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Ombudsfrau mahnt mehr Hilfe für Opfer an

8. März 2012

Barbara John berichtet im Untersuchungsausschuss des Bundestages über die Sorgen und Nöte der Opfer-Familien neonazistischer Morde. Ihre Empfehlungen werden dort dankbar aufgenommen.

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Die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen und Opfer der Neonazi-Mordserie, Barbara John, während ihrer Anhörung im Untersuchungsausschuss des Bundestages. (Foto: Timur Emek / dapd)
Bild: dapd

Das Wort "Danke" fällt im Europasaal des Deutschen Bundestages an diesem Donnerstag (08.03.212) sehr oft. Es gilt der Ombudsfrau für die Opfer-Familien der neonazistischen Mordserie, Barbara John. Im Auftrag der Bundesregierung hat sie seit Dezember mit rund 70 Hinterbliebenen und Opfern von zwei Bombenanschlägen in Köln in den Jahren 2001 und 2004 gesprochen. Sie weiß also sehr genau, wie es diesen Menschen geht, die ihren Vater verloren haben, ihren Bruder, ihren Sohn. Darüber wollen die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss etwas von Barbara John erfahren und wie man erfolgreicher gegen Rechtsextremismus vorgehen könnte.

Barbara John dankt "im Namen der Opfer"

Doch bevor die ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte Fragen beantwortet, dankt sie den Abgeordneten "im Namen der Opfer und Hinterbliebenen" für die Möglichkeit, vor diesem Gremium sprechen zu können. Die, um deren Sorgen und Nöte Barbara John sich jetzt kümmert, erhielten nun die "Aufmerksamkeit, die sie brauchen". Schließlich seien sie über viele Jahre aus dem "Kreis der Anständigen" ausgestoßen worden, sagt die Ombudsfrau unter Verweis auf die jahrelangen Verdächtigungen, denen die Hinterbliebenen der Opfer ausgesetzt waren. Denn routinemäßig ermittelte die Polizei in Richtung Ausländerkriminalität, weil sie hinter der von 2000 bis 2007 begangenen Mordserie trotz einiger Anzeichen keinen rechtsextremistischen Hintergrund erkennen mochte.  

Sebastian Edathy (l.), Vorsitzender des Untersuchungsausschusses begrüßt die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der Neonazi-Opfer im Europasaal des Bundestages. (Foto: Timur Emek / dapd)
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (l.) begrüßt die Ombudsfrau der Bundesregierung, Barbara John.Bild: dapd

Acht der Opfer hatten türkische Wurzeln, ein Ermordeter stammte aus Griechenland, als letzte starb eine aus Thüringen stammende Polizistin. Dass sie alle von einem quer durch die Republik reisenden Neonazi-Trio gezielt getötet wurden, kam erst ans Tageslicht, als sich zwei der mutmaßlichen Täter das Leben nahmen, um ihrer Festnahme zu entgehen. Die festgenommene dritte Beschuldigte, Beate Zschäpe, verweigert die Aussage. Dass sie und ihre toten rechtsextremistischen Freunde Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos für die Morde verantwortlich sind, geht aus Videos hervor, in denen die Taten verherrlicht werden.

Finanzielle Entschädigung ist nicht alles

Die Aufnahmen wurden in der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefunden, die dem Terroristen-Trio als Unterschlupf diente. Vor der öffentlichen Anhörung mit Barbara John haben sich die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses die Videos mit Bildern von Ermordeten angesehen. Sie seien von einer "Abgründigkeit, die sich viele nicht vorstellen konnten", sagt der Vorsitzende des Ausschusses, Sebastian Edathy.

Wie den Opfer-Familien wirksam geholfen werden könnte, interessiert die Parlamentarier besonders. Barbara John empfiehlt Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen. Neben der materiellen Entschädigung hält die Ombudsfrau bürokratische Erleichterungen im Umgang mit Behörden für sehr wichtig. So gebe es Angehörige, die nach der Ermordung des Vaters ihre Ausbildung abgebrochen hätten. Ihnen solle man jetzt eine Ausbildungsförderung zugestehen, schlägt Barbara John vor. Grundsätzlich für sinnvoll hielte sie eine Beschwerdestelle, an die sich Menschen mit ausländischen Wurzeln wenden können, wenn sie sich von Sicherheitsbehörden unfair behandelt fühlen. Eine solche Institution habe sie kürzlich in Irland besucht, wo es die schon länger gebe. In Deutschland besteht aus Johns Sicht generell Bedarf an einer besseren Aus- und Weiterbildung in der Polizei.  

Generalbundesanwalt trifft Opfer-Anwälte

Ein großer Wunsch der Opfer-Familien sei es, in die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden zu der Neonazi-Mordserie einbezogen zu werden, berichtet John. Die meisten haben Anwälte, die sich um ihre rechtlichen Belange kümmern. Am 23. März soll es ein Treffen der Anwälte mit Generalbundesanwalt Harald Range geben, der die Ermittlungen leitet. Weil die Hauptbeschuldigte Beate Zschäpe schweigt, scheinen sich im Moment nur wenig neue Erkenntnisse zu ergeben.

Generalbundesanwalt Harald Range (Foto: Mario Vedder / dapd)
Generalbundesanwalt Harald RangeBild: dapd

Um seinem Untersuchungsauftrag gerecht werden zu können, pocht der Untersuchungsausschuss des Bundestages auf die Herausgabe von Akten, die unter anderem bei Verfassungsschutzämtern einzelner Bundesländer liegen. Bislang habe man noch nichts erhalten, kritisiert der Obmann der Freien Demokraten, Hartfrid Wolff. Das Gremium hält die Unterstützung aus den Ländern deshalb für wichtig, weil es offenbar zahlreiche Pannen in der Kommunikation zwischen mehreren Sicherheitsbehörden gegeben hat. So waren die mutmaßlichen Täter lange im Blickfeld des Verfassungsschutzes in Thüringen, ohne dass anderen Behörden darüber informiert wurden. Schließlich konnte das Trio untertauchen, und die Fahndung nach ihm wurde eingestellt.

Autor: Marcel Fürstenau 
Redaktion: Andrea Lueg