1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Historische Verantwortung

15. Januar 2010

Der Verein "Zug der Erinnerung" hat Opfern des NS-Regimes seine Unterstützung zugesichert. Diese fordern von der Deutschen Bahn Zahlungen an Überlebende nach dem Einstieg der Bahn in den polnischen Markt.

https://p.dw.com/p/LWPm
Gleise führen in das Haupttor des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau (Illustration: Raimo Bergt)
Die Reichsbahn hat sich am Holocaust mitschuldig gemacht

Auslöser der Forderung der Opferverbände war die Ankündigung der Deutschen Bahn AG (DB), in den polnischen Markt auch mit Personenzügen einzusteigen. Die DB will gemeinsam mit der polnischen PKP Intercity von Berlin aus eine Linie ins polnische Ostseebad Kolobrzeg betreiben.

Die DB sei eine "historische Erbin" der Bahnen des Dritten Reiches, erklärte der Sprecher des Vereins "Zug der Erinnerung", Hans-Rüdiger Minow, in Warschau. Die Reichsbahn habe im Zweiten Weltkrieg Millionen Menschen in Konzentrations- und Arbeitslager deportiert. Daher unterstütze er die Forderung der polnischen Opferverbände: "Die Deutsche Reichsbahn war aktiv und entscheidend am Massenmord beteiligt."

DB nicht Rechtsnachfolgerin der Reichsbahn

Die DB beteiligte sich bereits 1999 mit einem mehrstelligen Millionenbetrag an der "Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", die von 6000 deutschen Industrieunternehmen ins Leben gerufen wurde. Die Stiftungsgelder kommen NS-Opfern zugute, darunter vor allem ehemaligen Zwangsarbeitern.

Der 'Zug der Erinnerung' fährt mit Jugendlichen nach Auschwitz und hält dabei auf dem Hauptbahnhof von Wroclaw, Polen (Foto: dpa)
Der "Zug der Erinnerung" soll das Gedenken an den NS-Massenmord wachhaltenBild: picture-alliance / dpa

DB-Sprecher Jens-Oliver Voß erklärte gegenüber DW-WORLD.DE, sein Unternehmen sei nicht Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn. Es sei sich seiner historischen Verantwortung dessen ungeachtet bewusst. Die DB stelle sich daher auch der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Reichsbahn. Wie sein Unternehmen auf die Forderung der Opferverbände reagieren würde, ließ er offen.

Opfer wünschen "Geste des guten Willens"

Die polnischen Opferverbände betonten, dass sie nicht vorhaben, den Rechtsweg zu beschreiten. Stanislaw Zalewski, Vorsitzender des Verbandes ehemaliger Lagergefangener sagte, er hoffe aber, dass "die Bahn die Gelegenheit ergreifen wird, zu zeigen, dass sie sich an die Oper des Nazi-Regimes erinnert."

Zalewski schlug deshalb die Gründung eines humanitären Fonds als "Zeichen des guten Willens" vor. Der polnische Staatsminister Wladyslaw Bartoszewski und seine deutsche Amtskollegin Cornelia Pieper begrüßten am Freitag (15.01.2010) die Idee einer derartigen Stiftung. Bartoszewski machte aber gegenüber DW-WORLD.DE deutlich, dass dies keine Aufgabe der Regierungen sei, sondern gemeinnütziger Organisationen.

Grund für die Forderung sei die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Überlebender. Als Beispiel führte er den Fall von Malec Stanislaw an. Der heute 70-Jährige war vier Jahre alt, als er deportiert wurde. Er überlebte, weil der Deportationszug von Partisanen gestoppt worden war. Bis heute habe der Mann nur eine Entschädigung von 1400 Zloty (350 Euro) erhalten.

Überlebende sind traumatisiert

NS-Opfer werden auf einen Zug ins KZ Auschwitz getrieben (Foto: AP)
Viele Auschwitz-Überlebende leiden noch heuteBild: AP

Zalewskis Organisation vertritt 7000 Überlebende, von denen ein Drittel älter ist als 90 Jahre. Viele litten unter einem posttraumatischen Stresssyndrom und benötigten psychologische Betreuung.

Er begrüßte den Plan der Deutschen Bahn, in den polnischen Markt einzusteigen als "wichtiges wirtschaftliches Ereignis," betonte aber, es wecke "bestimmte Emotionen bei denen, die den Horror des Zweiten Weltkrieges erlebt haben".

Nach Angaben des 2007 gegründeten Vereins "Zug der Erinnerung" verdiente die Reichsbahn nach heutigen Berechnungen mindestens 445 Millionen Euro mit den Massendeportationen. Möglicherweise sei es sogar mehr als eine Milliarde Euro gewesen, heißt es in einer im November 2009 veröffentlichten Studie des Vereins.

Autor: Fabian Schmidt (AFP, KNA, dpa)
Redaktion: Julia Kuckelkorn