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Oscars für Schnüffler

Ralf Lehnert26. Oktober 2002

Der BigBrotherAward ist der Oscar für Datenschnüffler. Jedes Jahr werden mit ihm "Große Brüder" ausgezeichnet, die mehr wissen wollen, als dem Bürger und Verbraucher lieb sein kann.

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Das Logo des Big Brother Awards

And the Winner is: Microsoft. Ob sich der Softwaregigant allerdings über seinen Hauptpreis beim dritten BigBrotherAward freut, ist zweifelhaft. Denn den "Negativ-Preis für Datenkraken", den der Verein FoeBuD in Bielefeld verleiht, erhalten Preisträger, die nach Meinung der Jury erheblich die Privatsphäre der Bürger verletzen. Der Jury gehören neben dem FoeBuD unter anderem der Chaos Computer Club und die Deutsche Vereinigung für Datenschutz an. Vergeben wird der Preis in acht Kategorien, unter anderem 'Politik', 'Verbraucherschutz', 'Arbeitswelt' und 'Kommunikation'.

Microsoft erhält den Preis vor allem für seine Verdienste bei der Einführung von Kontrolltechnologie für Urheberrechte, dem so genannten "Digital Rights Management". Doch weil das Unternehmen auch in den vergangenen Jahren reichlich Anlass für Nominierungen gegeben hat, wurde es jetzt gleich mit dem Lifetime-Award, dem Preis für jahrelange Vorstöße in die Privatsphäre der Nutzer ausgezeichnet.

Datenklau als Geschäftsmodell

Mit Microsoft freuen dürfen sich andere Größen aus der Wirtschaft. So wurde die Bayer AG für ihre "demütigende Praxis, Auszubildende vor der Einstellung einem sogenannten Drogentest zu unterziehen" ausgezeichnet. Auch die Deutsche Post AG erhält einen Award. Sie macht Geschäfte mit Daten aus Post-Nachsendeanträgen. Die Toll Collect GmbH, die per Satellit die Bewegung von Kraftfahrzeugen, verfolgt und diese Daten dann zentral verarbeitet, war das vierte Unternehmen, das "geehrt" wurde.

Doch Angriffe auf die Privatsphäre gibt es nicht nur von Unternehmerseite. Auch der Deutsche Bundesrat und das Bundeskriminalamt sind mit von der Partie. Dass er Telekommunikationsanbieter dazu verpflichtete, Verbindungsdaten ihrer Kunden dauerhaft für Zwecke von Polizei und Geheimdiensten zu speichern, sicherte dem Bundesrat einen Preis. Das BKA setzte sich mit der Einführung der drei Präventivdateien LIMO (Gewalttäter Links) REMO (Gewalttäter Rechts) und AUMO (politisch motivierte Ausländerkriminalität) in der Kategorie Behörden und Verwaltung durch. In den Dateien werden auch Menschen als "potentielle Gewalttäter" erfasst, die noch nie als gewalttätig aufgefallen sind.

Innenminister sind heiße Kandidaten

Auch zwei Minister finden sich unter den Preisträgern. Der hessische Innenminister Volker Bouffier bekommt den Politik-Award, weil er die vom Gericht verbotene Rasterfahndung per Gesetzesnovellierung quasi durch die Hintertür wieder einführte. Er bekommt den Preis auch stellvertretend für die Innenminister anderer Bundesländer, in denen es ähnliche Entwicklungen gab. Da dürfte es den Innenminister des Landes NRW, Fritz Behrens, nicht zu sehr betrüben, dass es bei ihm "nur" für einen Regionalpreis greicht hat. Er erhält den Award für seinen Versuch, eine Änderung des Polizeigesetzes durchzusetzen. Damit wollte er Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen legalisieren.

Die Initiatoren des Preises sind international vernetzt: Bereits in zwölf europäischen und zwei nicht-europäischen Ländern werden Big-Brother-Awards vergeben. Der Name der Preise ist George Orwells Buch '1984' entnommen, in dem dieser bereits Ende der vierziger Jahre seine Vision einer zukünftigen Gesellschaft entwarf, die unter totaler Überwachung steht. Durch die Big Brother Awards soll das abstrakte Thema Datenschutz durch konkrete Beispiele anschaulich und allgemein verständlich werden. Big-Brother-Awards erhielten in den letzten Jahren beispielsweise Bundesinnenminister Schily für seine Anti-Terror-Gesetze, die Videoüberwachung der Bahn und die Payback-Karte.