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Ordentlich durchgeschüttelt

Andreas Sten-Ziemons1. April 2014

Im deutschen Fußball gibt es keine standardisierten Gesundheitstests bei Kopfverletzungen. Dabei können Gehirnerschütterungen schwere Folgen haben. DFB und DFL müssen die Gesundheit ihrer Spieler besser schützen.

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Themenbild Kolumne Flügelzange
Bild: DW

Szenen wie diese passieren im Fußball immer wieder: Beim Kopfballduell rasseln zwei Spieler mit den Köpfen gegeneinander und bleiben benommen liegen. Die Betreuer rennen auf den Platz, richten die Verletzten wieder auf, fragen kurz nach, ob alles in Ordnung ist und versorgen sie mit Eisbeuteln. Hat einer eine Platzwunde davongetragen, gibt es einen turbanartigen Kopfverband und weiter geht es. Oft auch deshalb, weil die Spieler unbedingt zurück auf den Platz wollen und auf gar keinen Fall ausgewechselt werden möchten.

In Mainz stießen am Wochenende der FSV-Verteidiger Stefan Bell und Augsburgs Tobias Werner mit den Köpfen zusammen. Besonders Werner erwischte es schwer: Der Flügelflitzer war benommen und blutete. Er wurde behandelt, bekam einen Kopfverband und kehrte mehr torkelnd als laufend auf den Platz zurück. Erst zehn Minuten später sorgten seine Mitspieler dafür, dass er doch ausgewechselt wurde, nachdem sie mitbekommen hatten, wie sehr Werner neben sich stand. Im Krankenhaus stellten die Ärzte dann eine Gehirnerschütterung und einen Bruch der Augenhöhle fest.

Deutschland Bundesliga 1. FSV Mainz 05 gegen FC Augsburg
Augsburgs Daniel Baier überredet den angeschlagenen Tobias Werner (r.) zur AuswechslungBild: Getty Images

Es ehrt Werner, dass er zurück aufs Feld wollte, um seine Mannschaftskameraden nicht im Stich zu lassen. Allerdings wirkte er bei seiner Rückkehr bereits so groggy, dass er sich selbst daran wahrscheinlich kaum noch erinnert. Und es ehrt seine Mitspieler, dass sie ihn vernünftigerweise doch aus dem Spiel genommen haben. Allerdings wäre das zuvor die Aufgabe und Verantwortung des Augsburger Mannschaftsarztes und des Physiotherapeuten gewesen, die Werner immerhin drei Minuten lang am Spielfeldrand behandelt haben. Sie hätten doch mitbekommen müssen, wie es um ihn stand. Außerdem sind der DFB und die DFL in der Verantwortung, ein verbindliches und standardisiertes Testverfahren festschreiben zu lassen. Es muss bei Spielern, die sich den Kopf angeschlagen haben, zwingend angewendet werden, um auszuschließen, dass sie eine Gehirnerschütterung oder eine ähnlich schwere Verletzung erlitten haben.

Verantwortungslos

Im Eishockey ist das bereits gang und gäbe. In der deutschen Profiliga DEL werden alle Spieler vor der Saison ausgiebig getestet, um eine Art gesunden Basiswert zu ermitteln. Ein Fünf-Fragen-Schnelltest an der Bande zeigt im Verletzungsfall dann ob der Spieler orientiert ist. Ist er es nicht, schließen sich weitere Tests des Mannschaftsarztes an, bei denen festgestellt wird, ob die aktuellen Werte im Vergleich mit den Basiswerten so stark verändert sind, dass von einer schweren Verletzung ausgegangen werden muss. Erst, wenn das sicher ausgeschlossen werden kann, darf der Spieler zurück aufs Eis. Liegt eine Gehirnerschütterung vor, dauert es in der Regel mindestens drei Wochen, bis der Spieler wieder mitmachen darf. Wie wichtig solche die Testverfahren und das Auskurieren der Kopfverletzungen sind, zeigt der Fall des ehemaligen Nationalspielers Stefan Ustorf, der Ende 2011 innerhalb kurzer Zeit zwei Gehirnerschütterungen erlitt und noch heute mit den Folgen zu kämpfen hat: Sehstörungen, Konzentrationsschwächen, Lichtempfindlichkeit, Schlafstörungen und starke Kopfschmerzen.

Der Fußball-Weltverband FIFA war an der Entwicklung des Testverfahrens übrigens beteiligt. Warum es dennoch im Fußball nicht angewendet wird, wissen wohl nur die Funktionäre selbst. Stattdessen ist die Mentalität des "Es geht schon" oder des "Ist doch nichts Schlimmes" sehr verbreitet. Da ist es dem verletzten Spieler wichtiger, keine Schwäche zu zeigen, oder dem Trainer, dass bei der Standardsituation keine Unterzahl herrscht, weil jemand lange draußen behandelt wird. Umso wichtiger wäre es, dass die Verbände ihrer Verantwortung gerecht würden und die Spieler schützten. Schließlich können die Folgen von nicht richtig auskurierten Kopfverletzungen schwerwiegend sein. Und wer das nicht glaubt, der kann im Internet ja mal nach "Stefan Ustorf" und "Kopfverletzung" suchen…