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Offen für Einflüsse

Oliver Kranz / (pt)4. November 2002

Kroatien ist ein Land im Aufbruch. Auch die Künstler sind auf der Suche nach einer neuen Identität. Ihre Ergebnisse präsentieren sie jetzt in Deutschland.

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Neue Perspektiven suchen: auf den kroatischen Kulturwochen

Einmal im Jahr finden die Kulturwochen in Deutschland statt, bei denen die Kultur eines ausgewählten Landes vorgestellt wird. In diesem Jahr ist es Kroatien. Bis zum 30. November 2002 läuft in Berlin und anderen Städten bundesweit ein Programm mit Konzerten, Ausstellungen, Theater, Tanz, Lesungen und Filmen.

Kunst im ehemaligen Jugoslawien

Dass im ehemaligen Jugoslawien ein offeneres Klima herrschte, als in anderen Ostblock-Staaten, ist bekannt. In der Kunst konnten sich Stilmittel von sozialistischem Realismus und westlicher Abstraktion vortrefflich miteinander mischen, ein kritisches Weltbild war erlaubt. In den 1990er Jahren haben sich die Schwerpunkte allerdings verschoben. Erst kam die Unabhängigkeit, dann der Krieg und dann eine Nachkriegszeit, in der viele nach der eigenen Identität suchen.

In Kroatien treffen sich Ost und West, Mitteleuropa und das Mittelmeer, so Seadeta Midzic von der Kroatischen Botschaft. Dei Landschaft erinnert ein wenig an Österreich. Die Zerstörungen des Krieges sind weitestgehend beseitigt, sodass der Idylle nichts mehr im Wege steht.

Suche nach der Identität

Die Nachkriegszeit sei vorbei, meint Wilhelm Großmann von der Berliner Kulturveranstaltungs-GmbH. Er hat Kroatien bereist, um die Kulturwochen vorzubereiten und dabei die Befindlichkeiten der Künstler erfahren: "Ich habe den Eindruck, dass wir jetzt schon eine Periode weiter sind in Kroatien. Natürlich machen sich junge Künstler Gedanken über ihre Identität und inwieweit sie sich vom Westen vereinnahmen lassen sollen in ihrer Bewegung und ihren Gedanken. Es ist eine Suche nach Identität, nach Eigenständigkeit, nach einer neuen Form, die sich nicht einfach an den Westen anhängt."

Leben in einer "Pseudodemokratie"

Neben der klassischen Musik wird auch modernes Theater präsentiert. "Der Großmeister aller Schurken" nach Miroslav Krleža ist zugleich die deutsche Uraufführung des ZeKaeM-Theaters mit dem auch in Deutschland bekannten Theaterregisseur Branko Brezovic.

Die spezifische geopolitische Lage Kroatiens zwischen Ost und West und das Leben in einer "Pseudodemokratie" sind ausschlaggebend für die besonderen Züge der konzeptuellen Kunst in Kroatien. Das Verhältnis von Kunst, Gesellschaft und Politik thematisieren die Documenta 11-Künstler wie Andreja Kuluncic und Sanja Ivekovic in der Ausstellung "The Misfits" im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien in Berlin.

Leichtigkeit im Kino

Eine Erzählhaltung, die Ernsthaftigkeit und Leichtigkeit mischt, ist dem kroatischen Kino zueigen. Das Land verfügt über ein großes Studio und produziert etwa zehn Filme pro Jahr. Der Regisseur Tomislav Jagec hat festgestellt, dass die Zusammenarbeit mit privaten Produzenten, kroatischem Fernsehen und kroatischem Kulturministerium sehr gut funktioniert: "Es sieht so gut aus, dass Kroatien im nächsten Jahr mit zwölf langen Spielfilme rechnen kann," meint Jagec nicht ganz ohne Stolz.

Die Zeit, in der Filme über den Krieg gedreht wurden, ist längst vorbei. Im Kino dominieren Komödien und so genannte Art-Filme, die sich auf leichte Weise mit den Problemen ihrer Helden bei der Selbstfindung auseinandersetzen. Diese Filme werden auch bei den kroatischen Kulturwochen gezeigt.

Anschluss suchen im Ausland

Die künstlerische Vielfalt ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Kroatien nur viereinhalb Millionen Einwohner hat. Für viele Künstler ist das Land allerdings zu klein. Sie gehen ins Ausland und suchen Anschluss an die dortigen kulturellen Bewegungen. Internationale Netzwerke entstehen und wirken auf die kroatische Kunstszene zurück. Von einer eng umrissenen Nationalkultur kann also nicht gesprochen werden - Kroatien ist offen für viele Einflüsse - heute, wie in den Jahrhunderten zuvor.