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Berlin

Andrea Buchberger11. April 2008

Der Gedanke wird vielen derzeit schon einmal gekommen sein: Was wäre, wenn die Olympischen Spiele nicht nach China vergeben worden wären? Hier der Versuch einer Antwort.

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Bild: DW

Das Schicksal der Tibeter bliebe, wie in den vergangenen 50 Jahren auch, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Kaum jemand wüsste, dass es so etwas wie die Uiguren überhaupt gibt. Niemand würde sich dafür interessieren, ob und in welchem Maße sich die Menschenrechtsfrage und ein Recht auf freie Meinungsäußerung in China entwickeln.

Jedem wurde inzwischen klar, dass Sport und besonders die Olympischen Spiele natürlich mit Politik zu tun haben - und nicht nur mit Doping und millionenschweren Sponsorenverträgen. Die Ersten wussten das, als die Entscheidung zur Vergabe gefallen war. Manch einer wird sich fragen, was eigentlich aus den Olympiaanlagen in Sarajewo geworden ist. Wie es um die in Deutschland aus dem Jahr 1936 steht, wissen zumindest die Berliner.

Olympia ist in der Krise, sagt jetzt IOC-Präsident Jacques Rogge und erinnert dabei die Chinesen an ihre moralischen Verpflichtungen. Endlich, schallt ihm aus einer empörten Öffentlichkeit entgegen. Spätestens als der olympischen Fackel inmitten gewaltsamer Proteste im Namen der Tibeter die Luft ausging, als sie unversehrt, allerdings auf geheimen Wegen und von Polizisten begleitet, durch San Francisco fand, dürfte auch der chinesischen Staatsführung klar geworden sein, dass "ihre" Olympischen Spiele keine selbstherrliche Inszenierung sein wird. Dass sie keine Feier sein werden, bei der die Aufmerksamkeit und Bewunderung der Welt nur den enormen Leistungen des chinesischen Volkes gelten.

Olympia ist nicht in der Krise, ganz im Gegenteil. "The Games must go on". Denn in diesem Fall wird nicht der Friede-Freude-Goldmedaillen-Teppich ausgebreitet. Das gilt auch für die Sportler. Denn das lange Schweigen der Sportfunktionäre und der auch in Deutschland vollzogene Eiertanz um den richtigen Umgang mit dem Dalai Lama hat dazu geführt, dass sie sich Gedanken machen müssen, wie sie ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen wollen.

Wie aber steht es mit jenen aufrechten Staats- und Regierungschefs dieser Welt, denen das mächtige aufstrebende Reich der Mitte aus vielen, allerdings anderen als Menschenrechtsgründen suspekt ist? Die vielleicht doch insgeheim hoffen, dass sich dieser wunderbare Absatzmarkt mit den wunderbaren Spielen der wunderbaren Marktwirtschaft weiter öffnet. Wollen sie, wie angekündigt, den Spielen fern bleiben, um ein Zeichen zu setzen? Oder befürchten Sie, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung dort wahrnehmen zu müssen, wo es bedroht ist, nämlich in China selber? Sie sollten diese Last nicht den Sportlern aufbürden. Denn die sollten hauptsächlich die ohnehin etwas lädierte "Olympische Idee" hochhalten, auch und gerade in China.