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Bücher aus Besitz der Kaufhaus-Familie Tietz entdeckt

17. Oktober 2016

Bislang waren sie in Russland vermutet worden, jetzt wurden wertvolle Buchbestände aus dem Besitz der jüdischen Familie Tietz entdeckt - in einer Stadtbibliothek in Bautzen.

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Königstraße 1936
Jüdische Kaufhäuser, nicht nur der Familie Tietz, wurden von den Nazis nach 1934 enteignetBild: Stadtmuseum Berlin

Nicht nur Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus ehemals jüdischem Besitz fallen unter den Begriff NS-Raubkunst. Auch wertvolle Bücher und private Bibliotheks-Bestände wurden von den Nazis beschlagnahmt, geraubt und in den Besitz des Regimes gebracht. Im Zuge aktueller Recherchen des Deutschen Zentrums für Kulturgut-Verluste sind jetzt Teile der bedeutsamen Büchersammlung der jüdischen Familie Tietz in einer Stadtbibliothek in Bautzen entdeckt worden. Mehr als 500 wertvolle Bücher konnten zweifelsfrei als Raubkunst identifiziert werden, wie am Montag (17.10.2016) auf einer Pressekonferenz in Berlin bestätigt wurde. Anhand dieses Beispiels ließe sich erahnen, so Projektleiter Robert Länger, wie viele wertvolle Bücher aus enteignetem jüdischem Besitz unrechtmässig in deutschen Bibliotheken gelandet seien. 

Die Firma der Nachfahren der "Hermann Tietz & Co. Warenhäuser", die seit 1913 als Warenhauskette existierte, wurde 1934 von den Nazis enteignet. Sie drängten die Brüder Georg und Martin Tietz sowie deren Schwager Hugo Zwillenberg aus der Firmenleitung und arisierten deren Betrieb. Der wertvolle Familienbesitz wurde beschlagnahmt, auf sogenannten "Judenauktionen" versteigert und weit unter Wert verkauft. Im Nachkriegsdeutschland wurden die Warenhäuser unter dem Namen "Hertie" weitergeführt.

Verschollene Buchschätze

1944 erwarb das Reichsinnenministerium die wertvolle Privatbibliothek der jüdischen Unternehmerfamilie. Um sie vor Bombenangriffe in Sicherheit zu bringen, war sie am Ende des Zweiten Weltkriegs in einem Außendepot in Bautzen eingelagert. Dort verlor sich nach Kriegsende ihre Spur. Bislang war die Forschung davon ausgegangen, dass sie als Beutekunst von Soldaten der Roten Armee nach Russland verschleppt worden sei.

Der Fund in der Stadtbibliothek Bautzen wirft eine Menge weiterführender Fragen für die historische Forschung auf, wie auf der Pressekonferenz heute betont wurde. Die Provenienz-Forscher des Zentrums für Kulturgutverluste in Magdeburg werden den Bestand jetzt fachkundig sichten und wissenschaftlich auswerten. Die Suche nach Nazi-Raubkunst und verschollenem Kultur-Raubgut hat sich bislang in der Bundesrepublik vor allem auf Gemälde und Kunstwerke konzentriert. Die Forschung nach verschollenen Bibliotheksbeständen und bibliophilen Sammlungen aus ehemals jüdischem Besitz steckt noch in den Anfängen.

hm/nf (dpa/lostart.de)