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Olympia unterm Davidstern

Ronny Blaschke27. Juli 2015

In Berlin laufen die Europäischen Makkabi-Spiele. 2300 jüdische Athleten bestreiten ihre Wettbewerbe auf dem Olympia-Gelände, dem Ort, wo Hitler 1936 sein judenfeindliches Regime bejubeln ließ.

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Berlin - Makkabi Spiele 2015 Eröffnung
Bild: Reuters/F. Bensch

Das Organisationsbüro der Europäischen Makkabi-Spiele am Berliner Gleisdreieck gleicht einer Studenten-WG. Von den 15 Mitarbeitern sind drei hauptamtlich, die anderen absolvieren ein Praktikum oder gehören zum Bundesfreiwilligendienst, niemand im Büro ist älter als 35. An den Wänden hängen Spielpläne, Zeittafeln, Programmabläufe. "Wir freuen uns auf ein riesiges Sportfest", sagt der Organisationschef Oren Osterer. "Wir wollen zeigen, wie selbstverständlich jüdisches Leben in Deutschland ist. Wir wünschen uns offene Spiele. Wir sind ein lebendiger Teil der Gesellschaft." Von den 15 Mitarbeitern im Büro sind drei jüdischen Glaubens.

Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die erstmalige Austragung der Europäischen Makkabi-Spiele in Deutschland "als wichtiges historisches Symbol". Besonders beeindruckend sei, dass die Wettkämpfe auf dem Olympiagelände, das 1936 Schauplatz der Olympischen Spiele der Nationalsozialisten war, ausgetragen würden, sagte Gauck anlässlich der Eröffnungsfeier in der Waldbühne. Die Makkabi-Spiele seien damit zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. 2300 jüdische Athleten aus 36 Ländern sind bei der größten jüdischen Veranstaltung Europas mit dabei. Klaus Böger, der Präsident des Landessportbundes Berlin, hatte die Spiele aus gesellschaftspolitischer Perspektive für die Hauptstadt als wichtiger eingestuft als das Champions-League-Finale im Fußball.

Berlin als Keimzelle der jüdischen Sportbewegung

Die Wurzeln der Makkabi-Spiele: 1898 wurde in Berlin der erste deutsch-jüdische Sportverein gegründet, benannt nach Bar Kochba, einem Aufständischen aus der Zeit des Römischen Reichs. Der Klub war die Keimzelle der jüdischen Sportbewegung. Überall in Europa gründeten Juden Vereine, weil sie in bürgerlichen Verbindungen selten willkommen waren. Der Arzt Max Nordau prägte auf dem Zionisten-Kongress den Begriff des "Muskeljuden". Sport als Kräftigung für den Aufbau der Heimstätte Palästina. 1932 fand im britischen Mandatsgebiet die erste Makkabiade statt. Der Weltverband hatte seinen Sitz lange in Berlin.

Deutsche Sportler beim Einlauf bei der zweiten Makkabiade 1935
Deutsche Sportler beim Einlauf bei der zweiten Makkabiade 1935 in Tel AvivBild: The Joseph Yekutieli Maccabi Sport Archive

"Die historische Symbolik spielt eine wichtige Rolle", sagt der Historiker Moshe Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem, der sich seit Jahrzehnten auch mit den politischen Hintergründen des Sports beschäftigt. "Wo waren die Juden heldenhaft, muskulös und stark? In der Zeit der Makkabäer." Im zweiten Jahrhundert vor Christus hatte der Freiheitskämpfer Judas Makkabäus sein Volk in eine Schlacht gegen die Seleukiden geführt. Diese hatten von den Juden verlangt, ihrer Religion abzuschwören. Judas Makkabäus gewann die Schlacht. "So bleibt er als heldenhafter Feldherr in kollektiver Erinnerung." 1935 reisten 134 deutsche Juden zur zweiten Makkabiade nach Tel Aviv, gegen den Willen der Nationalsozialisten. Einige kehrten nicht zurück - und überlebten den Holocaust.

Makkabi-Funktionäre wollen deutschen Boden nicht betreten

Mitte der sechziger Jahre erwuchs Makkabi in Deutschland zu neuem Leben. Rasant gewachsen ist die Bewegung in den neunziger Jahren. Aus der ehemaligen Sowjetunion wanderten damals tausende Juden nach Deutschland ein. Makkabi half ihnen als Begegnungsstätte bei der Integration. Inzwischen sind in 37 Ortsvereinen 4000 Mitglieder aktiv. Sie pflegen die jüdische Kultur, aber die Religion steht nicht im Vordergrund. Makkabi in Deutschland ist offen: auch für Christen, Muslime und Atheisten.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen. Gideon Osterer, der Vater des Organisationsleiters, hat Makkabi Köln aufgebaut und war mehrere Jahre Präsident von Makkabi Deutschland. Der 72-Jährige sagt: "Ich war zunächst nicht dafür, dass die Spiele in Deutschland stattfinden. Viele meiner Makkabi-Kollegen aus anderen Ländern können noch nicht verstehen, dass Juden in Deutschland überhaupt leben, geschweige denn so eine fröhliche Veranstaltung durchführen." Osterer fühlte sich in seinen Sorgen bestätigt, als keines der angefragten großen Unternehmen bereit war, die Spiele als Sponsor mit einer größeren Summe zu unterstützen.

Gideon und Oren Osterer (Foto: Ronny Blaschke)
Gideon und Oren OstererBild: Ronny Blaschke

Freundschaftsspiel gegen ehemalige Fußball-Nationalspieler

Gideon Osterer ist inzwischen anderer Meinung, er hat den Tatendrang der jungen Organisatoren erlebt. Sie würden die Wettbewerbe gern für Nicht-Juden öffnen, doch das untersagt der Europäische Verband. Stattdessen wird es in Berlin andere Begegnungen geben: Die Makkabi-Fußballer spielen in einem Freundschaftsspiel gegen eine Auswahl ehemaliger deutscher Nationalspieler, die Basketballer treffen auf Alba Berlin. Zudem werden die jüngeren Teilnehmer an einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen teilnehmen. Für die Offiziellen gibt es einen Empfang im Auswärtigen Amt, für die Sportler Stadtführungen und Partys - aber vor allem: Wettbewerbe. Makkabi möchte sich öffnen durch die Normalität des Sports - ohne dabei seine Wurzeln zu verdrängen.