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Obama in Vietnam

Rodion Ebbighausen23. Mai 2016

Vor dem G7-Gipfel in Japan besucht Obama Vietnam. Ein junger, aber wichtiger Partner für die USA. Beide Länder wollen die Vergangenheit hinter sich lassen: es geht um Wirtschaft und das schwierige Verhältnis zu China.

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Obama in Hanoi mit seinem Amtskollegen Tran Dai Qang und mit Vizeverteidigungsminister Nguyen Chi Vinh (Foto: Reuters/Kham)
Bild: Reuters/Kham

Im Vorfeld des Obama-Besuchs in Vietnam waren von dort nicht nur Willkommensgrüße zu hören. Wenige Tage vor dem Eintreffen Obamas am Sonntag (im Bild oben mit seinem Amtskollegen Tran Dai Qang, 2.v.r. und mit Vizeverteidigungsminister Nguyen Chi Vinh, l.) hatten die staatlich kontrollierten Medien in Vietnam den USA vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen. Dabei geht es um die Gruppe Viet Tan, die, so sehen es zumindest die vietnamesischen Sicherheitsbehörden, ein ungeklärte Umweltkatastrophe mit hundert Tonnen toter Fische in Zentralvietnam zum Anlass nähmen, um das politische System zu stürzen. Viet Tan ist ein in erster Linie in den USA beheimatetes Netzwerk von Aktivisten, die in Vietnam die Demokratie einführen wollen, und zwar nach eigenen Angaben durch friedliche Mittel.

Der Terrorismusvorwurf sei aber vor allem an das einheimische Publikum gerichtet und werde den Staatsbesuch Obamas nicht überschatten, sagt der Politologe Gerhard Will gegenüber der DW: "Für beide Seiten sind die strategischen und ökonomischen Interessen sehr viel wichtiger."

Proteste in Hanoi gegen Fischsterben (Foto: picture-alliance/dpa/L. Thai Linh)
Auch im Einparteienstaat Vietnam regt sich die Zivilgesellschaft - wie bei Protesten gegen Fischsterben durch IndustrieabfälleBild: picture-alliance/dpa/L. Thai Linh

Druck durch China beschleunigt Annäherung

Dass die USA und Vietnam heute so gute Beziehungen pflegen, mag angesichts des gerade einmal 40 Jahre zurückliegenden Vietnamkriegs verwundern. Die Weichen dafür wurden schon in den späten 90er Jahren gelegt und fanden ihren ersten Höhepunkt mit dem Besuch Bill Clintons im Jahr 2000. Seither gibt es regelmäßig hochrangige Besuche zwischen beiden Ländern. Auf diplomatischer Ebene haben die USA und Vietnam eine sogenannte umfassende Partnerschaft abgeschlossen, die neun Kooperationsfelder benennt. Darunter sind neben der Vertiefung der diplomatischen und politischen Beziehungen auch gemeinsame Bewältigung der Kriegsschäden und eine weitergehende Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung. Obama wird in Ho Chi Minh Stadt die "Fulbright University Vietnam" eröffnen.

In den letzten Jahren wurde die Annäherung durch die wachsenden Spannungen im Südchinesischen Meer zusätzlich beschleunigt. Dort streiten sich Vietnam insbesondere mit der Volksrepublik China, aber auch mit anderen Anrainerstaaten, um die Souveränität über zwei Inselgruppen. "Vietnam und die Vereinigten Staaten sind durch vergleichbare Interessen im Südchinesischen Meer näher zusammengerückt", sagt Carl Thayer, ehemaliger Politikprofessor von der australischen Universität von New South Wales. Um dem großen und massiv aufrüstenden Nachbarn China etwas entgegensetzen zu können, ist Vietnam auf Unterstützung angewiesen. Insofern sei die zügige Annäherung der letzten Jahre zum Teil auf äußeren Druck zurückzuführen, sagt der Politologe Gerhard Will.

