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Nostalgisches Sehnen nach Heftklammern

Bernd Riegert, Brüssel12. Januar 2005

Sie sind der Traum der Brüsseler Sicherheitsdenker: Bio-Visa und Funkpässe als Eintrittskarte zur Festung Europa. Sie funktionieren nur nicht.

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Die EU träumt davon, allen einreisenden Ausländern ein Visum zu verpassen, auf dem die biometrischen Daten gespeichert sind. Doch das dürfte schwierig werden, weil die Technik nicht mitspielt. Fingerabdruck, Gesichtsmerkmale und Foto sollten auf kontaktlosen Funkchips abgelegt werden, die auf das Visum geklebt werden. Eine Arbeitsgruppe hat für den EU-Ministerrat Tests vorgenommen und festgestellt, dass sich die so genannten RFID-Chips bei Grenzkontrollen gegenseitig Schachmatt setzen könnten. Die Lesegeräte der Grenzschützer könnten die Signale von verschiedenen Visa und dem eigentlichen Reisepass nicht auseinander halten.

Deshalb schlägt die luxemburgische Ratspräsidentschaft jetzt vor, die biometrischen Daten nicht ins Visum zu kleben, sondern nur in der zentralen Datenbank der Mitgliedsstaaten, dem VISA-Informations-System (VIS) abzuspeichern. Dann müssten bei Grenzkontrollen eventuell Fingerabdrücke genommen werden und Gesichter gescannt werden, um festzustellen, ob der Einreisende auch der Visum-Inhaber ist. Das, so warnt die Bürgerrechtsorganisation Statewatch in London, sei viel zu aufwändig und würde zu langen Schlangen an den Grenzen führen. Wenn der Visumbesitzer dann von Großbritannien nach Frankreich weiter reisen würde, müssten die Kontrollen eventuell noch einmal wiederholt werden. Das sei zu teuer und nicht praktikabel.

Brüssel brütet

Nun brüten die EU-Experten über möglichen Lösungen. Vielleicht ließen sich die funkenden Chips ja auf einer vom Reisepass getrennten Karte unterbringen, so dass sich beide Dokumente nicht gegenseitig elektronisch lahm legen. Dann müsste aber wieder sichergestellt werden, dass die Daten des Passes auch auf der Visum-Karte verzeichnet sind. Wie schön war doch die Zeit als wir noch Stempel und Heftklammern hatten, hört man aus der Arbeitsgruppe mit nostalgischem Sehnen.

Dabei drängt die Zeit. Bereits 2003 waren die biometrischen Visa mit großem Tamtam im Rahmen des Anti-Terrorkampfes beschlossen worden. 2004 wurden sie noch einmal angemahnt. 2007 soll es nun losgehen. Bis dahin soll auch das Computernetzwerk (VIS) an allen Grenzen der EU laufen. Gleichzeitig werden auch die 450 Millionen EU-Bürger ihre Pässe nach und nach auf chip-bewehrte, funkende Superdokumente umstellen müssen.

Fingerabdruck des Hintermanns

Ach, wird das ein fröhliches RFID-Gewimmel am Flughafen! Vielleicht funkt mein Nachbar mir seinen Fingerabdruck und das Lesegerät erkennt mein Gesicht nicht, weil es denkt, ich sei mein Hintermann in der langen, langen Schlange.