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"Notorisch unbelehrbar"

28. Juni 2010

Die G20 konnten sich nicht auf eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte einigen, kritisieren viele Kommentatoren in Deutschland. Einige begrüßen aber, dass Angela Merkel verstärkten Schuldenabbau durchsetzen konnte.

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Bild: picture-alliance/dpa

Das Handelsblatt analysiert die Gruppe der G20:

"Ohne Krise erweist sich die Gruppe der weltweit wichtigsten Wirtschaftsnationen als das, was sie eigentlich ist: ein Zusammenschluss von Ländern höchst unterschiedlicher Interessen. (...) Die Globalisierung findet zwar auf demselben Planeten statt, doch trifft sie nicht alle in der gleichen Phase der Entwicklung. Also kehrt man klammheimlich wieder zur Vorkrisenordnung zurück. Mit der G7/G8 als Küchenkabinett der internationalen Zusammenarbeit. Und der G20 als Debattierclub fürs gute Gefühl und für wohlfeile Appelle."

Bild lobt die Gipfelbeschlüsse:

"Die Länder haben erkannt: Wer auf Pump wachsen will, stürzt über kurz oder lang ab. Stabiles Wachstum und sichere Jobs brauchen solide Staatsfinanzen. Diese Einsicht ist auch ein Verdienst von Angela Merkel. (…) Allerdings dürfen die Gipfelversprechen keine Lippenbekenntnisse bleiben. Mehr denn je kommt es darauf an, sie zügig umzusetzen. Das gilt besonders für uns Deutsche."

Enttäuscht ist die tz aus München:

"Die konkreten Vereinbarungen wurden in Toronto erneut auf die lange Bank geschoben. Gäbe es endlich weltweite Regeln für Banken oder Rating-Agenturen sowie eine globale Finanzsteuer, wären die Gipfel-Spektakel jeden Cent wert - so sind sie es nicht."

Die Berliner Zeitung mahnt:

"Ebenso wichtig wie eine Regulation der Finanzmärkte ist es, dass die Industriestaaten trotz Sparzwangs ihre Bemühungen koordinieren, um einen ungebremsten Wettlauf um die Gunst der Finanzmärkte zu vermeiden. Den hatten wir schon."

Das Neue Deutschland kritisiert:

"Wie von Globalisierungskritikern befürchtet, nehmen die Industriestaaten die selbst verschuldete Finanz- und Wirtschaftskrise nicht zum Anlass, die auf Reichtumsakkumulierung vor allem im Norden ausgerichtete Weltfinanzordnung grundlegend zu reformieren. Im Gegenteil: Die gigantischen nationalen Bankenrettungs- und Konjunkturprogramme sowie der allmählich folgende rigide Einsparkurs gehen entgegen allen Beteuerungen eben doch zu Lasten der schwächsten Entwicklungsländer. Maßnahmen gegen Armut wie auch gegen den Klimawandel bleiben zunehmend auf der Strecke."

Wenig konkretes sieht die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ):

"Ein Doppelgipfel kreißte - und gebar reihenweise Mäuschen. Das war angesichts der unterschiedlichen Ausgangslagen beim Treffen von G8 und G20 auch nicht anders zu erwarten. (…) Jetzt, wo die Konjunktur wieder anzieht, rücken nationale Interessen wieder in den Vordergrund."

Der Mannheimer Morgen kritisiert US-Präsident Obama:

"Obamas Drängen, notfalls weitere Schulden in Kauf zu nehmen, ein durchsichtiges Manöver. Der US-Präsident braucht zusätzliches Wachstum, um die hohe Arbeitslosenquote im eigenen Land zu drücken. Im November stehen Kongresswahlen an. (…) Auf mittlere Sicht werden aber auch die USA angesichts ihrer ausufernden Schuldenlast nicht umhin kommen, ihre Politik der heißen Notenpresse zu korrigieren."

Die Nürnberger Nachrichten haben beobachtet:

"Die Konferenzen waren teils auch eine Inszenierung von Macht - einer allerdings nicht genutzten, nicht wirklich vorhandenen Macht: Die Industrienationen wollen die Finanzmärkte zum Teil gar nicht ernsthaft regulieren."

Die Oldenburgische Volkszeitung aus Vechta ist dafür, die Finanzmärkte stärker zu regulieren:

"Die äußerst mageren Ergebnisse des Gipfels der G8- und G20-Staaten sind ein Skandal. (...) Trotz der massiven Gefahr, die von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise für etliche Volkswirtschaften ausging, verhalten sich die Führer der 20 wichtigsten Industrienationen wie notorisch Unbelehrbare. Schärfere Regeln für Banken sind seit Jahren erkennbar notwendig. Und Bankenabgaben zur Bewältigung der Krisenkosten sind gerade angesichts der lange Zeit zu laxen Bestimmungen für den Sektor ein Gebot der Gerechtigkeit."

