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Demokratie 2.0

16. März 2009

Manch einer nennt Barack Obama schon den Web 2.0-Präsidenten. Die US-Regierung mobilisiert ihre Anhänger an der Basis über das Internet. Und die kämpfen engagiert wie nie gegen Opposition und Lobbyisten.

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"You" - die neue US-Regierung setzt auf Web 2.0 JargonBild: http://my.barackobama.com/

In einem lichtdurchfluteten Wohnzimmer in Winnetka, einem Dorf nördlich von Los Angeles sitzen auf einem Sofa, auf Sesseln, Klappstühlen und Barhockern rund zwei Dutzend Männer und Frauen im Alter zwischen 35 und 75 Jahren. Konzentriert diskutieren sie über die Gesundheitspolitik der USA und die Vorschläge für ihre Reform von der Obama-Regierung. Linda Fidell leitet die Diskussion. Die 67-jährige ehemalige Statistik-Professorin hat zu dem Treffen eingeladen und Informationen zum Thema schriftlich zusammengefasst. Das Ziel ist, Abgeordnete und Senatoren weiter unter Druck zu setzen, damit sie nicht einfach klein beigeben gegenüber der Pharmaindustrie und den Krankenversicherungen, erklärt Linda. Sie und ihre Mitstreiter seien wild entschlossen, dass diesmal Stimmen von der anderen Seite laut zu hören sind.

Nationale Politik und lokales Ehrenamt

Am Ende der Diskussion über die Gesundheitspolitik speichern alle im Wohnzimmer die Telefonnummern des Weißen Hauses, die der kalifornischen Senatorinnen und der lokalen Kongressabgeordneten in ihre Handys, schreiben sich die E-Mail-Adresse der US-Regierung auf und versprechen, ihre Forderung nach besserer Krankenversorgung lautstark zu vertreten. Der nächste Tagesordnungspunkt: ehrenamtliches Engagement auf lokaler Ebene. Obdachlosenhilfe, Hilfe für Senioren, Müllsammeln am Flussufer – mehrere Projekte werden vorgestellt. Dieses Treffen und tausende seiner Art sind genau das, was Präsident Obama im Sinn hatte, als er kurz nach der Wahl die Internet-Plattform "Organizing for America" ins Leben rief.

Präsident Obama setzt auf Hilfe von unten via Internet

In einer Videobotschaft wandte sich der Präsident an alle, die sich im Wahlkampf engagierten und forderte sie auf, ihm zu helfen, die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern. Die Veränderungen, für die alle so hart gearbeitet hatten, könne er nur mit Hilfe der Basis erreichen. Linda Fidell hat im Wahlkampf Wähler für Obama mobilisiert, ging in Swing-Staaten von Tür zu Tür, telefonierte und schrieb E-Mails.

Mobilisierung der Obama Basis Neue Medien USA
Basisarbeit für Barack Obama. Bürger kämpfen gegen Pharmaindustrie und für ObdachlosenhilfeBild: DW / Zilm

Gute Freunde aus dem Wahlkampf gehören zu ihrer Wohnzimmergruppe. Andere haben über das Internet zu ihr gefunden. Wie Immobilienmaklerin Maggie Knowles. Sie stellt auf dem Treffen ein Schrebergartenprojekt vor und hofft, dass die Gemeinde zusammenkommt, um biologisch Gemüse und Obst anzubauen und damit den Wirtschaftserfolg von unten schaffen, den Präsident Obama ankündigt. Armineh Chelebrian, eine republikanische Bezirksabgeordnete in Winnetka findet über die "Organizing for America" Webseite freiwillige Helfer für städtische Projekte. Für sie geht es nicht um Politik, sondern um die Gemeinde. "Wenn jeder seinen Vorgarten in Ordnung hält, lebt es sich plötzlich im ganzen Land besser", sagt sie.

Wachsam sein und vertrauen

Wer sich auf der Webseite registriert, bekommt Informationen zugeschickt über Treffen in nächster Nähe und kann für ein bestimmtes Projekt Gleichgesinnte suchen. Das Obama-Team stellt Argumentationshilfen zur Verfügung, Experten für Telefonkonferenzen und macht darauf aufmerksam, welche Politik der Präsident gerade im Kongress durchsetzen möchte. Linda Fidell versteht sich auch als Wachposten, der dafür sorgt, dass Obama hält, was er versprach. Auch wenn sie ihm bedingungslos vertraut, dass er im Wesentlichen das tun will, was sie für richtig halt. “Er kann es aber nur gegen die Opposition durchsetzen, wenn er zeigen kann: Schaut, letzte Woche habe ich anderthalb Millionen Anrufe bekommen, die das fordern.” Beim nächsten Treffen in Linda Fidells Haus wird Außenpolitik diskutiert. Ein Teilnehmer verspricht, Informationen über den Einsatz von Drohnen im Luftraum von Pakistan mitzubringen.

Autorin: Kerstin Zilm, Los Angeles
Redaktion: Steffen Leidel