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"Wir müssen Griechenland helfen"

Nenad Kreizer 2. März 2016

Nach seinem Treffen mit Angela Merkel in Berlin erklärt der kroatische Premier Tihomir Orešković im DW-Interview, was er vom EU-Gipfel am Montag erwartet - und welche Rolle sein Land in der Region spielen will.

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Kroatiens Premier Oreskovic bei Kanzlerin Merkel PK. Foto: AP Markus Schreiber
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

DW: In letzter Zeit entstand der Eindruck, dass Kroatien und Deutschland nicht immer derselben Meinung sind, wenn es um die Lösung der Flüchtlingskrise geht. Bei Ihrem Besuch in Berlin haben Sie und Bundeskanzlerin Angela Merkel aber Einigkeit demonstriert. In welchen Punkten vertreten Sie dieselbe Position?

Tihomir Orešković: Die Lage ist in der Tat sehr kompliziert. Wir alle suchen nach einer Lösung. Kroatien hat sich mit den Nachbarländern koordiniert und wir arbeiten zusammen, um Konflikte und Spannungen zu vermeiden. Das ist die einzig mögliche Lösung. Aber wir sind uns auch einig mit Deutschland, dass man die Zusammenarbeit mit der Türkei intensivieren muss und sich gleichzeitig auf Griechenland konzentrieren sollte. Denn nur wenn das System der Hotspots anfängt zu funktionieren - was Deutschland verlangt - wird es keine Balkanroute mehr geben. Aber wir müssen Griechenland dabei helfen. Und ich meine nicht nur das Finanzielle. Wir sind uns mit Berlin einig, dass die EU-Außengrenzen besser geschützt werden müssen. Langfristig müssen wir die Ursachen der Flüchtlingskrise bekämpfen. Da sind wir zu 100 Prozent an der Seite Berlins.

Viele Hoffnungen beziehen sich auf den EU-Gipfel mit der Türkei am Montag. Sind Sie optimistisch?

Ich bin immer Optimist, aber wir müssen sagen, dass es sich dabei um einen Prozess handelt. Es wird sich nicht alles wie von Zauberhand erledigen nach diesem Treffen. Aber es ist schon bemerkenswert, dass die Türkei dabei ist, obwohl es vielleicht zu viele Erwartungen gibt im Bezug auf das, was die Türkei lösen kann.

In der kroatischen Außenpolitik scheint Deutschland in letzter Zeit eher in den Hintergrund gerückt zu sein. Man spricht nur über die Stärkung der Beziehungen zu den Nachbarländern und den sogenannten Visegrad-Staaten (Polen, Slowakei, Ungarn, Tschechien). Welche Rolle spielt Deutschland in der kroatischen Außenpolitik?

Meine Botschaft ist klar: Wir sind und waren Partner, aber jetzt müssen wir unsere Beziehungen intensivieren. Wir müssen auch das Investitionsklima verbessern. Das geht nur durch ständige Kontakte. Ich glaube, Kroatien hat in letzter Zeit einfach zu wenige Kontakte - und zwar nicht nur zu Deutschland, sondern auch zu den Nachbarstaaten. Wir müssen anfangen, wieder zu kommunizieren.

Vor ein paar Tagen haben Sie sich mit dem serbischen Premierminister Aleksandar Vučić in London getroffen. Sie haben schon mehrmals betont, dass Sie die Beziehungen zu den Nachbarn stärken wollen. Wird das EU-Mitglied Kroatien wieder versuchen, seiner Rolle als Bindeglied zwischen Brüssel und den EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan gerecht zu werden?

Ich sehe Kroatien auf jeden Fall als treibende Kraft in der Region. Als ich mich zum ersten Mal mit dem britischem Premierminister David Cameron in Brüssel getroffen habe, war seine Hauptbotschaft an uns: Unterstützt die Nachbarn auf dem Weg in die EU. Das wird der Stabilität in der Region guttun. Wir werden Serbien und Bosnien-Herzegowina unterstützen, das habe ich auch mit Angela Merkel besprochen. Und wir haben besprochen, wie wir diesen Prozess beschleunigen können. Natürlich müssen alle Länder alle Kriterien erfüllen, wie damals Kroatien, aber das wird gut sein - nicht nur für die Region und Kroatien, sondern auch für Europa.

Deutsche Geschäftsleute beschweren sich schon seit Jahren über das schlechte Investitionsklima in Kroatien. Sie haben jetzt in Berlin viele Veränderungen versprochen. Was wird sich konkret ändern?

Ich war selber Investor und Geschäftsmann, bevor ich dieses Amt übernommen habe. Ich weiß, dass Investitionen Sicherheit brauchen - zum Beispiel, was Steuern angeht. Wenn ein Staat alle paar Monate seine Steuerpolitik ändert, wird dort niemand investieren. Dasselbe gilt auch für die Gesetzgebung. Investoren wollen wissen, dass die Gesetze sie beschützen werden. Da müssen wir mehr arbeiten, um das Klima zu verbessern - und das auch nach außen kommunizieren.

Tihomir Orešković wurde 1966 in Zagreb geboren, wuchs aber in Kanada auf, wo er in den 1990er Jahren ein Chemie- und Wirtschaftsinformatikstudium absolvierte. Er war anschließend für Pharmaunternehmen im Finanzbereich tätig. Er gilt als neuer Typ von Politiker für Kroatien. Premier ist er seit 2016.

Das Gespräch führte Nenad Kreizer.