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Nur Stichproben für den Mindestlohn

2. Juli 2010

In Deutschland gibt es keinen staatlich festgelegten, einheitlichen Mindestlohn. Stattdessen gelten verschiedene Gesetze - doch davon profitieren nur die Arbeitnehmer weniger Branchen.

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Ein Bauarbeiter im roten T-Shirt und mit gelbem Helm auf dem Kopf schwingt auf einem Baugerüst den Hammer (Foto: dpa)
Mit Helm und Hammer bei der Arbeit - aber auch mit dem richtigen Lohn?Bild: picture alliance/dpa

Gegen Mindestlohnregeln in Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales massive Verstöße. Laut einem Bericht von Ende Juni 2010 prüfte der zuständige Zoll 2009 in der Baubranche 14.000 Arbeitgeber und leitete 1500 Bußgeldverfahren ein. Von den Gebäudereinigungsfirmen wurden 2000 überprüft und 200 Bußgeldverfahren auf den Weg gebracht. Das sind zehn Prozent der kontrollierten Betriebe. Ihnen drohen Bußgelder von bis zu 500.000 Euro.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, im Hintergrund ihr Dienstwagen (Foto: dpa)
Bundesarbeitsministerin Ursula von der LeyenBild: picture alliance / dpa

Wie können diese Verstöße verhindert werden? Von einer Verschärfung der Strafen hält Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen nichts: "Mir ist am wichtigsten, dass die Sanktionen, die wir haben, auch angewendet werden, und dass öffentlich gemacht wird, wer sich nicht an die Regeln hält", sagte von der Leyen im Juni in Berlin.

Kein gesetzlicher Mindestlohn für alle

Anders als in vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland keinen staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn für alle. Stattdessen regelt das so genannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) den Mindestlohn für bislang acht Branchen: Neben dem Gebäudereinigerhandwerk mit 800.000 Angestellten und dem Baugewerbe mit knapp 700.000 Beschäftigten gehören dazu die Abfallwirtschaft, Bergbauspezialarbeiten, das Elektrohandwerk, Wäschereidienstleistungen sowie das Maler- und Lackiererhandwerk.

Eine Pflegerin hält die Hand einer alten Frau, die in einem Altenheim lebt (Foto: dpa)
Pflege braucht Zeit und kostet GeldBild: picture alliance/dpa

Im August kommen noch 800.000 Pflegerinnen und Pfleger in Altenheimen und in ambulanten Pflegediensten hinzu. Dann gilt das Entsendegesetz für insgesamt drei Millionen Beschäftigte in Deutschland. Für das Wach- und Sicherheitsgewerbe, die Branche der beruflichen Aus- und Weiterbildung und Briefdienstleistungen verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaften noch darüber.

Die Zahl der Branchen, für die ein Mindestlohn vereinbart werden soll, steigt ständig. So hat Ministerin von der Leyen gerade angekündigt, auch mit der Zeitarbeitsbranche Gespräche darüber zu führen.

Entsendegesetz oder verbindlich erklärte Tariflöhne

In weiteren Branchen ist ein Mindestlohn über das Tarifvertragsgesetz geregelt. Normalerweise muss sich ein Betrieb an Tarifverträge nur halten, wenn er im Arbeitgeberverband seiner Branche Mitglied ist. Bundes- und Landesarbeitsminister können jedoch Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Dann gelten die darin vereinbarten Tariflöhne als Mindestlöhne für alle Beschäftigten der Branche.

Ein Fensterputzer wischt Scheiben sauber (Foto: dpa)
Gebäudereiniger werden oft von ausländischen Firmen zum Arbeiten nach Deutschland entsandtBild: AP

Für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge gibt es laut Arbeitsministerium derzeit beispielsweise in der Holzbranche, im Handel und in der Land- und Forstwirtschaft. Insgesamt profitieren davon nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zwei Millionen Menschen. "Das Prinzip der allgemeinen Verbindlichkeitserklärung ist, dass die Beschäftigten einen Schutz vor Dumpinglöhnen haben, und die Firmen eine entsprechende Kalkulationsgrundlage", sagt Reinhard Dombre, Leiter der Abteilung Tarifpolitik beim DGB. Tarifverträge nützen also auch den Unternehmen.

Der für allgemeinverbindlich erklärte Tariflohn kommt nur Arbeitnehmern zugute, deren Arbeitgeber in Deutschland sitzt. Das Entsendegesetz gilt hingegen auch für Unternehmen im Ausland, die ihre Beschäftigten zum Arbeiten nach Deutschland entsenden. So soll Lohndumping mit schlecht bezahlten Arbeitnehmern aus Niedriglohnländern verhindert werden.

Ist die Zahl der Kontrolleure ausreichend?

Ein Zollbeamter des Hauptzollamtes Dresden (r.) kontrolliert im August 2004 die Personalien eines bulgarischen Handwerkers auf einer Baustelle in Dresden (Foto: AP)
Kontrolle vor Ort durch den ZollBild: AP

6400 Beamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), die dem Zoll unterstellt sind, müssen nicht nur kontrollieren, ob das Entsendegesetz eingehalten wird. Sie sind auch für die Vereinbarungen nach Tarifvertragsgesetz zuständig. Laut Arbeitsministerium gab es Anfang April 17 Bereiche mit allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Alleine in der Baubranche ist die FKS für 70.000 Baustellen zuständig.

Dombre vom DGB gibt auf die Frage, ob die Beamten, die den Mindestlohn kontrollieren, ausreichen, eine klare Antwort: "Nein, die Zahl reicht nicht. Das ist ähnlich wie im Straßenverkehr. Wenn 50 Kilometer als Tempolimit vorgegeben ist, und sie haben keine Kontrolle, dann fahren die Leute halt schneller."

Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) verlangt 500 bis 2000 neue Stellen für Kontrolleure. Die Gewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt fordert sogar 4800 Beamte mehr.

Bis 2013 sollen 350 kontrollierende Beamte mehr bei der FKS eingestellt werden. Das Ministerium hält das für ausreichend: Prüfungen könnten nie flächendeckend, sondern immer nur stichprobenartig erfolgen, sagte ein Sprecher.

Autor: Klaudia Prevezanos
Redaktion: Kay-Alexander Scholz