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Opel/Peugeot: Das wird keine Liebes-Hochzeit

Christian Pricelius z.Zt. Rüsselsheim
17. Februar 2017

Der mögliche Verkauf von Opel an den französischen Konkurrenten PSA hat die Mitarbeiter kalt getroffen. DW-Reporter Christian Pricelius hat sich am Stammsitz in Rüsselsheim umgehört.

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Opelwerk Rüsselsheim
Bild: dapd

Rüsselsheim bei Frankfurt am Main. Fünf Uhr morgens. Der Parkplatz am Werkstor 16 wird allmählich zugeparkt. Fast alle, die parken, arbeiten am Band und sind männlich. "An den Toren für die Verwaltung arbeiten mehr Frauen", sagt einer. Die Männer tragen Rucksäcke oder kleine Provianttaschen. Seit den 1990er Jahren hat der Konzern mit den roten Zahlen zu kämpfen, seitdem gibt es fast jedes Jahr am Werkstor das Spalier aus Kamerateams.

Aber seit dem 15. Februar 2017 scheint alles anders als zuvor. General Motors gibt seine deutsche Tochter möglicherweise aus der Hand. Die "Opelaner", wie sie sich nennen, sollen an den französischen Hersteller PSA mit den Marken Peugeot und Citroën verkauft werden. 1929 haben die Amerikaner den deutschen Traditionskonzern aufgekauft, jetzt naht das Ende einer fast 80-jährigen, gemeinsamen transatlantischen Geschichte.

Hinter verschlossenen Türen

Es wäre die Konsequenz aus jahrelangen Verlusten, die Opel den Amerikanern beschert hat. 15.000 Angestellte arbeiten hier am Traditionsstandort in Rüsselsheim, deutschlandweit sind es 22.000. "Wir müssen jetzt mal warten, was unser Betriebsratsvorsitzender von Mary Barra erfährt," meint ein etwa 40-jähriger Mitarbeiter. Barra, die Chefin von GM, ist gerade hier in der Verwaltung und informiert hinter verschlossenen Türen. Der Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug ist in die Gespräche  eingebunden. Dass General Motors und der französische Autobauer PSA den Verkauf von Opel unter größter Geheimhaltung schon weit verhandelt hat, das hat viele bei Opel "überrascht und irritiert". Der Betriebsratsvorsitzende will die Angebote von PSA ohne Vorbehalte prüfen. "Da könnte was Gutes dabei herauskommen, es kann nur aufwärts gehen", sagt ein Schichtarbeiter mit Schirmmütze. Informiert wurden die Mitarbeiter am Freitag auf einer Personalversammlung, nach außen drang jedoch nichts.

General Motors Mary Barra in Rüsselsheim
GM-Chefin Mary Barra bei einem früheren Besuch in Rüsselsheim (2014)Bild: DANIEL ROLAND/AFP/Getty Images

Schwieriger Markt

Zwar macht Opel Verluste, aber die sanken 2016 auf 241 Millionen Euro, im Jahr davor waren es noch über 750 Millionen Euro. "Die Zahlen von Opel haben sich deutlich verbessert", erklärt Jürgen Pieper, Auto-Analyst des Bankhauses Metzler in Frankfurt am Main. Das führen viele Beobachter auf die Management-Erfolge des Geschäftsführers Karl-Thomas Neumann zurück, der seit 2013 die Geschicke des Konzerns leitet. "Wahrscheinlich schriebe Opel heute sogar schwarze Zahlen", meint Pieper, aber der Brexit hat dem neuen Management einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn die Opel-Tochter Vauxhall leidet unter den Kursverlusten des britischen Pfund.

Für Opel waren die Rahmenbedingungen in den letzten Jahren alles andere als einfach. Vom Russlandgeschäft verabschiedete man sich aufgrund der wirtschaftlich wie politisch schwierigen Lage. Vom lukrativen chinesischen Markt hatte die eigensinnige Konzernpolitik von GM das Stiefkind Opel immer schon ausgeschlossen. "Teile und herrsche", das war unter der Ägide der Amerikaner nur auf den europäischen Markt beschränkt, den sie mit Opel beherrschten. Einige Experten schätzen den Verkaufswert von Opel auf drei Milliarden Euro.

