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Europa dienen

14. Januar 2010

Abgeordnete des Europaparlaments nehmen den designierten Energiekommissar in die Zange - und finden ihn überraschend überzeugend.

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Günther Oettinger vor dem Anhörungsausschuss des EU-Parlaments (Foto: AP)
Kompetent und gut vorbereitet: Günther OettingerBild: AP

In einem Werbefilm der EU-Kommission spielt Günther Oettinger Klavier und lächelt dabei ein wenig verkrampft in die Kamera. Der Versuch, das Bild eines allzu kühlen Politikers zu korrigieren, will mit dem Film nicht so recht gelingen. Doch vielleicht war er sogar überflüssig. Denn vor dem Industrie- und dem Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ist Oettinger am Donnerstag (14.01.2010) kompetent, gut vorbereitet, sachlich und ruhig. Er betont, er sei "nicht der deutsche Kommissar, sondern der Kommissar, der von Deutschland vorgeschlagen worden ist mit europäischer Verpflichtung."

Kernkraft nur mit Brückenfunktion

Oettinger an einem Kickertisch (Foto: Euopäische Union)
Der Werbefilm der Kommission ist auch der Versuch, Oettinger ein weicheres Image zu gebenBild: Union européenne, 2010

Oettinger weiß: Die kritischen Fragen drehen sich um seine bisherigen Positionen als deutscher Politiker. Dort gilt er zum Beispiel als Freund der Kernkraft. Bei der Anhörung weist er der Atomenergie in Deutschland nur noch eine Brückenfunktion zu, bis sie ersetzt werden kann. Andere EU-Länder dürften es mit der Atomenergie halten, wie sie wollen. "Ich achte die Entscheidung Österreichs, in die Kernkraft nicht einzusteigen. Und ich achte die Entscheidung Frankreichs, weitere Kernkraftwerke zu bauen. Ich selbst sehe mich als Moderator und nicht als Botschafter für Kernkraft. Da habe ich jetzt in der europäischen Ebene eine andere, eine dienende Funktion." Als Kommissar will Oettinger vor allem die noch brachliegenden Potentiale beim Energiesparen und bei den erneuerbaren Energien nutzen.

Lobbyismus durch Skat?

Atomkraftwerk (Foto: dpa)
Jeder, wie er es für richtig hältBild: picture-alliance/dpa

Kritiker weisen immer wieder auf den geringen Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt mit wenigen großen Strom- und Gasanbietern hin und fragen, wie ein Energiekommissar aus Deutschland da Vorbild sein kann. Der luxemburgische Grünenpolitiker Claude Turmes vermutet bei Oettinger aber auch persönliche Interessenskonflikte: Es sei ein offenes Geheimnis, dass er persönliche Kontakte zu den Chefs von Stromkonzernen habe, etwa zu Wulf Bernotat von E.ON oder Jürgen Großmann von RWE. "Sie können von mir aus Skat spielen, mit wem Sie wollen. Doch wenn es um EU-Politik geht, brauchen wir eine Garantie, dass nicht dort die Politik gemacht wird."

Das Skat-Stichwort bringt dann einen der wenigen Augenblicke der fast dreistündigen Befragung, in denen sich Oettinger aus der Reserve locken lässt. "Herr Turmes, trauen Sie mir die notwendige Unabhängigkeit und Objektivität bitte zu", so Oettinger, um dann unter großem Gelächter über die Skatfähigkeiten eines Konzernchefs zu berichten, der bei einem öffentlichen Benefizturnier gespielt habe. Die meisten Ausschussmitglieder scheinen spätestens jetzt überzeugt zu sein, keinen Lobbyisten der Energiekonzerne vor sich zu haben. Und Oettinger betont, sich für mehr Markttransparenz und für bezahlbare Energie gerade für Verbraucher einsetzen zu wollen.

Anarchie auf einem guten Weg

Günther Oettinger vor dem Ausschuss des EU-Parlaments (Foto: AP)
Die Anhörungen der künftigen Kommissare dauern noch bis zum 19. JanuarBild: AP

Auffällig ist die große Zahl von Ausschussmitgliedern, die aus den ehemals kommunistischen Ländern Europas kommen. Sie fordern besorgt mehr europäische Solidarität, um die Energieabhängigkeit von Russland zu verringern. Oettinger will die innereuropäischen Netze stark ausbauen, um das zu erreichen. Ihm ist aber auch wichtig, Russland nicht zum Buh-Mann zu machen. Das Land werde ein wichtiger Lieferant bleiben, sagt Oettinger. Nach dem Energiestreit zwischen Russland und der Ukraine vor einem Jahr hätten schließlich "alle gelernt".

Dass der Kandidat entgegen manchen Unkenrufen doch ein wenig Englisch spricht, stellt er anschließend in einer Erklärung vor der Presse unter Beweis und macht dabei gleich einen lustigen Aussprachefehler. Das Wort "energy" spricht er wie "anarchy" aus. Das ergibt dann den mit gewohnt ernster Miene vorgetragenen Satz: "Wir haben alle Chancen, die Anarchie auf einen guten Weg zu bringen." Günther Oettinger mag so seinen Ruf weg haben, als Anarcho sieht ihn aber wohl niemand.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn

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