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Kampf gegen die Krise

25. November 2008

Bei der Vorstellung seines Wirtschaftsteams hat der designierte US-Präsident ein umfassendes Konjunkturprogramm angekündigt. Auch in Europa nimmt der Kampf gegen die Finanzkrise immer konkretere Formen an.

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Barack Obama mit seinem Wirtschaftsteam (Foto: AP)
Der künftige Präsident präsentiert sein WirtschaftsteamBild: AP

Die weltweite Wirtschaftskrise treibt immer mehr Regierungen zu riesigen Konjunkturpaketen und massiven Steuersenkungen. In den USA will der künftige Präsident Barack Obama mit einem der größten Konjunkturpakete der Geschichte die Wirtschaftskrise bekämpfen. Es soll laut Presseberichten bis zu 700 Milliarden Dollar (548 Milliarden Euro) für die kommenden zwei Jahre umfassen.

Obama betonte am Montagabend (24.11.2008, Ortszeit) in Chicago bei der Vorstellung seines Wirtschaftsteams, er wolle mit einem "aggressiven Plan zur Erholung der Wirtschaft" die Krise in den USA in den Griff bekommen. Notwendig sei ein Konjunkturprogramm, das 2,5 Millionen Arbeitsplätze schaffe oder bedrohte Arbeitsplätze sichere. Die US-Wirtschaft befinde sich in einer "Krise von historischem Ausmaß". Obama kündigte zudem Steuererleichterungen für die Mehrheit der Amerikaner an.

Die von Obama geplanten Konjunkturspritzen, die er in der Summe noch nicht bestätigen wollte, wären laut "Washington Post" eines der größten Wirtschaftsprogramme einer US-Regierung seit der Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt. Dieser hatte mit seinem "New Deal" die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren gemeistert.

Finanzminister Geithner

Designierter US-Finanzminister Timothy Geithner (Foto: AP)
Timothy Geithner soll Finanzminister werdenBild: AP

Der gewählte US-Präsident nominierte den Chef der New Yorker Notenbank, Timothy Geithner, als neuen Finanzminister. An die Spitze des Nationalen Wirtschaftsrats berief er Ex-Finanzminister Lawrence Summers. Der Gouverneur von New Mexico, Bill Richardson, soll Handelsminister werden.

Obama präsentierte seine Personalentscheidungen als Signal der Verlässlichkeit. Er habe versucht, "die besten Köpfe in Amerika zusammenzubringen", sagte er. Von seinem Team erwarte er "gesundes Urteilsvermögen und frisches Denken". Obamas Wirtschaftsberater Austin Golsbee sprach von dem "erfahrensten Team von Krisenmanagern, das es wohl jemals in der Wirtschaftspolitik im Weißen Haus gegeben hat". Zu weiteren Beratern ernannte Obama die Wirtschaftsprofessorin Christina Romer von der Universität Berkeley und die Washingtoner Politikberaterin Melody Barnes.

Der designierte Präsident würdigte Geithner als Experten, der "das Vertrauen und den Respekt von Wirtschaft, Finanzwelt und Zivilgesellschaft gewonnen" habe. Geithner war zwischen 1999 und 2001 unter dem damaligen Präsidenten Bill Clinton als Abteilungsleiter im Finanzministerium tätig.

Obama will an diesem Dienstag erneut eine Pressekonferenz geben. Es wird erwartet, dass er sich nochmals zu seiner künftigen Wirtschaftspolitik äußert und weitere Berater vorstellt.

Weltmacht im Abschwung

Zentrale der zusammengebrochenen Investmentbank Lehman Brothers (Foto: AP)
Symbol für den Niedergang: Pleitebank Lehman BrothersBild: AP

Die US-Wirtschaft steuert derzeit auf eine der schwersten Krisen in ihren jüngeren Geschichte zu. Die drei großen US-Autohersteller General Motors, Chrysler und Ford sind in ihrer Existenz bedroht. Obama will der Automobilindustrie auf jeden Fall helfen: "Wir können nicht erlauben, dass die Autobranche einfach verschwindet", sagte er.

Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs rechnen damit, dass die amerikanische Wirtschaft im letzten Quartal des laufenden Jahres um fünf Prozent schrumpft. Bis Ende 2009 erwarten sie eine für US-Verhältnisse außergewöhnlich hohe Arbeitslosenquote von neun Prozent. Im Oktober war die Quote mit 6,5 Prozent auf den höchsten Stand seit 14 Jahren gestiegen. 10,1 Millionen Amerikaner waren ohne Job. US-Präsident George W. Bush sagte am Montag, die USA würden die wirtschaftlich "harten Zeiten" überstehen.

London prescht in Europa vor

Großbritanniens Finanzminister Alistair Darling (Foto: AP)
Großbritanniens Finanzminister Alistair DarlingBild: AP

In Europa preschte unterdessen Großbritannien mit einem Milliarden-Paket vor. Die Gesamtsumme von 20 Milliarden Pfund (23,7 Milliarden Euro) sei für den Haushalt bis Ende April 2010 eingeplant, sagte Finanzminister Alistair Darling in London. Unter anderem soll bereits ab Dezember die Mehrwertsteuer von 17,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt werden.

Die Staatsverschuldung wird nach den Worten Darlings in diesem Finanzjahr auf 78 Milliarden Pfund steigen und im kommenden Jahr auf 118 Milliarden Pfund - acht Prozent des BIP. "Das sind außerordentliche Zeiten der globalen Wirtschaft", so der Minister. Die Maßnahmen würden den Abschwung "leichter und kürzer" machen. Auch Großbritannien steht kurz vor einer Rezession.

Berlin unter Druck

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy mit Kanzlerin Angela Merkel (Foto: AP)
Weiß Sarkozy wo's lang geht?Bild: AP

Die geplanten Maßnahmen der USA und Großbritanniens erhöhen den Druck auf Deutschland, dem ersten Konjunkturpaket in Höhe von zwölf Milliarden Euro weitere Schritte folgen zu lassen. Merkel lehnt dies aber bisher ab. Anfang Januar werde die große Koalition darüber beraten, ob weitere Maßnahmen nötig seien, sagte sie am Montag in Paris nach einem Treffen mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Die Maßnahmen würden mit Frankreich und den anderen Partnern abgestimmt. Die Prognosen änderten sich "täglich, fast stündlich", betonte Merkel.

Die Kanzlerin warnte mit Blick auf das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket, das die EU-Kommission am Mittwoch vorstellen wird, vor überstürzten zusätzlichen Ausgaben. Die 130 Milliarden seien "kein Diktat" Brüssels, sondern eher eine am Bruttoinlandsprodukt orientierte "Richtgröße". Sie betonte ihr Interesse an Programmen, die kein zusätzliches Geld kosten. Man müsse erst einmal die beschlossenen konkreten Schritte wirken lassen.

Die Bundesregierung will bisher, dass ihre bereits geleisteten Konjunkturmaßnahmen bei dem EU-Paket eingerechnet werden. Das EU-Paket entspricht einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts aller 27 Mitgliedsstaaten. Deutschland müsste demnach rund 25 Milliarden Euro beitragen.

Schritt für Schritt

Die Kanzlerin verwies auf eine "ganze Reihe" von Maßnahmen, die die Bundesregierung gegen den Abschwung ergriffen habe. Es gehe um nationale Schritte und dann um ein abgestimmtes europäisches Vorgehen. Eine Senkung der Mehrwertsteuer nach britischem Vorbild lehnte Merkel ab.

Französische Kommentatoren verwiesen darauf, dass Berlin anders als Paris mit seinem fast ausgeglichenen Haushalt Spielraum habe, um Deutschland mit weiteren Konjunkturspritzen zur Lokomotive der Euro-Zone zu machen.

Einig waren sich Merkel und Sarkozy, dass die europäische Autoindustrie nicht durch mögliche Subventionen für die amerikanischen Konzerne benachteiligt werden dürfe. Merkel mahnte aber, nichts zu überstürzen. Europa müsse erst schauen, was in Washington getan werde, und dann darauf reagieren, sagte die Kanzlerin. "Wir wollen keine wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen und können auch keine einfachen Subventionierungen der Industrie vornehmen", sagte sie.

In Deutschland trübte sich unterdessen die Stimmung in der Wirtschaft weiter ein: Nach dem Abrutschen in die Rezession ist sie so schlecht wie zuletzt vor 15 Jahren. Für 2009 zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit ab. Der Geschäftsklimaindex des Münchner ifo Instituts fiel mit 85,8 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Februar 1993 - damals befand sich Deutschland in einer tiefen Rezession. (gri)

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