Sensation in Leipzig
16. April 2008Er wolle das Haus wieder zu einer der bedeutendsten Bühnen Deutschlands machen, sagt Peter Konwitschny. Ziel sei es, gute, junge Regisseure zu finden, damit nicht "die allergrößten Blödmänner oder Blödfrauen" hier inszenieren. Das gelte auch für die Sänger, sagt der 63-jährige Konwitschny, einer der bekanntesten deutschen Opernregisseure. Zur Zusammenarbeit mit Generalmusikdirektor Riccardo Chailly äußert sich Konwitschny ebenfalls optimistisch. Er sei ein guter Dirigent, ob es unterschiedliche Auffassungen von Oper gebe, müsse sich erweisen.
Konkrete Pläne
Die Verpflichtung von Peter Konwitschny gilt als Sensation. Denn das Opernhaus steht vor einem großen Umbruch. Nachdem der Vertrag von Intendant Henri Maier 2007 vorzeitig aufgelöst worden war, ist jetzt entschieden worden, dass Interimsintendant Alexander von Maravic seine Nachfolge antreten wird. Beide erhalten Verträge für sechs Jahre.
Peter Konwitschny hat seine Pläne für Leipzig schon konkretisiert. Ähnlich wie seinerzeit Udo Zimmermann will auch Konwitschny dem zeitgenössischen Repertoire wieder mehr Raum geben. Dabei denkt er an Werke Schönbergs "Pierrot lunaire", Nonos "Prometeo" oder Dessaus "Lanzelot". Konwitschny wird sein Amt am 1. August antreten.
Regisseur des Jahres
Um – anders als Zimmermann – das Haus nicht "leerzuinszenieren", will er das Publikum an seine Arbeit heranführen, indem er es beispielsweise an Proben teilnehmen lässt. Im Hinblick auf das Wagner-Jahr 2013 plant Konwitschny für Leipzig keine eigene Ring-Inszenierung, sondern will sich auf die "Götterdämmerung" beschränken und für die anderen drei Nibelungen-Opern Kollegen mit unterschiedlichen Regie-Handschriften nach Leipzig einladen.
Für seine polarisierenden Inszenierungen an den großen Opernhäusern im deutschsprachigen Raum ist Konwitschny von der Fachpresse mehrmals zum Regisseur des Jahres gewählt worden. Er ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und Honorarprofessor an der Hochschule für Musik Hanns Eissler in Berlin.
Neue Maßstäbe
Am 21. Februar 1945 in Frankfurt geboren, zieht Konwitschny wenige Jahre später nach Leipzig. Sein Vater ist dort Gewandhaus-Kapellmeister. Nach einem kurzen Ausflug in die Physik wendet er sich dem Studium der Opernregie in Berlin zu. Als Regieassistent von Ruth Berghaus sammelt er in den 1970er Jahren am Berliner Ensemble wichtige Erfahrungen und inszeniert als freier Regisseur ab 1980 an deutschen Bühnen, in Basel, Graz, Paris und Barcelona.
Operngeschichtliche Bedeutung gewinnt seine Interpretation der Händel-Opern in Halle, mit denen er eine neue Ära der Händelpflege in der Stadt begründet. In den 1990er Jahren setzten seine Aufführungen von Wagner-Opern in Stuttgart, an der Bayerischen Staatsoper und in Hamburg neue Maßstäbe in der Wagner-Interpretation.
La Bohème
Seine Auffassung vom modernen Regietheater setzte er in den folgenden Jahren vor allem in Hamburg um, zusammen mit Ingo Metzmacher. In den letzten Jahren ist es stiller geworden um Konwitschny. Es laufen nur noch Wiederaufnahmen seiner Inszenierungen, abgesehen von "Land des Lächelns" in Berlin. Doch damit dürfte jetzt Schluß sein. Konwitschny wird in Leipzig pro Spielzeit zwei Stücke inszenieren und den Spielplan gestalten, außerdem soll er bei den Besetzungen mitentscheiden. Für die kommende Saison sei zunächst die Neuinszenierung von "La Bohème" vorgesehen.