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Offene Türen helfen

Peter Philipp1. Oktober 2002

Am 3. Oktober feiern die deutschen Moslems den "Tag der offenen Moschee". Diese Aktion könnte helfen, mehr Verständnis zwischen den Kulturen und Religionen zu schaffen.

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Bild: AP

Wenn die Muslime in Deutschland am "Tag der deutschen Einheit" Andersgläubigen ihre Moscheen öffnen, um für mehr Verständnis und Verständigung zwischen den Religionen zu werben, dann ist das sehr begrüßenswert. Denn an beidem mangelt es bisher im Umgang mit der längst drittgrößten Religionsgemeinschaft in Deutschland. Besonders schmerzlich ist das bemerkt worden seit dem 11. September des letzten Jahres. Daran haben alle auch noch so wohl gemeinte Podiumsdiskussionen, Zeitungskommentare, Politikerappelle und sonstigen Aktionen nichts ändern können.

Und nun erhebt der Vorsitzende des "Zentralrats der Muslime in Deutschland", Nadeem Elyas, den Vorwurf, eigentlich sei alles im letzten Jahr nur schlimmer geworden. Denn Muslime seien zunehmend Verdächtigungen und Belästigungen ausgesetzt, ihre Moscheen nicht respektiert und Ziel staatlicher Razzien geworden.

Berechtigte Klage

Es nützt nichts, wenn man den Zentralrat als einen Verband abtut, der nur eine verschwindend kleine Minderheit der rund drei Millionen in Deutschland lebenden Muslime vertritt. Im Kern ist die Klage des Verbandes sicher berechtigt. Aber bei den aufgeführten Beispielen handelt es sich entweder um polizeiliche Überreaktionen oder um übertriebene Forderungen nach Rücksichtnahme:

Natürlich können die Behörden das Fehlen eines Durchsuchungsbefehls nicht mit "Gefahr im Verzug" rechtfertigen, den Polizei-Einsatz aber tagelang vorbereiten. Aber – in einem anderen Fall – kann man in einem vermeintlich dringenden Fall von der Polizei wirklich erwarten, dass sie beim Eindringen in ein verdächtiges Gebetshaus die Schuhe ablegt oder sich Überschuhe anzieht?

Selbst wenn bei all diesen Polizeieinsätzen keine Terroristen gefunden wurden: Indem der Zentralrat solche Forderungen erhebt, riskiert er, der Sache zu schaden. Denn kaum jemand wird Verständnis dafür aufbringen. Wie auch niemand Verständnis dafür haben dürfte, dass der Einsatz der Polizei gegen eine Moschee des selbsternannten „Kalifen von Köln“ an einem hohen Feiertag stattfand.

Fingerspitzengefühl

Das vorrangige Problem ist nicht das des Umgangs mit dem Islam und den Muslimen in Deutschland, sondern mit international agierendem Terrorismus. Hier mangelt es trotz aller Bemühungen noch an Erfahrung. Was natürlich nicht zur Entschuldigung für mangelndes Takt- und Fingerspitzengefühl werden darf. Ein weiteres Problem ist, dass man jahrzehntelang keinerlei Kontrolle ausgeübt hatte und unter solch liberalem Schutz diverse radikale Gruppen – wie die des "Kalifen" - ihr Unwesen zu treiben begonnen hatten. Zum Teil in angeblichen Moscheen, Gebetshäusern und Kulturvereinen. Erst durch den Wegfall des Religionsprivilegs werden solche Gruppen nicht automatisch als geschützte Religionsgemeinschaften behandelt und stehen solche Orte nicht mehr automatisch außerhalb des Einsatzbereiches der Polizei.

Solches mag man bedauern, denn in Mitleidenschaft gezogen werden sicher viele rechtschaffene und unbescholtene Muslime in Deutschland. Nur: Sie werden Verständnis dafür aufbringen, dass der Rechtsstaat sich – und damit auch sie – schützen will und schützen muss gegen Terrorismus und politisch wie religiös gefärbten Extremismus. Polizeiliches Vorgehen darf nicht unangemessen und hysterisch sein – wie sicher gelegentlich geschehen – und Muslime in Deutschland dürfen nicht kollektiv für die Taten einiger Extremisten verantwortlich gemacht werden.

Solche Grundsätze sind allen längst bekannt, sie müssen nur immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Der "Tag der Offenen Moschee" ist ein guter Anlass dazu.