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'Schlimme Gewalt'

Miodrag Soric führte das Gespräch.23. November 2007

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), ruft zum Kampf gegen Gewalt an Frauen auf. Diese Gewalt sei ein Angriff gegen die Menschenwürde, sagte er im Gespräch mit der Deutschen Welle.

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Günter Nooke (r.) beantwortet Fragen von Miodrag Soric
Günter Nooke (r.) beantwortet Fragen von Miodrag Soric

DW-WORLD.DE: Die Menschenrechtslage ist in vielen Teilen der Welt prekär. Wann haben Sie zuletzt das Gefühl gehabt, in Ihrem Amt etwas erreichen zu können?

Günter Nooke: Es ist so, dass viele Menschen sich einfach schon freuen, wenn ihre Probleme von Staaten, die ihnen wichtig vorkommen, und dazu gehört Deutschland in fast allen Teilen der Welt, wahrgenommen werden. Viele Menschenrechtsverletzungen bekommt ja die Öffentlichkeit in Deutschland und in der westlichen Welt gar nicht mit. Wenn man dorthin reist und Menschenrechtsaktivisten vor Ort das Gefühl gibt, sie sind nicht alleine, sie werden gehört, sie werden dadurch, dass sie empfangen werden in einer deutschen Residenz zum Bespiel, auch mit einem gewissen Schutz und einer Öffentlichkeit versorgt, so dass sie einfach wissen, sie sind nicht ganz alleine in ihrem Kampf, das ist schon etwas. Und dann können Sie sie natürlich neben dem Reden und der verbalen Unterstützung auch ein bisschen mit kleinen Projekten unterstützen in ihrer Arbeit vor Ort, ob es nun um Bekämpfung der Armut oder um Demokratieförderung oder einfach nur darum geht, dass man die simpelsten Voraussetzungen hat, um in verschiedenen Regionen dieser Welt überhaupt zu politischer Arbeit befähigt zu werden. Das, finde ich, ist etwas, was ganz gut geht. Und ich würde noch einen Punkt erwähnen: Ich glaube, dass der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung auch wichtig ist für die Debatte, die in Deutschland anfangen muss über Außenpolitik, über strategische Interessen, die wir haben. Menschenrechte sind so etwas wie eine weitsichtigere Realpolitik, die durchaus im gut verstandenen europäischen und deutschen Interesse ist. Da wäre es natürlich auch hilfreich, wenn wir ein bisschen lernen, nicht nur über das Geld, das wir im Ausland ausgeben, zu klagen, sondern zu sagen, wo wollen wir es ausgeben, und müssen wir nicht sogar noch mehr ausgeben, und wäre das langfristig nicht dann in unserem Interesse, denn da, wo Demokratie und Freiheit wächst, da sind auch wirtschaftliche Interessen besser aufgehoben.

Sie kommen gerade aus Afrika zurück. Fällt ihnen da etwas Konkretes ein, wo sie sagen, hier habe ich wirklich etwas bewirken können?

Ich war vorgestern in Conakry. Wir sind auf eine Insel gefahren, wo ein Militärgefängnis mit politischen Häftlingen ist, und da gibt es keinen Zugang. Ich war mit einer Frau von einer NGO, die uns begleitete, zusammen mit dem Botschafter vor den Toren dieses Gefängnisses, und ein Unteroffizier kam heraus und sprach mit uns. Er sagte, am Montag nächster Woche soll die Frau nochmal wiederkommen, vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass auch der Chef dann da ist und man vielleicht den Gefangenen hilft, ihnen die Grundversorgung, was Medikamentenversorgung angeht, zukommen lässt oder vielleicht ein bisschen hilft, einen Garten anzulegen und Selbstversorgung zu betreiben, denn viele, die dort leben, die kennt niemand, die sterben einfach, ohne dass sie jemals ein Urteil gesehen haben oder dass das Urteil vielleicht gerechtfertigt gewesen wäre. Diese Insel Cassa vor Conakry in Guinea ist so ein Beispiel, wo vielleicht ein kleiner Besuch eines Beauftragten, eines Botschafters mit ein paar anderen dann Bewegung in ein ziemlich geschlossenes und diktatorisches System in Guinea an einer konkreten Stelle bringen kann.

Lesen Sie weiter: "Kongo ist ein ganz trauriges Beispiel."

