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Obamas NSA-Rede: Mehr als "weiße Salbe"?

Gero Schließ, Washington18. Januar 2014

Nach Wochen heftiger Debatten um die NSA hat Barack Obama in einer Rede mehr Kontrolle und Transparenz angekündigt. Doch Details lässt er offen, vom US-Geheimdienst überwachten Ausländern macht er kaum Hoffnung.

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Barack Obama (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Barack Obama prangerte die überzogene Überwachung des Staates als "Amoklauf" an und forderte: "Keine illegale Telefonüberwachung von amerikanischen Bürgern." Das war im Jahre 2007, als Obama ein Hinterbänkler im Senat war.

Genau diese Eindeutigkeit ist er jetzt als US-Präsident bei seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede zur Reform der NSA schuldig geblieben, wie Annegret Bendiek, Fellow bei der Transatlantic Academy in Washington, kritisiert.

US-Amerikaner im Blick

Die Rede suchte zwischen Sicherheitserfordernissen und Freiheitsrechten einen Mittelweg, so Bendiek. In ihrer Wirkung war sie allerdings fast ausschließlich auf das heimische Publikum abgestellt, dessen Empörung sich - verglichen mit Europa oder Brasilien - in Grenzen hält. Möglicherweise würden die meisten Menschen in den USA die Rede positiv bewerten.

Von einem "guten Start" spricht auch Cynthia Wong von Human Rights Watch (HRW) in Washington. "Der Präsident erkannte an, dass die Privatsphäre von Millionen von Menschen außerhalb der USA, die von der NSA verletzt wurde, respektiert werden muss. Aber wir wissen nicht, wie er das Problem angehen will."

"Weiße Salbe auf große Bedenken"

Annegret Bendiek
Annegret Bendiek: "Große Bedenken aus Europa"Bild: privat

Genau deswegen macht sich bei Bendiek Ernüchterung breit: "Es war weiße Salbe auf große Bedenken, die aus Europa und insbesondere aus Deutschland kamen", auch wenn Obama gleich zu Beginn seiner fast einstündigen Rede die traumatischen Erfahrungen der Ostdeutschen mit einem allumfassenden Überwachungsstaat ansprach. Obama sei durchgehend vage geblieben, habe schon wie bisher viel angekündigt und versprochen, allerdings kaum greifbare Zusagen gemacht. Nur den Regierungschefs befreundeter Staaten versprach Obama Schutz ihrer Privatsphäre. Nimmt man ihn beim Wort, ist Angela Merkel also die einzige Deutsche, die sich vor der NSA sicher fühlen kann.

Dennoch: Auch die Bundesregierung traut dem Präsidenten - bei allem Wohlwollen - offensichtlich nicht über den Weg. Sie will Obamas Ankündigungen genau analysieren, so Regierungssprecher Steffen Seibert.

Der "Angela-Merkel-Moment"

Tim Maurer von der New America Foundation hat dagegen Verständnis für den Präsidenten. Er stecke in einer schwierigen Situation. "Einerseits ist er für den Schutz seines Landes und der Bürger verantwortlich. Und dazu gehören auch die Geheimdienste, die eine wichtige Rolle spielen und die Möglichkeiten haben müssen, ihre Mission zu erfüllen." Andererseits sei der Druck von Menschenrechts- und Bürgerrechtsgruppen wie auch von Internet-Unternehmen stark gewachsen in den vergangenen Monaten. Auch der "Angela-Merkel-Moment" trug dazu bei. Glaubt man dem Nachrichtensender CNN, brachte er sogar den Umschwung in der öffentlichen Meinung.

Obama könnte jetzt schon handeln

Angela Merkel mit Handy (Foto: picture alliance)
Bundeskanzlerin Angela Merkel: Vor Lauschangriffen sicher?Bild: picture-alliance/Sven Simon

Viele Änderungen benötigten Zeit, sagt Cynthia Wong von Human Rights Watch, doch bereits jetzt könnte der Präsident sofort ohne den Kongress anordnen, "dass die NSA die Sammlung von Telefon-Metadaten innerhalb der USA und ungeheuer vieler Daten im Ausland beendet. Wir sind ziemlich enttäuscht, dass er das nicht getan hat."

An der Überwachung von ausländischen Bürgern ändert sich auch nach Einschätzung von Annegret Bendiek wenig, selbst wenn Obama an Justizminister Eric Holder und die Geheimdienste Prüfungsaufträge vergeben hat.

Kein No-Spy-Abkommen mit Deutschland

"Wenn er präzise gewesen wäre, hätte er im Sinne einer Vertrauensbildung mit ausländischen Führern Verhandlungen über eine No-Spy-Vereinbarung im Rahmen der Nato anbieten können", sagt Bendiek. Dergleichen war von Obama aber nicht zu hören. Cynthia Wong aus Washington fügt hinzu, dass sie als europäische Internet-Userin wohl nicht zufrieden mit Obamas Rede gewesen wäre.

Das sind sicherlich auch nicht die amerikanischen Internet-Giganten von Google bis Facebook. Noch ist der Vorschlag aus einer Expertenkommission nicht vom Tisch, dass anstelle der NSA unabhängige Dritte - also möglicherweise die Internetunternehmen - die Datenmassen speichern sollten.

Mehr rechtsstaatliche Kontrolle?

Obama will zwar an der heftig umstrittenen Sammlung von Millionen von Telefon-Metadaten durch die NSA festhalten, stellt aber rechtsstaatliche Kontrolle in Aussicht. So soll die Rolle der Judikative gestärkt werden. Die Daten dürfen künftig nur nach juristischer Prüfung durch den Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) erfasst werden. Außerdem setzte sich Obama gegenüber Bedenken aus der Richterschaft durch und will nun auch Anwälte vor dem Gerichtshof zulassen, die die Interessen der Betroffenen vertreten. Einzelheiten sollen bis März in einer sogenannten Übergangsphase geklärt werden.

"Ich glaube, es wird eine bedeutende Veränderung geben bei der Art, wie Überwachung künftig durchgeführt wird", meint Cynthia Wong von HRW. Richter des FISA-Gerichts seien häufig überfordert. Anwälte der Betroffenen könnten mehr Wissen und Transparenz in den Prozess bringen. "Da kommt aber der Kongress ins Spiel. Wir werden genau auf den Kongress blicken, um sicherzustellen, dass diese Vorschläge verankert werden." Ob die zuletzt heillos zerstrittenen Volksvertreter mitspielen, ist offen.

Kapitol in Washington (Foto: AP)
Kapitol: Wie verhält sich der US-Kongress?Bild: picture-alliance/AP

Aufgebauscht, irreführend

Die New America Foundation erhärtete unterdessen die auch von HRW aufgestellte These, angebliche Erfolge der NSA-Datensammelwut seien kaum belegt. Kernergebnis einer Studie der Foundation war, "dass das Sammeln von Telefon-Metadaten keine große Auswirkung auf die Terrorismusbekämpfung hatte", so Tim Maurer. "Darüber hinaus haben wir festgestellt, dass mit Blick auf die Rolle der NSA und des Bedrohungspotentials, das genannt worden ist, die Regierung oftmals Aussagen aufgebauscht hat." Teilweise seien sie sogar irreführend gewesen.

Sicher ist: Beim US-Geheimdienst herrscht ein großes Manko an Transparenz. Auch Obamas jüngste Rede hat daran noch nicht viel geändert.