgericht einen Haftaufschub abgelehnt.

Veränderte Rechtsprechung

Der Prozess gegen Gröning war eines von mehreren Verfahren, in denen über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch einmal über die Massenmorde in den Konzentrations- und Vernichtungslagern während des Holocausts verhandelt wurden. Den Hintergrund bildet eine veränderte Rechtsprechungspraxis.

Diese ermöglicht die Verurteilung von ehemaligen Angehörigen des Lagerpersonals, auch wenn diese sich nicht direkt an Morden beteiligten. Dem Gröning-Verfahren kommt deshalb große Bedeutung zu, weil es das erste Mal war, dass ein nach dieser Logik gefälltes Urteil rechtskräftig wurde. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verwarf Grönings Revision 2016 und billigte die veränderte Praxis somit höchstrichterlich.

Insgesamt mussten sich jedoch nur wenige Täter juristisch verantworten: Von den rund 6500 SS-Leuten des Vernichtungslagers Auschwitz, die den Krieg überlebten, wurden laut "Spiegel" in der Bundesrepublik nur 29 verurteilt; in der DDR seien es rund 20 gewesen.

jj/hk (dpa, afp, spiegel)