Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen wird 30
14. Juli 2010Bemerkenswert an dem Kammerorchester ist seine ungewöhnliche demokratische Organisationsstruktur und sein pädagogisches Engagement auf verschiedenen Ebenen. Die Musiker wollten von Anfang an unabhängig sein, als sie sich vor 30 Jahren im damaligen Bundesstudentenorchester zusammenfanden und auf der Insel Föhr zu kammermusikalischen Exkursen trafen. Es entwickelte sich eine Art "demokratisches Orchester", in dem jeder eine Stimme haben wollte – was sich bald als unrealistisch herausstellte.
Das "5-Sekunden-Modell"
Jenseits vom tariflich abgesicherten "Dienst"-Orchester – organisierte man sich schließlich als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Bezuschusst werden die Musiker von Sponsoren und dem Land Bremen, immerhin fast 60 Prozent erwirtschaften sie selbst – zum Beispiel durch einen speziellen Kurs, den sie für Manager anbieten: "5-Sekunden-Modell" heißt das Training, das sie mit dem Wirtschaftsexperten Christian Scholz von der Universität Saarbrücken ausgetüftelt haben. Bei den Kursen werden die Manager auch praktisch in die Orchesterarbeit einbezogen, dürfen sogar mal dirigieren, lernen dabei eine ganz andere Form von Kommunikation kennen, die sie dann in ihren Alltag übertragen können.
Goethe und die Bundeswehr
Ihre pädagogische Ader zeigen die Kammerphilharmoniker auch an einer Gesamtschule im Bremer Multi-Kulti-Stadtteil Tenever, wo sie inzwischen ihren festen Sitz haben. Hier arbeiten sie mit Lehrern und Schülern zusammen und organisieren einmal im Jahr ein Gemeinschafts-Projekt: "Faust II" hieß das erste, frei nach Goethe. Gemeinsam mit Schauspiel-Größen wie Dominique Horwitz wurde es aufgeführt, und nahm manchmal schon fast skurrile Züge an: mit Kettensägen wurde herumhantiert und sogar die Bundeswehr schaute auf der Bühne vorbei.
In doppelter "Hörsicht"
Die Flexibilität und Neugierde der Kammerphilharmoniker wussten von Anfang an auch die Gastdirigenten zu schätzen, darunter Mario Venzago und Heinrich Schiff. In Thomas Hengelbrock akzeptierten die Musiker 1995 erstmals einen Künstlerischen Leiter, ihm folgte der britische Jungstar Daniel Harding. Seit sechs Jahren leitet nun der Este Paavo Järvi die Bremer – fühlt sich bei ihnen als "Kammermusiker unter Kammermusikern". Nach dem weltweit bejubelten Beethoven-Projekt spielt Järvi gerade alle Sinfonien von Robert Schumann mit seinem Orchester ein: Das Geburtstagskind gratuliert dem Komponisten zum 200. Geburtstag - das dürfte in doppelter "Hörsicht" ein Fest werden.
Autorin: Ursula Böhmer
Redaktion: Gudrun Stegen