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Norwegen lässt sich nicht einschüchtern

27. Juli 2011

Ministerpräsident Stoltenberg hat für mehr Demokratie nach dem Doppelanschlag plädiert und den Opfern Hilfe zugesagt. Der geständige Attentäter ist in Isolationshaft, die Polizei vernichtete Sprengstoff auf seiner Farm.

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Kerzen und Blumen an einer Gedenkstätte nahe der Insel Utøya (Foto: AP)
Norwegens Bevölkerung trauert weiter um die OpferBild: dapd

Norwegen werde auf die Anschläge am vergangenen Freitag mit noch mehr Demokratie und Offenheit reagieren, sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz zu den Terroranschlägen am Mittwoch (27.07.2011). Gewalt solle nicht mit Gewalt beantwortet werden. Stoltenberg verteidigte nochmals die Arbeit der Polizei gegen die Kritik, sie habe zögerlich gehandelt.

Jens Stoltenberg (Foto: AP)
Norwegens Ministerpräsident Jens StoltenbergBild: AP

Zuvor hatte Stoltenberg den Opfern der Anschläge in Oslo und auf der Ferieninsel Utøya Hilfe zugesagt. "Wir werden alles in unserer Kraft stehende tun, soviel Unterstützung wie möglich zu bieten", sagte Stoltenberg. Norwegen sei ein kleines Land, fuhr er fort, aber es gebe einen starken Zusammenhalt. Sowohl Stoltenberg selbst als auch der König und die Königin hätten mit vielen Opfern und deren Angehörigen gesprochen. Es mache betroffen, dass Menschen am Anfang ihres Lebens auf einem friedlichen Eiland umgebracht worden seien.

Bei dem Doppelanschlag am Freitag wurden 76 Menschen getötet. Der geständige Attentäter Anders Behring Breivik sitzt für acht Wochen in Untersuchungshaft, die ersten vier verbringt er in Isolationshaft.

Mitglied im Schützenclub

Breivik hatte einen Hof in Rena, etwa 160 Kilometer nördlich der Hauptstadt Oslo, nach eigenen Angaben gepachtet, um unauffällig mehrere Tonnen Kunstdünger kaufen zu können. Die Farm liegt in idyllischer Landschaft an einem See. Dünger war einer der Bestandteile der Bombe, die der Attentäter baute und am vergangenen Freitag dann im Regierungsviertel explodieren ließ. Acht Menschen wurden getötet, mehr als 100 verletzt.

Die Polizei entdeckte Mittwochfrüh auf dem Bauernhof des 32-Jährigen weiteren Sprengstoff und brachte ihn kontrolliert zur Explosion. Zur Menge und Art des Sprengstoffs machten die Sicherheitskräfte keine Angaben.

Das Regierungsviertel in Oslo nach der Bombenexplosion vom Freitag (Foto: AP)
Das Regierungsviertel in Oslo nach der Bombenexplosion vom FreitagBild: dapd

Für das Massaker mit mindestens 68 Todesopfern auf der Insel Utøya trainierte der Attentäter in einem Schützenclub in der Hauptstadt Oslo. Der Club teilte auf seiner Internetseite mit, dass Breivik von 2005 bis 2007 und dann wieder von Juni 2010 an Mitglied gewesen sei. "Breivik hat als Mitglied an 13 organisierten Trainingseinheiten mit anderen sowie einem Wettbewerb teilgenommen."

Mit zwei legal erworbenen Waffen, einer Pistole und einem Schnellfeuergewehr, hatte der mutmaßliche Rechtsextremist Jagd auf die Teilnehmer des sozialdemokratischen Jugendlagers gemacht.

Warnung vor rechtsextremen Autonomen

Politiker in Deutschland fordern als Reaktion auf den Doppelanschlag in Norwegen ein schärferes Vorgehen gegen die rechtsradikale Szene und strengere Kontrollen des Internets. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles schlug vor, zur Beobachtung der rechtsextremen Szene im Netz mehr Polizisten einzustellen.

Portrait Hans-Peter Friedrich (Archivfoto: AP)
Innenminister Friedrich ist über die Zunahme gewaltbereiter Rechtsradikaler besorgtBild: dapd

Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Innenminister Friedrich ist über die Zunahme gewaltbereiter Rechtsradikaler besorgt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich wies darauf hin, dass die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten zunehme. "Sorge machen mir insbesondere die sogenannten nationalen Autonomen, die sich zunehmend nach dem Beispiel der Linksautonomen formieren", betonte der CSU-Minister.

Zu den rechtsextremen Autonomen in Deutschland gehören nach dem jüngsten Bericht des Verfassungsschutzes etwa 1000 Personen. Zumeist handele es sich um jugendliche Neonazis aus den Reihen rechtsextremer Kameradschaften, die in Auftreten und Aktionsformen bewusst auf das Vorbild der politisch linken autonomen Bewegung zurückgriffen, sagte ein Sprecher.

Europol erarbeitet Profil zu Rechtsextremismus

Die europäische Polizeibehörde Europol kündigte an, demnächst ein "genaues und aktuelles Porträt des Rechtsextremismus" in Europa vorzulegen. Dabei würden ganz besonders Gruppen aus Nordeuropa analysiert, teilte ein Sprecher der Behörde im niederländischen Den Haag mit.

Europol-Experten unterstützen die norwegische Polizei bei ihren Ermittlungen.

Autorinnen: Susanne Eickenfonder / Olga Kapustina (dpa, afp, dapd, epd, rtr)
Redaktion: Marion Linnenbrink / Herbert Peckmann