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One-Way-Ticket für Russlands Chef-Eisenbahner

Juri Rescheto, Moskau 18. August 2015

Der Chef der Russischen Eisenbahn Wladimir Jakunin tritt zurück. Freiwillig - zumindest offiziell. Jetzt soll er Abgeordneter des Gebiets Kaliningrad im Russischen Föderationsrat werden. Aus Moskau: Juri Rescheto.

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Bild: picture-alliance/dpa

Gerüchte gab es lange. Spätestens seit sich Wladimir Jakunin, dem persönliche Nähe zu Staatschef Putin nachgesagt wird, Ende 2014 weigerte, seine Einkünfte offenzulegen - eine medienwirksame Forderung der Regierung an die Top-Manager der Staatsfirmen. Wladimir Jakunin, Chef der Russischen Eisenbahn, regte sich damals nicht minder medienwirksam auf: "Wenn der Staat das von mir will, habe ich zwei Optionen: Ich beuge mich und bleibe in meiner Funktion, oder ich sage 'nein', entschuldige mich, bitte schriftlich um Entlassung und werde privater Geschäftsmann." Am Ende beugte sich der Staatsdiener und gab eine bescheidene Zahl von vier Millionen Rubel an, die er monatlich verdiene, umgerechnet 55.000 Euro. Jakunin blieb im Amt. Das Gerede über seine Einkünfte verstummte - doch nicht lange.

Vorwürfe gegen Jakunin habe es seit Jahren gegeben, sagen Experten und führen eine vernichtende Bilanz an: Das Schienennetz sei zwischen 2003 und 2013 um keinen müden Kilometer länger geworden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit russischer Züge betrage sagenhafte 39,6 Kilometer pro Stunde. Die Anzahl der Unfälle sei gestiegen: 2005 gab es noch fünf, 2013 schon 17. Nach reinen Gewinnen von knapp 40 Milliarden Rubel 2003 habe das Unternehmen im Jahr 2014 reine Verluste von 99 Milliarden Rubel erwirtschaftet.

Transsibirische Eisenbahn in Russland (Foto: Kyodo)
Experten kritisieren, dass das russische Schienennetz von 2003 bis 2013 nicht länger geworden istBild: picture-alliance/dpa/Maxppp

Russische Eisenbahn: Ein "Klotz am Bein des Staates"?

Die von Jakunin anfangs angestoßene Eisenbahn-Reform sei zur "Verbrennung von Staatsmilliarden" mutiert, meint Wladimir Milow, Vorsitzender der oppositionellen "Demokratischen Wahl". Die Russische Eisenbahn sei veraltet und schwerfällig geblieben, ein Klotz am Bein des Staates mitten in der Wirtschaftskrise.

Dafür musste Jakunin wohl büßen - an einen freiwilligen Rücktritt glaubt kaum jemand. Dass der Chef-Eisenbahner jetzt erst "gegangen wurde", sei eine typische Entscheidung für Präsident Wladimir Putin, meint Andrej Sinizin von der Zeitung "Vedomosti". Putin gehe gern in Deckung und warte den Höhepunkt medialer Aufmerksamkeit mitten in großen Skandalen ab. Dann habe der Präsident aber mit einem Schlag entschieden gehandelt, so der Experte. Ein Jahr nach dem Skandal um Jakunins Einkommen sei der Zeitpunkt schließlich gekommen.

"Jakunin war nicht mehr zu halten"

Doch ist die Strafe für das offensichtliche Missmanagement der einzige Grund? Der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Carnegie-Zentrum greift im DW-Gespräch bei dieser Frage auf sowjetische Muster zurück: "Die Entscheidung wurde allein und einzig vom Generalsekretär und Vorsitzenden des Politbüros beschlossen, vom Genossen Wladimir Putin. Der Grund: gegenseitige Müdigkeit. Jakunin war nicht mehr zu halten."

Für Kolesnikow ist Jakunin ein Vertreter der sogenannten "eklektischen Ideologie": von allem etwas, ein heute weit verbreiteter Top-Manager-Typ in Russland. Imperiales Gehabe gemischt mit grobem Nationalismus und Antiamerikanismus. Jakunin polterte gern selbst bei seinen Auslandsauftritten gegen den Westen, gegen Schwule und Andersdenkende. Man wundere sich, so Kolesnikow, wie so ein Mann wie Jakunin überhaupt zehn Jahre lang Russlands Top-Manager bleiben konnte.

Diese zehn Jahre sind nun vorbei und aus dem Manager Jakunin wird nun ein Politiker Jakunin: Er soll Abgeordneter des Gebiets Kaliningrad im Russischen Föderationsrat werden. Mit denselben Vorstellungen von der Welt.