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Obama befürwortet Homo-Ehe

Michael Knigge11. Mai 2012

Die öffentliche Unterstützung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch US-Präsident Barack Obama ist symbolisch bedeutsam und wahltaktisch riskant. Konkrete Auswirkungen hat sie nicht.

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Pro-Homoehe demo
Bild: picture-alliance/dpa

Barack Obama setzt im Wahljahr auf Risiko. Einen Tag nachdem der Bundesstaat North Carolina die gleichgeschlechtliche Ehe per Referendum mit klarer Mehrheit für verfassungswidrig erklärt hatte, ging der US-Präsident in die Offensive. In einem Interview mit ABC News, dessen Inhalt bereits vor der für diesen Donnerstag (10.05.2012)  geplanten Ausstrahlung verbreitet wurde, bekannte sich Obama zur sogenannten Homo-Ehe.

Er unterstütze das Recht gleichgeschlechtlicher Paare zu heiraten, erklärte Obama und löste damit einen Sturm der Entrüstung im konservativen Lager sowie Jubel bei Progressiven, Schwulen- und Lesbenverbänden aus.

Evangelikale und Sozialkonservative - eine wichtige, weil besonders aktive Wählergruppierung - verurteilten Obamas Unterstützung für die Homo-Ehe als Wählerbetrug - schließlich hatte sich der Kandidat Obama 2008 noch dagegen ausgesprochen. Zwei prominente Führungsfiguren des sozialkonservativen Lagers, Tony Perkins und Ralph Reed, bezeichneten Obamas Aussage denn auch prompt als Wahlgeschenk an Mitt Romney.        

Für die amerikanischen Schwulen- und Lesbenverbände sowie progressive Demokraten vollendete die Aussage des Präsidenten den lange erhofften und dringlich erwarteten Gesinnungswandel Obamas. Zu Recht sprachen Schwulen- und Lesbenaktivisten anschließend von einem historischen Tag, hatte sich Obama doch als erster amtierender Präsident, zur gleichgeschlechtlichen Ehe bekannt.

Langer Prozess

Das öffentliche Ja des Präsidenten zur Homo-Ehe markiert den vorläufigen Schlusspunkt eines langen und komplizierten Entwicklungsprozesses bei Barack Obama. So hatte er sich im Wahlkampf 2008 zwar gegen die Homo-Ehe, aber für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgesprochen.

Seitdem vollzog sich offenbar ein langsamer, aber stetiger Wandel bei Obama. Fragen nach seinem Standpunkt zur Homo-Ehe wurden in den vergangenen Jahren meist mit der Formulierung beantwortet, Obamas Position befinde sich im Stadium der Entwicklung. Nun erklärte der US-Präsident, dass er nach reiflicher Überlegung und zahlreichen Gesprächen mit seiner Familie und Freunden zur Entscheidung gelangt sei, dass es gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt sein solle, zu heiraten.

Offenbar wollte Obama seinen Gesinnungswandel erst auf dem Wahlkongress der Demokraten im September in North Carolina bekanntgeben. Doch nachdem Vizepräsident Joe Biden in einem Interview am Wochenende seine volle Unterstützung für die Homo-Ehe bekundet und damit ein großes Pressecho ausgelöst hatte, wurde Medienberichten zufolge der Druck auf das Weiße Haus und Obama zu groß.      

President Barack
Sagt Ja zur Homo-Ehe - US-Präsident Barack ObamaBild: dapd

Wahlpolitisches Vabanquespiel

Trotz ihres hohen Symbolwerts hat die Aussage Obamas keine konkreten politischen oder juristischen Auswirkungen. Denn auf Bundesebene verbietet der sogenannte Defense Marriage Act aus dem Jahr 1996 die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Den Bundesstaaten bleibt es jedoch überlassen, selbst Gesetze zur Homo-Ehe zu treffen. Derzeit verbieten 29 US-Staaten per Verfassungszusatz die gleichgeschlechtliche Ehe, während sie in sechs Staaten und der US-Hauptstadt erlaubt ist.

Wahltaktisch ist Obamas Positionierung im Hinblick auf den Urnengang im November gegen Mitt Romney riskant. Der Präsident sichert sich zwar damit die volle Unterstützung der Schwulen- und Lesbenverbände sowie des linken Flügels seiner Partei. Da Obamas bisherige Politik von beiden Gruppierungen bislang eher kritisch begleitet wurde, er aber deren Stimmen und Spenden dringend benötigt, stellt seine Aussage ein wichtiges Wahlargument für beide Gruppierungen dar.

Dagegen könnte Obamas eindeutiges Ja zur Homo-Ehe seine Wahlchancen bei den gemäßigten Wechselwählern – besonders in den umkämpften Bundesstaaten, den sogenannten swing states wie North Carolina, Virginia, Florida und Ohio – mindern. Schließlich wurde die Homo-Ehe nicht nur wie jetzt in North Carolina per Volksentscheid verboten, auch in Florida und Ohio ist sie verfassungswidrig.

Zwei homosexuelle Amerikaner
Obama's Kehrtwende könnte wahlpolitisch brisant werdenBild: dapd

Gespaltene Bevölkerung

Wie umstritten die Homo-Ehe in den USA ist, spiegelt sich auch regelmäßig in Meinungsumfragen wieder. Laut einer vor der Abstimmung in North Carolina durchgeführten Gallup-Umfrage sprachen sich 50 Prozent der Amerikaner für die Legalisierung der Homo-Ehe aus, 48 Prozent waren dagegen.

Obamas Ja zur Homo-Ehe könnte daher wahlpolitische Sprengkraft entfalten. Als wahlentscheidendes Zünglein an der Waage dürfte sich die Aussage des US-Präsidenten jedoch höchstens bei einem sehr knappen Wahlausgang erweisen. Denn trotz aller politischen Sprengkraft gelten weiterhin die Wirtschaftslage und die Arbeitslosigkeit als die wahlentscheidenden Themen.