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Petersburger Dialog

Ingo Mannteufel2. Oktober 2008

Das gemeinsame Interesse nach einer deutsch-russischen Partnerschaft trifft auf zwei Hindernisse, die beim diesjährigen Petersburger Dialog wieder sichtbar geworden sind, meint Ingo Mannteufel.

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Bild: DW

"Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland" war die meist gesprochene Phrase beim diesjährigen Petersburger Dialog und auch bei den fast parallel stattfindenden deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Und trotz dieser rhetorischen Einigkeit im Ziel und den vielen gemeinsamen deutsch-russischen Interessen existierte ein unterschwelliges Unbehagen zwischen Deutschen und Russen, wobei der Kaukasus-Konflikt eher Ausdruck als Ursache dafür war.

Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Online- und Radio-Redaktion der Deutschen Welle
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen Online- und Radio-Redaktion der Deutschen Welle

Wenn sich deutsche und russische Politiker, Geschäftsleute und auch gesellschaftliche Vertreter treffen, so wird schnell klar, wie viele gemeinsame Interessen die beiden Länder haben. Klischeehaft heißt es dann, dass sich das rohstoffreiche Russland und das Industrieland Deutschland hervorragend ergänzen. Der Petersburger Dialog hat daher mit dem Motto der "Partnerschaft in der Modernisierung" die richtige Überschrift gefunden.

Zwei Seiten der Modernisierung

Doch so einig man sich über den Leitgedanken "Modernisierung" ist, so unterschiedlich wird er interpretiert. Die russische Seite versteht unter Modernisierung hauptsächlich eine ökonomisch-technische Modernisierung, beispielsweise die Steigerung der Energieeffizienz oder die Entwicklung von Nanotechnologie. Diesen Projekten gegenüber ist die deutsche Seite keineswegs abgeneigt.

Doch sie betrachtet Modernisierung als eine viel breitere und umfassendere Aufgabe, die auch gesellschaftliche Offenheit, Transparenz staatlichen Handelns und vor allem einen Ausbau des Rechtsstaates einschließt. Diesen Aspekten gegenüber sind nun die Vertreter der russischen Elite nach eigenen Worten nicht völlig abgeneigt, doch wissen sie nicht recht, was das konkret bedeuten soll. Vielmehr sehen sie darin schnell eine versuchte Bevormundung, Schulmeisterei und eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten. So wird das gemeinsame Interesse nach einer Partnerschaft noch beim Begriff der Modernisierung geteilt, aber bereits die Definition davon weicht voneinander ab.

Zwei Geschichtsbilder

Zu dieser Differenz in der Definition von Modernisierung kommt ein zweites Hindernis hinzu. Die globalen Veränderungen seit dem Ende der Sowjetunion werden zu unterschiedlich bewertet: In Russland wird die Zeit seit 1989/91 als eine negative Entwicklung betrachtet. Die einstige Supermacht hat ihre Einflusszonen in der Welt und insbesondere in Ostmitteleuropa und im postsowjetischen Raum verloren. Aus russischer Sicht geht dieser außenpolitische Niedergang einher mit der Ausdehnung der westlichen Strukturen (EU und NATO) in die ehemaligen russischen Hegemonialgebiete.

Das wird in Russland als Bedrohung empfunden - daher die heftige anti-amerikanische Haltung, daher auch die militärische Reaktion gegen Georgien, um nicht erneut Gebiete zu verlieren, die als traditionell "russisch" gesehen werden. Und daher auch die russische Initiative für ein neues kollektives Sicherheitsabkommen für Europa, um zumindest die aktuellen Einflusszonen festzuschreiben.

In Deutschland wird zwar anerkannt, dass es für Russland nicht leicht war, den eigenen Großmachtverlust zu ertragen. Zugleich sehen die Deutschen die Zeit seit 1989/91 als positiv: Ausgehend von der deutschen Wiedervereinigung, die sich am 3. Oktober jährt, wird der Zerfall des sowjetisch-russischen Imperiums begrüßt, da sich so Freiheit und Demokratie in Osteuropa und in den sowjetischen Nachfolgestaaten verbreiten konnten. Die Ausdehnung des "institutionellen Westens" nach Osten wird als Fortführung des europäischen Projekts von "Wohlstand und Freiheit in Frieden" betrachtet, dem sich auch die Ukraine, Georgien und andere Staaten noch anschließen können. Aus diesem Grund betrachtet die deutsche Bundeskanzlerin Merkel die russische Reaktion im Kaukasus-Konflikt als unverhältnismäßig und setzt sich für den territorialen Erhalt Georgiens ein, was wiederum auf Unverständnis bei den Russen führt.

Diese beiden tief sitzenden Hindernisse für eine angestrebte deutsch-russische Partnerschaft hat der Petersburger Dialog auch in diesem Jahr nicht lösen können. Doch eins ist auch klar: Ohne Gespräche werden sich diese Barrieren niemals lösen lassen.