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Oberstleutnant Bohn packt seine Sachen

Daniel Scheschkewitz 27. Juni 2007

Der Offizier Günter Bohn bereitet sich auf seinen zweiten Afghanistan-Einsatz vor. Zu seinen Vorkehrungen gehört nicht nur das Ölen des Gewehrs sondern auch ein Testament.

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Bild: DW

Die luftige Uniform in Wüstenfarben ersetzt den grünen Tarnfleck-Drillich, den Bundeswehrsoldaten in Deutschland tragen. Die leichten Trekking-Schuhe ersetzen die klobigen schwarzen Kampfstiefel. Eine Uniform zum Wohlfühlen für einen Einsatz, dem jeder Kuschelcharakter fehlt. Oberstleutnant Günter Bohn ist am Morgen aus Koblenz-Lützel ins nahe gelegenen Mainz gereist, um seine Spezial-Uniform und weitere Ausrüstungsgegenstände für Afghanistan in Empfang zu nehmen. Im Juli wird Bohn für die Bundeswehr vier Monate lang nach Afghanistan gehen. Es ist bereits sein zweiter Auslandseinsatz innerhalb von nur eineinhalb Jahren. Bohn ist Berufssoldat und zieht wie alle anderen 3000 Bundswehrsoldaten in Afghanistan freiwillig in den Einsatz.

Die Anzahl der Selbstmord-Anschläge hat seit Bohns letztem Aufenthalt in Afghanistan im Winter 2005/2006 deutlich zugenommen. Auch in Kabul wird wieder scharf geschossen - von Milizen, Kriminellen, Polizisten oder von Anhängern der Taliban. Der Presseoffizier Bohn wird die Journalisten im "Camp Warehouse" betreuen, dem ISAF-Lager östlich der afghanischen Hauptstadt.

Helm und Weste

Für Bohn gelten die gleichen Sicherheitsvorschriften wie für alle anderen deutschen Soldaten im Afghanistan-Einsatz. Dazu gehören die Splitterschutzweste und der Helm, und der Aufwand: "Es gehört dazu, dass wir mit mindestens zwei Autos fahren. Jedes Auto ist jeweils mit zwei Leuten besetzt und mit mindestens einem Sturm- oder Maschinengewehr ausgerüstet", sagt Bohn. "Das ist natürlich immer ein großer Aufwand, um ein paar Kilometer durch Kabul zu fahren."

Doch die Sicherheit hat auch für den Oberstleutnant Vorrang. Dennoch spricht er trotz erhöhter Gefahrenlage nach wie vor von einem Friedenseinsatz: "Ich sehe unseren Auftrag im Wiederaufbau des Landes - also zunächst natürlich zivil und durch das Militär unterstützt. Als Kriegseinsatz würde ich das nicht bezeichnen - dazu müsste ich auch selbst mit einer ganz anderen Einstellung an den Einsatz rangehen."

Wie den Kindern sagen?

In seinem Büro im repräsentativen Osteiner Hof in Mainz, wo die Stabsführung des Wehrbereichkommandos II untergebracht ist, zeigt Günter Bohn stolz die Medaillen aus seinem ersten Einsatz in Afghanistan. In dem mit feinem Parkett ausgelegten und mit Stuck verzierten Dienstgebäude erscheint nichts weiter entfernt als das krisengeschüttelte Land am Hindukusch. Und doch ist der bevorstehende Einsatz für den Oberstleutnant auch mental schon ganz nah: Man muss sich um Papiere kümmern, man muss sich impfen und ärztlich untersuchen lassen. Der eine oder andere Lehrgang, um sich vorzubereiten wird noch besucht. Und dann verfolgt man natürlich die Berichterstattung in den Medien über Afghanistan. Das ist die dienstliche Seite. Privat ist es ganz wichtig, sich selbst und die Familie vorzubereiten - auf die Abwesenheit des Vaters. "Unsere Kinder hatten das beim ersten Einsatz eigentlich gut verkraftet, wir hatten sie gut darauf vorbereitet", erzählt Bohn. "Außerdem gibt es die Familienbetreuungsorganisation der Bundeswehr, die sich um Familien von Soldaten im Auslandseinsatz kümmert. Was man aber auf keinen Fall verschweigen darf, ist die Möglichkeit, dass der Vater nicht oder nur schwer verletzt zurückkommt." Bohn trifft auch dafür Vorbereitungen - vom Ausstellen einer Bank-Vollmacht bis zum Schreiben eines Testaments.

Hoffen und beten

Oberstleutnant Bohn packt seine Sachen Bohn mit Frau, Afghanistan
Oberstleutnant Bohn mit seiner FrauBild: DW

Im Falle der Bohns ziehen Soldat und Ehefrau an einem Strang, auch wenn angesichts des bevorstehenden zweiten Afghanistaneinsatzes ihres Mannes deutliches Unbehagen aus den Worten Christiane Bohns spricht. "Zu viele Gedanken darf man sich nicht machen, da kommt man dann nur ins Grübeln. Ich hoffe nur und bete, dass er gesund wieder zurückkommt. "Sie hofft, dass es danach keinen dritten Einsatz dort geben wird. "Und wenn doch, dann ist das eben so. Das ist halt sein Beruf."

Berufssoldat ist Günter Bohn mit Haut und Haaren – das spürt man bei jedem Wort. Für Zentralasien hat er - wie er sagt - ein Faible; die Armut der Menschen hat ihn bei seinem ersten Besuch tief erschüttert. Als gläubiger Christ ist der praktizierende Katholik auch vom Sinn seines Einsatzes für das Land überzeugt. Die innere Anspannung vor dem Abflug kann und will er dennoch nicht verhehlen. "Die lässt erst nach, wenn ich wieder auf dem Militärflughafen in Köln lande und deutschen Boden betrete", sagt Bohn "So richtig abgeschlossen habe ich den ersten Einsatz aber erst, als ich wieder im Kreise meiner Familie war."