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Schönfelder: "Olympia als Riesenchance"

10. Februar 2011

Der erfolgreichste deutsche Wintersportler bei Paralympischen Spielen hat gerade seine Karriere beendet. Jetzt will sich Gerd Schönfelder Zeit für die Familie nehmen – und sich für die Olympiabewerbung 2018 einsetzen.

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Gerd Schönfelder, erfolgreichster deutscher Winter-Paralympionike (auf der ISPO 2011 in München). Foto: DW/Stefan Nestler
Gerd SchönfelderBild: DW

Der "Stier von Kulmain" ist auf seine Weide zurückgekehrt. Als Gerd Schönfelder das Wortspiel um seinen Spitznamen hört, muss er lachen. Nach 20 Jahren hat der 1,85 Meter große Athlet aus der Oberpfalz, der erfolgreichste deutsche Starter aller Zeiten bei Winter-Paralympics, seine Renn-Ski an den Nagel gehängt. Schönfelder beendete seine beispiellose Karriere standesgemäß. Bei der WM in Sestriere in Italien gewann der 40-Jährige Ende Januar zum Abschluss noch zweimal Gold, dreimal Silber und 1 x Bronze. Insgesamt sammelte Schönfelder in seiner Laufbahn 16 Goldmedaillen bei Winter-Paralympics und 14 Weltmeistertitel, dazu ein Dutzend zweite und dritte Plätze. 2010 erhielt er als erster Deutscher den "Samaranch-Preis" des Internationalen Olympischen Komitees, die höchste Auszeichnung für Behindertensportler.

Gerd Schönfelder bei seinem Goldlauf im Riesenslalom der Paralympics in Vancouver. Foto: AP
Gerd Schönfelder bei seinem Goldlauf im Riesenslalom der Paralympics in VancouverBild: AP

Endlich Zeit für die Kinder

"Jetzt musste es aber auch reichen", meint Schönfelder. Er war es leid, ständig Kompromisse zwischen Leistungssport und Familie zu schließen. Als er vor einem Jahr bei den Paralympics in Vancouver Gold in der Super-Kombination gewann, brachte seine Frau Christina in der Heimat Sohn Leopold zur Welt, ihr zweites gemeinsames Kind. Tochter Emilia ist drei Jahre alt. "Man muss viel für den Sport investieren, vor allem Zeit", sagt Schönfelder. "Das will ich den Kindern jetzt nicht mehr antun."

Leichtsinn mit schweren Folgen

19 Jahre alt war Gerd Schönfelder, als er 1989 beim Sprung auf einen abfahrenden Zug zwischen Waggon und Gleis geriet. Schönfelder verlor seinen rechten Arm, seine linke Hand wurde zerquetscht. "Das war ein Tiefschlag" erinnert er sich heute. "Man fragt sich, was man da bloß für einen Blödsinn gemacht hat." Lediglich ein Finger der linken Hand war ihm geblieben. Später wurde ihm ein Zeh transplantiert, damit er wieder greifen konnte. Schönfelder musste fast wieder bei null anfangen, die einfachsten Dinge neu erlernen: essen, sich anziehen, auf die Toilette gehen. Plötzlich war er nicht mehr mobil. "Das Motorrad steht daheim und dir fehlt der ganze Arm, um Gas zu geben. Das hat mich schon richtig fertiggemacht."

Ein bisschen anders Golf spielen

Gerd Schönfelder fährt 2006 bei den Paralympics von Turin zu Gold im Riesenslalom. Foto: dpa
Der 'Stier von Culmain' (hier bei einer Goldfahrt 2006)Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Die beste Therapie für Schönfelder war der Sport. Schon als Kind war er ein guter Skifahrer und Fußballer gewesen. "Das Talent war vorhanden." Durch Zufall erfuhr er zwei Jahre nach dem Unfall, dass es eine Ski-Nationalmannschaft der Behinderten gab. Schönfelder begann zu trainieren und feierte schnell Erfolge. "Das hat mir das Selbstwertgefühl wiedergegeben. Ich fühlte mich von der Gesellschaft akzeptiert. Durch den Sport habe ich Supertypen kennen gelernt, bin in der Welt herumgekommen und habe viele tolle Erlebnisse gehabt." Mittlerweile mache er sogar Dinge, die er vor dem Unfall nicht gekannt habe, zum Beispiel Golf spielen. "Ich mache halt alles ein bisschen anders. Aber möglich ist sehr viel."

Lockerer mit Behinderten umgehen

Kanadische Sportler werden bei der Paralympics-Eröffnungsfeier bejubelt. Foto: AP
Unverkrampft wie die KanadierBild: AP

Auch nach dem Karriere-Ende wird Schönfelder dem Sport treu bleiben. Er engagiert sich für die Bewerbung Münchens um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2018. "Ich sehe das als Riesenchance nicht für die Stadt und Bayern, sondern für das ganze Land", sagt Schönfelder. Paralympics in München könnten dazu führen, dass man in Deutschland offener und zwangloser mit Behinderten umgehe. Im Vergleich etwa zu Kanadiern oder US-Amerikanern seien die Deutschen in diesem Punkt viel verkrampfter, nach dem Motto: "Ich könnte ja etwas falsch machen, ich traue mich nicht."

"Davor ist keiner gefeit"

Prominente werben für München als Olympia-Ausrichter 2018, unter anderem Katarina Witt. Foto: dapd
Stolz auf Olympia?Bild: dapd

Für die Olympia-Gegner, die vor allem aus Garmisch-Partenkirchen kommen, hat Schönfelder wenig Verständnis. "Ich finde es einfach schade. Die Leute in Kanada waren einfach stolz darauf, dass Vancouver die Spiele ausrichtete. Und so soll es eigentlich auch sein." Schönfelder verweist darauf, dass im Falle eines Zuschlags für München auch Garmisch-Partenkirchen profitiere werde. So müssten die Zugänge zu den Sportstätten und das umliegende Gebiet behindertengerecht gestaltet werden. "Das wäre doch wegen des demographischen Wandels für alle ein Vorteil", findet Gerd Schönfelder. "Irgendwann kann jeder einmal auf den Rollstuhl angewiesen sein - durch das Alter oder einen Unfall, vor dem keiner gefeit ist. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich irgendwann einmal dazugehöre. Aber von einem Tag auf den anderen kann alles ganz anders aussehen."

Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Wolfgang van Kann