Was kann getan werden, um die Menschenrechtslage etwa im Kongo zu verbessern?

Kongo ist ein ganz trauriges Beispiel, insbesondere eben die Situation im Nord-Kivu im Osten Kongos, auch in Süd-Kivu, das sind die Provinzen, die an Ruanda angrenzen. Ich glaube, dass es wirklich wichtig war, dass wir in New York eine Resolution verabschiedet haben, dass nicht sein kann, dass Vergewaltigungen von Frauen, Massenvergewaltigungen als kriegerisches, strategisches, systematisches Folterinstrument verwandt werden. Ostkongo ist das Beispiel, wo das heute wahrscheinlich am schlimmsten auf der Welt eingesetzt wird von verschiedenen politischen Gruppen. Auch die Sicherheitskräfte der Armee, der Polizei sind daran beteiligt, Rebellengruppen, Hutu-, Tutsi-Milizen, die dort in den Wäldern, im Dschungel liegen. Ich denke, dass man sich das, was dort geschieht, gar nicht wirklich bewusst machen kann. Mir ist von einer Frau, die ich im Februar im Osten Kongos selbst getroffen habe, noch mal jetzt hier in Deutschland berichtet worden, dass selbst die Frauen in einer Art und Weise gedemütigt werden, und ich will es einfach mal aussprechen, was sie mir gesagt hat, dass man ihnen quasi die eigenen Kinder wieder vorsetzt und Kannibalismus als Mittel eingesetzt wird, einfach um Frauen völlig zu zerstören, nicht nur vergewaltigen, nicht nur irgendwie demütigen, sondern sie wirklich zugrunde richten in jeder Hinsicht, was unser Verständnis von Würde und Menschenrechten betrifft. Das ist so schlimm, dass ich einfach möchte, dass wir auch wissen, dass wir hier nicht nur zuschauen können, sondern dass hier auch die internationalen Einheiten der Vereinten Nationen, die dort vor Ort sind, natürlich ihr Mandat ausschöpfen müssen und mutig genug sein müssen, dann auch einzugreifen, denn wir können nicht wirklich vor Ort sein und so viel an Menschenrechtsverletzungen einfach weiter dulden. Das diskreditiert auch unsere internationale Politik und die internationalen Gremien.

Warum werden Staaten wie Äthiopien, die Pressefreiheit unterdrücken, mit deutscher Entwicklungshilfe unterstützt?

