Oldschool-Shopping
3. Februar 2010Ein Nachmittag in einem kleinen Laden in Barmen, einem Dorf mit circa 1400 Einwohnern bei Jülich. Es ist kein gewöhnliches Fachgeschäft, in dem man nur bestimmte Produkte bekommt. Hier wird dem Kunden fast alles angeboten: Am Eingang liegen Schreibwaren und Zeitschriften aus, nebenan steht das Obst- und Brotregal. Schräg gegenüber die Fleisch- und Käsetheke. Auf der anderen Seite brummt ein Kühlregal, in dem Milchprodukte aufgestapelt sind.
Ursprünglich war dieses Gebäude eine Bank-Filiale. Wo im hinteren Raum einst Beratungsgespräche stattfanden oder Sparverträge abgeschlossen wurden, kann der geneigte Kunde heute entweder Reisen buchen, Kleidungen für die Reinigung abgeben oder KFZ-Zulassungen beantragen. Für diese Dienstleistungen müssten die Dorfbewohner normalerweise knapp 20 Kilometer in die nächste Kleinstadt fahren.
Früher gab es in Barmen zwei Metzger und mehrere Lebensmittelläden, sowie einige Gaststätten. Doch mit der Zeit sind sie nach und nach weggezogen, denn wirtschaftlich hatte sich der Standort auf dem Lande nicht gelohnt. Angela Hachenburg, die im Dorfladen arbeitet, ist in Barmen groß geworden. Sie kennt die Zeiten, als es auf dem Dorf viele Geschäfte gab. Doch gemeinsam mit rund 1400 anderen Dorfbewohnern musste sie vor einigen Jahren erleben, wie die Läden schließen mussten.
Ein deutschlandweites Phänomen. Der Trend zu immer mehr Discountern mit immer größeren Verkaufsflächen hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Massensterben der kleinen Läden geführt. Im Jahr 1970 gab es in Deutschland noch 125.000 kleine Lebensmittelhändler. Zehn Jahre später waren es nicht mal mehr 70.000. Und 2007 sank die Zahl der "Tante-Emma-Läden" auf unter 25.000. Nirgends ist das so deutlich zu spüren wie auf dem platten Land – dort kümmern sich die Bürger nun um eigene Einkaufsmöglichkeiten. Wie in Barmen sprießen in ganz Deutschland kleine Läden auf dem Dorf, bei Augsburg in Bayern, im nordrhein-westfälischen Sauerland, in Niedersachsen.
Wir gründen 'nen Verein
Auch Heinz Frey, der neben seiner Tätigkeit als Lehrer den Dorfladen ehrenamtlich leitet, fühlte sich damals gemeinsam mit der Gemeinde allein gelassen. "Natürlich kann ich das verstehen, deren Kostendruck. Aber es ist im Grundgesetz in bestimmten bereichen festgelegt, dass eine bestimmte Daseins-Fürsorge aufrechterhalten werden muss." Bei der Post oder der Bahn zum Beispiel. Frey sieht deshalb auch nicht die Privatwirtschaft in der Pflicht, sondern den Staat. Er müsse diese Daseinsfürsorge in irgendeiner Weise regeln. Doch das ist in Barmen nicht passiert. Aus der Not heraus haben die Dorfbewohner deshalb das DORV-Zentrum gegründet: das "Zentrum für Dienstleistung und Ortsnahe Rundum Versorgung".
Zwei Vollzeitkräfte und sechs Minijobber arbeiten im Laden. Zuschüsse gibt es für das Projekt nicht. Der Dorfladen finanziert sich rein aus bürgerschaftlichem Kapital, erklärt Heinz Frey. Und wer hier einkauft ist nicht nur Kunde, sondern auch Vereinsmitglied. "Der Vereinsbeitrag ist der, dass sie jeden Tag hier einkaufen kommen. Und denjenigen, die das mitfinanziert haben, haben wir gesagt, ihr bekommt keinen Gewinnanteil. Der Gewinnanteil ist der, dass ihr jeden Tag einkaufen könnt." Und das sei eben der soziale Profit.
Einkaufen mit Pläuschchen
Die Dorfbewohner sind begeistert. Maria Rombach kommt regelmäßig und gerne hier einkaufen. Obwohl sie oft in der Stadt ist und die Möglichkeit hätte, dort in den Supermarkt zu gehen, möchte sie bewusst das DORV-Zentrum unterstützen. "In den großen Läden ist ja alles sehr unpersönlich. Aber hier kann man auch mal ein privates Wort reden." Besonders für ältere Herrschaften ohne Auto ein gutes Angebot, sagt sie.
Die Idee findet Nachahmer
Die Kunden kommen mittlerweile nicht nur aus Barmen, auch aus den Nachbarorten kaufen manchmal Leute das Nötigste fürs Wochenende ein. Das DORV-Zentrum floriert. Und findet Nachahmer: In wenigen Wochen eröffnet eine weitere Filiale in Herzogenrath-Pannesheide bei Aachen.
Autor: Murat Koyuncu
Redaktion: Manfred Götzke