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Nordkoreas Unternehmer der Zukunft

Esther Felden5. Februar 2015

Die Wirtschaft könnte für Nordkorea ein Fenster zur Welt werden, meint Andray Abrahamian. Aber dafür müssen die Menschen in der abgeschotteten Diktatur erst ganz grundlegende Dinge lernen.

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Statue des nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il Sung in Pjöngjang (Foto: picture alliance / dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Wie erstellt man einen Businessplan? Wie macht man Produkte zu Marken? Wie bewirbt man sie professionell? Antworten auf Fragen wie diese können in Nordkorea wohl die wenigsten Menschen geben. Es sind Fragen, die in der sozialistischen Kim-Jong-Un-Diktatur mit ihrer fast vollständig von staatlicher Hand kontrollierten Wirtschaft kaum gestellt werden. Zumindest noch nicht. Andray Abrahamian möchte daran etwas ändern. Er ist Geschäftsführer der in Singapur ansässigen gemeinnützigen Organisation "Choson Exchange", die sich darauf spezialisiert hat, wirtschaftliches Basiswissen in Nordkorea zu vermitteln.

Seit 2009 organisiert und veranstaltet "Choson Exchange" Workshops: in der Hauptstadt Pjöngjang, in Wonsan und in Rason. Daneben gibt es Trainingseinheiten außerhalb Nordkoreas. Mehr als 800 Menschen haben daran bislang teilgenommen. Ausgewählt und eingeladen werden sie vor Ort von einer Partnerorganisation. "Allein im vergangenen Jahr hatten wir insgesamt zehn Workshops, sieben davon in Nordkorea ", so Abrahamian gegenüber der Deutschen Welle. Er selbst reist alle paar Monate ins Land. Die Konzeption der Workshops ist eine große Herausforderung, erzählt er. Für alle Beteiligten. Unter den Trainern sind Experten aus der Praxis, beispielsweise Banker von Goldman Sachs oder der Bank of America Merrill Lynch – oder sogar der ehemalige Finanzminister von Singapur.

"Für unsere Trainer ist es immer wieder schwer, das richtige Niveau zu finden. Es gibt ein großes Gefälle unter den Teilnehmern." Einige seien sehr sachkundig, bei anderen könne man kaum etwas voraussetzen. In den Kursen lernen die Teilnehmer einerseits grundsätzliche Dinge über Wirtschaft, Handel und Unternehmertum. Daneben geht es aber auch um Themen wie Stadtplanung und Tourismus oder um den unternehmerischen Umgang mit steigenden Preisen . Und es gibt Kurse speziell zur Förderung von Frauen. "Wir wollen die Menschen mit Fertigkeiten ausstatten, mit denen sie bislang einfach noch nicht in Berührung gekommen sind, die sie aber brauchen, wenn sie als Kleinunternehmer oder auch in größeren Firmen arbeiten wollen."

Abgehängt vom Rest der Welt

In der Realität fehlt es in dem zwar militärisch hochgerüsteten aber verarmten Land an fast allem, nicht einmal die existenziellen Bedürfnisse der Bevölkerung können durch das Regime aus eigener Kraft befriedigt werden. Das liegt auch an den schwierigen naturgegebenen Voraussetzungen, mit denen das Land zu kämpfen hat: wenig landwirtschaftlich nutzbare Fläche, schlechte klimatische Bedingungen. Selbst in guten Erntejahren reichen die Erträge nicht aus. Immer wieder stößt das planwirtschaftliche System an seine Grenzen. Die Infrastruktur ist marode, Devisen sind Mangelware, wettbewerbsfähige Güter werden kaum produziert.

