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Olaf Thon: "Wie alte Hasen"

27. Juni 2010

Das sensationelle 4:1 gegen England begeisterte auch Olaf Thon, den WM-Experten der Deutschen Welle. Er hält nun auch den Titel für möglich.

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WM-Experte Olaf Thon (Foto: Olaf Thon)
Bild: Olaf Thon

DW-WORLD.DE: Deutschland besiegte England in einem unglaublichen Spiel mit 4:1. Ein Spiel, das zur Legendenbildung taugt?

Olaf Thon: Naja, es war ein Achtelfinale und von daher muss man die Kirche noch ein bisschen im Dorf lassen. Aber es ist schon überraschend, mit welcher Leichtigkeit und Spritzigkeit diese junge deutsche Mannschaft den Sieg herausgeschossen hat. Das Tor zum 2:2, was nicht gegeben wurde, wäre doch sehr kritisch beäugt worden, wenn wir nicht so klar gewonnen hätten. Deswegen bin ich froh über den klaren Sieg der deutschen Mannschaft – das lässt hoffen auf viel, viel mehr.

Sie haben Deutschland 1990 selbst gegen England ins WM-Finale geschossen. Liegt Deutschland dieser Gegner England einfach?

Thon trifft 1990 vom Elfmeterpunkt gegen England (Foto: dpa)
Der saß: Thon trifft 1990 vom Elfmeterpunkt gegen EnglandBild: picture-alliance/dpa

Ja, es sieht so aus. Aber andererseits liegen Welten dazwischen. Als wir gegen Spieler wie Lineker, Gascoigne und Shilton im Tor spielten, war das ein gleichwertiger Gegner. Heute lag mindestens eine Klasse dazwischen und der Sieg war von Anfang an nie in Gefahr. Deswegen bin ich so überrascht und natürlich auch erfreut, dass man jetzt wieder von der Weltmeisterschaft träumen kann, obwohl man natürlich berücksichtigen muss, dass wir noch starke Gegner bekommen werden. Ob es Argentinien, Spanien, Portugal, oder dann im Finale Brasilien ist. Aber jetzt haben wir erst einmal Grund, uns mit dieser tollen Mannschaft zu freuen.

"Kloses Einsatz war phänomenal"

Von Anfang an war Deutschland heute besser. Klose machte das 1:0 und Podolski erhöhte auf 2:0. Hätten sie so früh mit einer Führung für Deutschland gerechnet?

Sie haben von Anfang an ihre Chancen genutzt. Auch der Einsatz von Klose nach der Gelb-Rot-Sperre war genau richtig. Wobei ich ja im Vorfeld gesagt habe, dass Cacau, wenn er fit gewesen wäre, auch die Berechtigung gehabt hätte zu spielen. Aber Jogi Löw bleibt seinem System treu, mit einer Spitze und den drei offensiven Spielern Müller, Özil und Podolski. Die haben ihre Aufstellung mehr als gerechtfertigt. Özil war Ideengeber und Passvorleger. Und Müller, Podolski und Klose waren die Torvollstrecker. Welchen Einsatz Klose bei dem ersten Tor gezeigt hat, das war schon phänomenal und nicht umsonst ist er unser Rekord-WM-Torschütze.

Thomas Müller jubelt nach seinem Tor zum 4:1 gegen England (Foto: AP)
Der kommende Star? Thomas Müller trifft doppelt und erhält viel Lob von Olaf ThonBild: AP

Aber dann kam die Antwort der Engländer. Erst das 2:1 und kurz darauf ein umstrittenes Tor, das uns alle wieder an Wembley denken lässt…

Ja, das stimmt. Da hat man auch gesehen, dass es ein Weltmeisterschaftsspiel war und dass auf der anderen Seite doch ein Gegner stand, der wenigstens alles versucht hat. Mit bescheidenen Mitteln muss man sagen, aber sie haben ein vernünftiges Tor gemacht. Dann haben sie sich auch diese große Chance herausgespielt, die dazu geführt hat, dass der Ball eigentlich im Tor war. Es hätte 2:2 stehen müssen. Die Engländer könnten jetzt sagen: 'Ach, wenn das gezählt hätte, dann wäre es doch anders gelaufen.' Aber wer wirklich objektiv ist, der wird sagen: 'Nein, diese Mannschaft hat es nicht verdient, zu gewinnen.' Deutschland war klar besser und von daher fällt dieses Tor als Schiedsrichterfehler hinten über – wir sind verdient ins Viertelfinale eingezogen.

"Auch wenn es gegen große Gegner geht, ist mir nicht bange"

Dann gab es aber kurz nach der Pause eine Phase, in der die deutsche Mannschaft etwas verunsichert wirkte. Was war da aus Ihrer Sicht los?

Das war ein kleiner Blackout nach diesem nicht gegebenen Tor. Daran sieht man auch, dass es noch eine unerfahrene Mannschaft ist, die großes Potential hat nach vorne zu spielen, aber doch hier und da verwundbar ist und deswegen wird es unheimlich schwer sein, gegen so abgezockte Mannschaften wie Argentinien, Spanien oder Brasilien zu bestehen. Die Qualität ist da, aber manchmal fehlt die Ruhe in den entscheidenden Momenten cool zu bleiben. Dann aber haben sie das Spiel zwischen der 60. und 70. Minute so locker heruntergespielt wie alte Hasen. Von daher ist mir nun auch nicht bange gegen bessere Mannschaften als England.

Vor alle Dingen vor dem Tor wirkten die Deutschen dann eiskalt bei den beiden Kontern zum 3:1 und 4:1. Ist jetzt alles möglich in diesem Turnier?

Wayne Rooney enttäuscht nach der Pleite gegen Deutschland (Foto: AP)
"Ausgebrannt": Wayne RooneyBild: AP

Ja, weil sie auch nicht egoistisch spielen. Das waren gut herausgespielte Tore, die eiskalt vollstreckt wurden. Das lässt hoffen auch für die nächsten Spiele. Jetzt heißt es erst einmal ruhig bleiben und gut trainieren. Jogi Löw hat auch gute Zeichen gesetzt mit den Auswechslungen, indem er Trochowski gebracht hat und Gott sei Dank auch mal Kießling, der mir ein bisschen schlecht wegkam in der Wahrnehmung. Er kann sicherlich hier und da noch eine Bereicherung sein. Ganz Deutschland freut sich jetzt auf das Viertelfinalspiel.

Vielleicht noch ein Wort zu den geschlagenen Engländern.

Hat diese Mannschaft ihren Zenit überschritten?

Ja, es sieht so aus, überraschenderweise vor allem bei Rooney. Sie wirkten ausgebrannt und mussten vielen Verletzungen Tribut zollen. Sie konnten einfach ihre Leistung nicht bringen. Von daher war es ein verdienter Sieg für die deutsche Mannschaft.

Die Fragen stellte Joscha Weber

Redaktion: Stefan Nestler