Erinnerung mit Plakaten an den Grenzkrieg mit China vom Frühjahr 1979 (Foto: picture alliance/AP Photo/T. V. Minh)
Der übermächtige Nachbar - Erinnerung an den Grenzkrieg mit China vom Frühjahr 1979Bild: picture alliance/AP Photo/T. V. Minh

Waffen und Freihandel

Für Vietnam ist die Aufhebung eines seit 1984 geltenden Waffenembargos durch Obama ein wichtiges Signal. Obama betonte am Montag, dass die Aufhebung des Embargos nichts mit China zu tun habe, sondern einzig und allein darauf abziele, den langen Prozess der Normalisierung der Beziehungen mit Vietnam voran zu bringen.

Obama äußerte sich auch zuversichtlich, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit vorankommen werde. Im Zentrum steht dabei die Transpazifische Partnerschaft (TPP). Das von den USA maßgeblich vorangetriebene Freihandelsabkommen umfasst zwölf pazifische Nationen, darunter Vietnam und Japan, aber nicht China. Auf die Rahmenbedingungen für das Abkommen haben sich die Länder im Oktober 2015 verständigt. "Vietnam erhofft sich so fortgesetzten Zugang zum amerikanischen Markt, und zwar zu den bestmöglichen Bedingungen", sagt der australische Vietnamexperte Thayer.

Grenzen der Annäherung

Trotz aller bisher erzielten Fortschritte gibt es Grenzen der Annäherung, allein schon durch die Geographie. Vietnam kann dem gewaltigen Einfluss seines nördlichen Nachbarn Chinas nicht entkommen. Es muss bei allen Entscheidungen also immer die Interessen seines Nachbarn bedenken. Insofern kennzeichnet das vietnamesische-US-amerikanische Verhältnis seit jeher eine starke Ambivalenz, wie Will betont. "Vietnam möchte sich immer eine Türe offenhalten. Das gilt natürlich auch für die USA, denn man darf bei all den Konflikten mit China nicht vergessen, dass China auch ein potenter Wirtschaftspartner für die USA ist."

Will warnt vor überhöhten Erwartungen: "Das Dilemma in den bilateralen Beziehungen zwischen Vietnam und den USA liegt darin, dass es auf der einen Seite so hohe Erwartungen gibt, aber auf der anderen Seite kaum konkrete Ziele, die man gemeinsam erreichen will." So erwarte Vietnam militärischen Beistand gegen das Vorgehen von China in der Südchinesischen Meer. Aber wie soll das konkret aussehen?, fragt Will. Findet Vietnam es tatsächlich hilfreich, wenn amerikanische Schiffe und Flugzeuge im Südchinesischen Meer patrouilleren? Das sei alles noch unklar. Es sei das eine, eine Sicherheitskooperation auf dem Papier zu vereinbaren, aber etwas anderes, diese dann umzusetzen.

US-Pazifik-Kommandeur Harry B. Harris vor der Karte der Yongshu Jiao Insel aus der Spratly-Gruppe im US-Kongress (Foto: picture alliance/AP Photo/C. Owen)
Die amerikanischen Pazifik-Kommandeure sind auf Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer fokussiertBild: picture alliance/AP Photo/C. Owen

Erfolgsgeschichte

Trotz dieser Einschränkungen sei die Annäherung beider Länder insgesamt ein Erfolg, sagt Thayer: "Die US-amerikanisch-vietnamesischen Beziehungen sind ein großer Erfolg innerhalb Obamas außenpolitischer Neuorientierung in Richtung Asien-Pazifik. Präsident Obama wird die Grundlagen für eine weitere Vertiefung der Beziehungen legen und damit seinen außenpolitischen Kurs wie im Falle Irans und Kubas weiterverfolgen." Und auch nach Obamas Präsidentschaft dürfte sich die Erfolgsgeschichte weiter fortsetzen, glaubt Gerhard Will. Die Beziehungen seien so gut, dass weder die gerade ins Amt gekommene Regierung in Vietnam noch die künftige US-Regierung diese Beziehungen ruinieren könnten - es sei denn mit Vorsatz.