Ungleiche Partner

Nun also eine ungleiche Hochzeit mit den Franzosen? PSA ist weitaus größer als Opel, in Europa und Südamerika gibt es allein 53.000 Beschäftigte. Während Opel im vergangenen Jahr rund 1,1 Millionen  Fahrzeuge verkaufte, waren es bei PSA fast 3,1 Millionen. Der französische Autobauer machte 2016 einen Umsatz von 54,7 Milliarden Euro, bei Opel waren es nur 16,9 Milliarden Euro. Beide Konzerne zusammen würden in Europa zum zweitgrößten Automobilhersteller nach VW aufsteigen. PSA produziert bereits in China in eigenen Werken. Der französische Staat ist mit rund 13 Prozent am Unternehmen beteiligt, weitere 13 Prozent hält das chinesische Joint-Venture mit Dongfeng Motors.

Überhaupt scheinen die Verhandlungen zum Politikum zu werden. Schon wird gemunkelt, der PSA-Geschäftsführer Carlos Tavares habe Termine mit dem Kanzleramt vereinbart und die Beteiligung des französischen Staates an den Verhandlungen macht die ohnehin schwache Lage vom "kleinen Opel" gegenüber PSA nicht leichter. 

"Ohne Zugang zum größten Automarkt der Welt, nämlich China, wird es für Opel schwierig", meint Branchenkenner Jürgen Pieper. Auch PSA macht seit langem Verluste. Bei einem Zusammenschluss würden "zwei Kranke" zusammen kommen, das wäre noch kein Geschäftsmodell. Beide Partner sind auch sehr ähnlich im Portfolio, beim Angebot von einfachen und gehobenen Mittelklasse-PKW. Potenziell sieht der Branchen-Experte Ferdinand Dudenhöffer "mindestens ein Drittel der Arbeitsplätze" bei Opel als gefährdet, das wären über 12.000 Jobs von 38.000, die es in  ganz Europa gibt. Etwas positiver bewertet Jürgen Pieper die Lage. Ein Vorteil sei die Markentreue der europäischen Kunden.

Opel-Chef Karl-Thomas Neumann und Mary Barra
Hier noch gemeinsam unterwegs: GM-Chefin Barra und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann auf der IAA 2015Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Gesucht wird eine Strategie

Opel produziert außer in Deutschland in fünf weiteren europäischen Ländern. PSA hat weitere Produktionen in der Slowakei, Portugal, Spanien und Südamerika sowie das schon erwähnte Joint Venture mit der chinesischen Donfeng Motor Group. Solche mögliche Kooperationen und der Zugang zum chinesischen Markt wären auch für Opel eine überlebensnotwendige Perspektive. Eine weitere Chance sieht Branchenkenner Pieper in einer gemeinsamen deutsch-französischen Strategie für Rationalisierungen nach dem Vorbild von VW. Der Wolfsburger Konzern setzt beispielsweise schon lange auf vereinheitlichte Fahrgestelle, sogenannte Plattformen, auf deren Basis verschiedene VW-Marken ihre Karosserien aufbauen. 

Solche Kooperationen wurden zwischen Opel und PSA bereits unter dem Management von GM aufgebaut. So basiert der Geländewagen Crossland X auf der gleichen Plattform wie der Peugeot 2008. Und der mittelgroße Grandland X hat mit seinem französischen "Schwestermodell" Peugeot 3008 eine gemeinsame technische Basis. Mit beiden SUV's ist Opel übrigens auf dem erfolgreichen Weg zu einem neuen Image: gewollt mausgraues Understatement war gestern, schnittige Formen und anspruchsvolles Design, gepaart mit Hightech ist das neue Image. Geformt von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, der jetzt vor der größten Herausforderung seiner Karriere steht.