Die Neue Osnabrücker Zeitung begrüßt das Sparziel, mahnt aber:

"Nicht überdecken kann das G-20-Defizit-Ziel indes die Unfähigkeit der Gipfelteilnehmer, die Finanzmärkte mit gemeinsamen Instrumenten zu zähmen. Dabei lauert gerade hier die größte Gefahr für die Staatshaushalte. Zu einzelstaatlichen Schutzmaßnahmen wie der deutschen Bankenabgabe gibt es daher keine Alternative. "

Die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt (Oder) bilanziert ernüchtert:

"Außer Spesen wenig gewesen. Freundlich im Ton haben die Gipfelteilnehmer erst der G8 und dann der G20 einander eine Menge unvereinbare Positionen vorgetragen."

Der Münchner Merkur lobt Angela Merkel:

"Umso erstaunlicher, dass die Europäer sich mit ihrem beeindruckend schnörkellos vertretenen neuen Grundsatz 'Sparen statt Schulden' am Ende durchsetzen konnten. Zumindest auf dem Papier erklärten die Gipfelteilnehmer ihre Absicht, die Haushaltsdefizite bis 2013 auf die Hälfte zu reduzieren. Dieser Meinungsumschwung ist nicht zuletzt das Verdienst der deutschen Kanzlerin."

Die Rhein-Zeitung aus Koblenz/Mainz schreibt zu den G20:

"In der Sache muss das dürre Ergebnis all jene enttäuschen, die in den G20 eine Art Weltregierung sehen und von den Beschlüssen Richtungsweisung erwarten. Wo es keinen Konsens gibt, kann man ihn nicht mit Wortakrobatik erzwingen. Die Differenzen sind so groß, die Interessen so verschieden, dass man wirklich nur den allerkleinsten gemeinsamen Nenner festschreiben konnte."

Dagegen findet die Allgemeine Zeitung aus Mainz:

"Gipfeltreffen der G 8 und G 20 sind, bei Lichte besehen, besser als ihr Ruf. Acht oder gar 20 unter einen Hut zu bekommen bei hochkomplexen Themen: das wäre ein Wunder, zumal, wenn nationale und persönliche Eitelkeiten fröhlich Purzelbäume schlagen."

Der Südkurier aus Konstanz sieht ein Versagen der G8 wie der G20:

"Die globale Krisen-Feuerwehr hat ihre Schläuche nicht ausgerollt, sondern ist abermals schon bei der Frage nach dem Wasserdruck stehengeblieben. Und das nicht nur bei den für die reichen Länder wichtigen Themen wie Budgetsanierung oder Bankenabgabe. Das genauso drängende Problem der Hilfe für die Armen ließ der Eliteclub der G8 fast ganz unter den Tisch fallen - in der Hoffnung, dass die Öffentlichkeit das schon nicht merkt."

Der Nordkurier aus Neubrandenburg kritisiert die Gipfeltreffen als zu teuer:

"So teuer, hieß es im Vorfeld, war noch kein Weltwirtschaftsgipfel. Daran gemessen grenzt es an Realsatire, dass als wesentlicher Bestandteil des Abschlussdokuments nun festgehalten ist, dass sich die Industrienationen auf einen ehrgeizigen Schuldenabbau verpflichten. Wie wäre es, wenn die Mächtigen der Welt mit der Sanierung bei ihren Gipfeltreffen anfingen?"

Das findet auch Ostsee-Zeitung aus Rostock:

"Es ist Zeit, über den Sinn solcher Mega-Gipfel wie in Toronto zu sprechen - vor allem darüber, ob der elitäre Club der G8-Staaten überhaupt noch zeitgemäß ist. Vorzeigbares hat er jedenfalls kaum zustande gebracht."

Die Wetzlarer Neue Zeitung plädiert dafür, die Gipfel abzuschaffen:

"Bei diesem G20-Gipfel ziehen die Spitzenpolitiker so viel Hass auf sich, dass über zehntausend Polizisten im kanadischen Toronto den Tagungsort bewachen müssen. (…) Kaum jemand traut diesen Versammlungen zu, tragfähige Resultate zu liefern. Neue Zeiten fordern viel mehr auch neue Formen der Politik."

Redaktion: Dirk Eckert