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Online fängt die Zukunft erst an

Kay-Alexander Scholz7. September 2005

Auf der IFA wird viel über Hardware gesprochen, wenig über Inhalte. Dabei ist das genauso spannend. Was gibt es zum Beispiel über Online-Journalismus zu berichten? Kay-Alexander Scholz hat eine Bestandsaufnahme gemacht.

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Die Hoffnungsträger

Im letzten Jahr feierte die deutsche Medienszene das erste Jahrzehnt Online-Journalismus. Zehn Jahre sind ein vergleichsweise kurzer Zeitraum. Für den Online-Journalismus aber waren es rasante Jahre. Grob lassen sich die ersten Online-Jahre in eine experimentelle und eine emanzipatorische Phase einteilen. Zusammen bilden sie das Fundament, auf dem sich gegenwärtig Online-Redakteure tummeln - und gerade erst beginnen, eine eigene Sprache zu entwickleln.

Was besonders ist

Zunächst mussten die angehenden Onliner die Technik lernen, was nicht so einfach war. Erst Ende der 1990er-Jahre gab es stabile Content-Management-Systeme, mit denen sich Print-Texte ruckzuck in Online-Texte umwandeln lassen. Zuvor mussten zum Beispiel Texte mit HTML-Befehlen händisch programmiert werden.

Programmieren gehörte zum Online-Publizieren dazu - und das wirkte sich auch auf die Inhalte aus: Die "Bastler" und "Freaks" dokumentierten, welche Schritte das neue Medium machte oder beschäftigten sich auf eher akademischem Niveau mit gesellschaftlichen Themen. So entstanden "Internet" und "Multimedia" als eigenständige Rubriken, die heute etabliert oder aufgegangen sind in die alltägliche journalistische Berichterstattung.

Ein wenig vom Geist der Aufbruchjahre lebt dennoch fort: Das Internet ermöglichte, Themen so ausführlich darzustellen wie es "nötig" war - nicht nur wie "möglich". Print-, Radio- und TV-Kollegen können ein Lied singen von den immer währenden technischen und zeitlichen Grenzen ihres journalistischen Tuns. Onliner dagegen sind - eigentlich - frei davon. Allein der User könnte entscheiden, wie tief er sich auf ein Thema einlassen will.

So entstanden Dossiers, Archivseiten und Newsticker; PDFs und Links ermöglichten mehr Wissen zum Nachlesen. Zumindest von den letzten beiden Möglichkeiten wird - im Großteil des deutschen Webs - derzeit viel zu wenig Gebrauch gemacht.

Emanzipation ist nicht alles

Noch immer sind viele Online-Seiten von den Inhalten konventioneller Medienmacher geprägt. Die Online-Redaktionen sind zwar formal emanzipiert und schneller als die Zeitung aber eine starke, eigene publizistische Stimme sind sie noch immer viel zu selten. Erfolgreiche Konzepte wie Spiegel-Online oder die Netzzeitung gibt es wenige.

War das schon alles? Sicherlich nicht. Welches große Potential in dem Medium tatsächlich steckt, das beginnt sich erst jetzt - im 11. Lebensjahr sozusagen - abzuzeichnen.

Privatvideos und Informationen von Betroffenen aus dem Internet spielen eine immer wichtigere Rolle, sagte kürzlich der Chefredakteur von CNN International, Nick Wrenn. Der Nachrichtensender nutze zunehmend Amateuraufnahmen und Weblogs für die Berichterstattung aus Krisengebieten. Ob Tsunami, Terror oder Hurrikan - der "Bürgerjournalismus" sei eine Bereicherung und erlaube eine schnellere und billigere Berichterstattung.

Dieser Trend wird stärker werden. Denn das Internet ist nicht nur ein Publikationsort, sondern auch eine Form des blitzschnellen Datentransfers.

Ein Stichwort hierfür ist: mediale Gleichzeitigkeit von globalen Ereignissen. Der Traum ist nicht ganz neu. Schon einer der Väter der Medienwissenschaft, Marshall McLuhan, sprach vom "globalen Dorf", wenn er über die Zukunft der Massenkommunikation theorisierte. Doch das multifunktionale Handy von heute ist ein "lebendes" Beispiel für den visionären Gehalt dieser Idee: Artikel können mobil gelesen werden und im nächsten Moment wird - zum Beispiel mit der Digitalkamera - Content produziert, der in die Online-Redaktionen zurückfließen kann. Alles fast in "Real Time".

Wie geht's weiter? Lesen Sie Teil zwei!

Next Generation

Die Vorstellung, jeder User könne sein eigener Chefredakteur sein, gewinnt immer mehr Anhänger. Kritiker halten dagegen, das sei nur wieder ein neuer kurzlebiger Trend. Sicherlich spielen die Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts bei dieser Skepsis eine Rolle, denn es waren sehr hypervolle Jahre. Dennoch gibt es Zeichen, die für ersteres sprechen.

Weblogs füllen Lücken, indem sie ungefiltert berichten dürfen. Das setzt Meinungsmacher unter Druck - vor allem in Zeiten, in denen sich junge Leute mehr und mehr von der konventionellen Berichterstattung abwenden.

Podcasting ist ein anderes, nicht nur trendiges Stichwort. Hier verwirklicht sich die - fast schon alte - Idee vom On-Demand-Publizieren, das seit Jahren versucht wird, aber nun endlich eine Userschaft findet. Diese User wollen mobil sein, fordern ihr individuelles Themenspektrum und wollen so hören, wie man auch liest - nämlich nach Lust und Laune.

Wohin es gehen könnte, lässt sich bei einigen Zeitung in den USA beobachten. Bei der "New York Times" werden Online- und Printredaktion demnächst zusammen gelegt. Nicht nur aus dem Grund, online schnell auch das produzieren zu können, was in der Zeitung steht. Die umgekehrte Richtung wird interessant. Der "Bakersfield Californian" macht es vor: Die Zeitung hat einen Blog eingerichtet für Ideen, Stories und Fotos, die allwöchentlich in einer Gratis-Ausgabe nachgedruckt werden.

Jeder nach seiner Fasson

Googles Pläne von personalisierten Startseiten könnten demnächt für Aufregung sorgen. Dann nämlich, wenn User ihre täglichen Webseiten nicht mehr nacheinander aufrufen, sondern sich die Schlagzeilen auf einer der am häufigsten gebrauchten Seite im Netz - der Suchseite von Google - anzeigen lassen.

Was Journalismus immer sein wollte, nämlich objektiv, von dieser Vorstellung sollte man sich langsam endgültig verabschieden. Stattdessen werden nun die Macher und die Konsumenten immer präsenter. In der Folge dürfte die Erfurcht vor dem was in der Zeitung steht bei der ersten wirklichen Internet-Generation, den jetzigen Teenagern, in Zukunft keine so große Rolle mehr spielen wie noch zu Großmutters Zeiten - vor HTML.