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Politik

OPCW: Damaskus setzte Giftgas ein

8. April 2020

Chemiewaffen-Experten der OPCW haben erstmals konkret Syriens Armee für Angriffe mit Sarin- und Chlorgas im Jahr 2017 im Norden des Landes verantwortlich gemacht. Das Regime weist weiter jede Beteiligung weit von sich.

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Niederlande OPCW-Sondersitzung zu mutmaßlichem Giftgaseinsatz in Duma
Bild: picture alliance/dpa/ANP/Evert-Jan Daniels

Die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hat erstmals Syriens Armee für drei Giftgasangriffe auf einen Ort im Nordwesten des Landes vor drei Jahren als Schuldigen ausgemacht. Die Ermittler kommen in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass die syrische Luftwaffe Ende März 2017 bei Bombardierungen des Ortes Al-Lataminah Sarin- und Chlorgas einsetzte. Die in Den Haag ansässige Organisation geht davon aus, dass derartige Angriffe nur auf Befehl höherer Ränge des syrischen Militärkommandos ausgeführt werden konnten.

Es ist der erste Bericht einer OPCW-Ermittlungskommission, die - anders als bei früheren Untersuchungen - auch die Schuldigen benennen soll. Dieses Mandat hatten die Ermittler gegen den heftigen Widerstand Syriens und Russlands erhalten. Die beiden Verbündeten weisen jede Verantwortung der Regierung in Damaskus für Giftgasangriffe zurück.

Syrien Krieg in Aleppo | mutmaßlicher Giftgasangriff
Opfer eines mutmaßlichen Giftgasangriffs in Syrien (Archivbild)Bild: Reuters/Sana

Bundesaußenminister Heiko Maas wertete den Bericht als wichtigen Schritt zur Aufklärung dieser "scheußlichen Verbrechen". Ein so eklatanter Völkerrechtsbruch dürfe nicht ungestraft bleiben, erklärte der SPD-Politiker in Berlin. Die internationale Staatengemeinschaft müsse umgehend reagieren und dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Bundesregierung werde sich hierfür im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und bei der OPCW mit Nachdruck einsetzen, betonte Maas.

Was passierte in Duma?

Al-Lataminah wird mittlerweile von Regierungsanhängern kontrolliert, gehörte 2017 aber zu dem bis heute umkämpften Rebellengebiet um die Stadt Idlib im Nordwesten des Landes. Nach Erkenntnissen der OPCW warf die syrische Luftwaffe an drei Tagen Ende März 2017 Bomben mit Giftgas über dem Ort ab. Getroffen wurde unter anderem ein Krankenhaus. Insgesamt starben drei Menschen, rund 100 wurden verletzt, wie es in dem mehr als 80-seitigen Bericht heißt.

Die Ermittlungen bestätigten Recherchen der investigativen Internetseite Bellingcat, an denen die Deutsche Presse-Agentur beteiligt war. Die OPCW-Ermittler wollen sich in weiteren Berichten auch mit anderen Giftgasangriffen in Syrien beschäftigen und Schuldige benennen. So wollen sie den verheerenden Einsatz von Chlorgas am 7. April 2018 in dem Ort Duma östlich der Hauptstadt Damaskus untersuchen, bei dem mehr als 40 Menschen ums Leben kamen.

Eine Faktenfindungskommission der OPCW war bereits im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass in Duma wahrscheinlich Chlorgas eingesetzt wurde. Syriens Regierung bestreitet das und sprach von einer "Inszenierung". Einen Schuldigen nannten die Ermittler nicht, da sie dafür damals anders als heute kein Mandat besaßen.

Datenbank soll Schuldige benennen

Recherchen unter anderem von Bellingcat und der "New York Times" sahen aber auch bei der Bombardierung Dumas die syrische Regierung am Werk. Die Führung unter Präsident Baschar al-Assad ist bereits mehrfach für Angriffe mit Chemiewaffen verantwortlich gemacht worden. So schlussfolgerte ein gemeinsames Untersuchungsteam der UN und der OPCW im Oktober 2017, Syriens Luftwaffe stecke hinter einem verheerenden Angriff auf den Ort Chan Schaichun im April zuvor, bei dem mehr als 80 Menschen getötet worden waren. Auch damals wiesen Syrien und Russland alle Vorwürfe zurück.

Das Berliner Global Public Policy Institute (GPPi) stellte in dieser Woche eine Datenbank zu 345 Giftgas-Einsätzen in dem Bürgerkriegsland ins Netz. In 98 Prozent der Fälle sei die Regierung verantwortlich gewesen, sagte Theresa Lütkefend, eine der Verantwortlichen des von Deutschland mitfinanzierten Projekts, der Deutschen Presse-Agentur. Kein Angriff habe der bewaffneten Opposition zugeschrieben werden können. Für die restlichen zwei Prozent der Angriffe seit 2012 macht das Institut die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) verantwortlich.

sth/qu (dpa, afp)