Andray Abrahamian mit Teilnehmern eines Workshops von Choson Exchange, an der Wand Bilder von Kim Il Sung und Kim Jong Il (Foto: Choson Exchange)
Andray Abrahamian (rechts) reist alle paar Monate nach NordkoreaBild: Choson Exchange
wei nordkoreanische Frauen bei der Feldarbeit (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Nur ein Fünftel der Fläche in Nordkorea eignet sich für die landwirtschaftliche NutzungBild: picture-alliance/AP Photo

Wirtschaftssystem mit deutlichen Schwächen

"Die nordkoreanische Wirtschaft ist von einer Vielzahl starker Widersprüche gekennzeichnet", bringt es Rüdiger Frank, Professor am Institut für Ostasienkunde an der Uni Wien, in seinem 2014 erschienen Buch "Nordkorea. Innenansichten eines totalen Staates" auf den Punkt. Auf der einen Seite stehe das hochmoderne und teure Atomprogramm, auf der anderen der chronische Mangel, die niedrige Produktivität und fehlende Innovation. "Dabei bieten die geografische Lage zwischen einigen der größten und dynamischsten Märkte der Welt, die reichen Rohstoffvorkommen und die weitgehend gut ausgebildete, disziplinierte Bevölkerung realistische Chancen für Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg", so Frank.

Traditionell sei die Wirtschaft in Nordkorea vor allem dafür zuständig, dass politische Ziele umgesetzt werden, Privateigentum in der Produktion gebe es nicht. "Markteintritt und der Marktaustritt sind streng reglementiert: Weder kann ein ambitionierter Unternehmer eine Firma gründen, noch werden bankrotte Staatsunternehmen geschlossen." Keine leichten Voraussetzungen also für eine Organisation wie "Choson Exchange". Dabei ist das grundsätzliche Interesse an den Angeboten von "Choson Exchange" im Land prinzipiell sehr groß, erzählt Andray Abrahamian. "Unternehmertum beobachten wir in Nordkorea quer durch sämtliche Gesellschaftschichten. Das fängt ganz unten an: Die Menschen wollen lernen, was sie selbst zu Hause herstellen können und mit welchen Produkten sie Handel treiben können." Das werde – in unterschiedlichem Ausmaß - auch offiziell gebilligt.

Veränderungen im Kleinen

Tatsächlich hat das nordkoreanische Regime seit der großen Hungerkatastrophe in den neunziger Jahren, bei der nach Schätzungen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA rund eine Million Menschen ums Leben kamen, Vorschriften gelockert. So ist es beispielsweise seit einigen Jahren erlaubt, Waren gegen eine Standgebühr auf Märkten anzubieten und privat zu verkaufen. "Und staatliche Unternehmen bekommen mehr Freiheiten im Bereich Management, können auch Tochterfirmen gründen, die schon an Privatunternehmen erinnern", hat Andray Abrahamian bei seinen regelmäßigen Besuchen im Land beobachtet. "Es gibt mittlerweile eine relativ große Grauzone, in der privatwirtschaftsähnliche Unternehmen existieren."

Luftaufnahme des Industriekomplexes in Kaesong (Foto: Getty Images)
Der gemeinsam mit Südkorea betriebene Industriepark Kaesong ist ein wirtschaftliches Prestigeprojekt – im Zuge der Spannungen im Jahr 2013 ruhte dort monatelang die ProduktionBild: Getty Images

Vieles von dem, was die Teilnehmer in den Workshops lernen, können sie in ihrem Alltag gebrauchen und praktisch einsetzen, davon ist der Brite überzeugt. Anderes dagegen bleibt wohl vorerst noch exotisch klingende Theorie. So erfahren die Nordkoreaner beispielsweise auch etwas über Online-Handel. "Das können sie natürlich nicht selbst anwenden. Aber trotzdem ist es wichtig zu wissen, was in anderen Märkten passiert."

Schwieriges Arbeitsumfeld

Natürlich ist die nordkoreanische Regierung immer über alles, was "Choson Exchange" an Schulungsmaßnahmen durchführt, informiert. Nichts geht ohne offizielle Genehmigung. "Das Überwachungssystem ist sehr stark, das spüren wir auch", berichtet Abrahamian. Trotzdem zieht er bislang ein positives Fazit der Arbeit im Land. "Sicher ist die Lage in Nordkorea sehr kompliziert. Aber insgesamt würde ich sagen, dass man mit Engagement und Durchhaltevermögen auch Vertrauen aufbauen und etwas erreichen kann."

Die Rückmeldungen seien bislang positiv, sagt Andray Abrahamian. "Wir haben insgesamt sehr gutes Feedback bekommen. Der Wissensdurst der Menschen ist groß."