Wir hatten gerade eine Anhörung im Deutschen Bundestag, wie weit Entwicklungshilfe und Menschenrechte doch zusammengehören oder sich beeinflussen, und als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung will ich sagen, dass ich sehr wohl, aber dann ganz konkret und für jedes Land spezifisch diskutiert, mir eine Konditionierung von Entwicklungshilfe bezogen auf Menschenrechtsverletzungen vorstellen kann, und das passiert zum Teil auch im Entwicklungsministerium von Frau Wieczorek-Zeul, wo man also durchaus nicht mehr alle Systeme unterstützt. Aber es ist natürlich nicht ganz einfach, Sanktionen zu verhängen, wenn sie die Mächtigen nicht treffen, sondern nur die Bevölkerung. Daher gibt es immer auch eine Abwägung, welche Entwicklungshilfe an welcher Stelle wird weitergezahlt, und wir müssen einfach sehen, dass wir vor Ort an die Leute herankommen, dass wir vielleicht auch mehr kleinere Projekte machen als die großen Veranstaltungen, die dann über zentrale Stellen bei der Regierung oder den Provinzen abgewickelt werden. Wir wissen eben leider, dass in Afrika fast alle Staaten mehr oder weniger korrupt sind. Wenn Sie sich den Index der Korruption bei Transparency International angucken, dann wahrnimmt, auch so Länder wie Guinea, wo ich eben gerade herkomme, oder Mali, das, was Menschenrechtsverletzungen angeht, sicher ein Land ist, was nicht so im Fokus steht, dann sind das Länder, die hochkorrupt sind. Man muss sich natürlich auch die Entwicklungsprojekte, die wir machen, sehr genau ansehen. Das geschieht in der Regel, aber ich glaube, dass wir eine bessere Koordination brauchen, dass man uns nicht gegeneinander ausspielt, die Mittel der Europäischen Union, das, was vielleicht jetzt China dort mitbringt an Geldern oder Bautätigkeiten in Afrika, Mittel der Vereinten Nationen. Wenn es aus meiner Sicht dort vorangehen sollte, dann, glaube ich, braucht unsere Entwicklungshilfe einerseits eine bessere Konditionierung, aber auch einen längeren Atem. Ich glaube, die Projekt-Denkweise über zwei, drei Jahre ist vielleicht zu kurz. Wir müssen uns mit Afrika mehr Zeit nehmen und in Jahrzehnten, 10, 20 Jahre vielleicht, denken, und auch Verantwortlichkeiten vielleicht klarer belegen, so dass man zusammen mit den Regierungen wirklich die Nachwuchskräfte ausbildet, die Leute, die die Verantwortung in den Ländern haben, schult, aber ihnen auch ganz klar sagt, wenn das Geld in die falschen Kassen fließt, dann können wir nicht mehr zahlen. Wir müssen hier eine andere Art und Weise finden, dass wirklich Armut bekämpft werden kann. Was ich im Menschenrechtsrat in Genf erlebe, ist, dass gerade von afrikanischen Staaten, vom Süden immer wieder gesagt wird, wir müssen Armut bekämpfen. Das Recht auf Entwicklung ist ganz wichtig für uns. Wenn ich vor Ort bin, merke ich, dass die politischen Beteiligungsrechte, die bürgerlichen Freiheitsrechte oft schon entscheidend sind. Wenn die Leute nicht sagen können, was sie denken, wenn sie nicht in der Lage sind, überhaupt ihren Mund aufzumachen, dann können sie auch nicht sagen, dass sie zu essen haben wollen oder dass das Wasser schlecht ist oder der Strom wegfällt. Insofern ist diese Gegenüberstellung "Entwicklungshilfe oder Menschenrechte" nicht richtig. Es geht in der Regel um gute Regierungsführung, und die lernt man nicht von heute auf morgen in einem Wochenseminar, sondern die lernt man, indem man sich verantwortlich fühlt für sein eigenes Land. Vielleicht muss die internationale Gemeinschaft nicht anonym als internationale Gemeinschaft oder Europäische Union aktiv sein, sondern vielleicht brauchen wir Partnerschaften in dem Sinne, dass wieder bilateral Staaten auch Patenschaften - würde man vielleicht sogar auch böse sagen - übernehmen, und auch dann in der deutschen Öffentlichkeit einfach kontrolliert wird, die Gelder, die dorthin fließen, sind gut ausgegeben, und dann würde man sich hier als deutscher Steuerzahler ja vielleicht ärgern, dass dort Entwicklungsgelder nicht richtig eingesetzt werden, vielleicht sogar Korruption eine Rolle spielt. Solange das unsere Pauschalüberweisungen an die EU und Vereinten Nationen nur sind, da sagt man, das Geld ist eh weg. Also ich glaube, die Debatte hat noch nicht richtig angefangen. Es ist nicht meine Aufgabe als Menschenrechtsbeauftragter, die jetzt selbst zu führen, aber ich glaube, Menschenrechtsverletzungen kann man nicht wirklich bekämpfen und Menschenrechtsschutz verbessern, wenn nicht ein Mindestmaß an guter Regierungsführung vorhanden ist, und Ostkongo, wo wir drüber gesprochen haben, diese Gewalt gegen Frauen dort, die hat einfach damit zu tun, dass jegliche staatliche Struktur fehlt.

Lesen Sie weiter: Über die Menschenrechtsverletzungen in Birma und Rückschritte in Russland.

Blicken wir nach Birma. Dieses Land ist ja in den Mittelpunkt des Interesses gerückt, weil es Demonstrationen gegeben hat. Inzwischen ist es tatsächlich ruhiger geworden. Gerät das Land schon wieder in Vergessenheit?

Die EU hat gerade einen Sonderbeauftragten für Myanmar, Birma, benannt, und ich werde ihn auch nächste Woche treffen. Ich hoffe nicht, dass es schon wieder aus dem öffentlichen Fokus heraus ist, sondern ich wünsche mir natürlich, dass der Druck auf die Militärjunta dort erhalten bleibt. Da haben natürlich wir hier in der westlichen Welt eine wichtige Funktion, aber die regionalen Mächte, und dazu gehört nicht nur China sondern auch Indien, sind sehr wichtig, dass sie diesen Druck aufrecht erhalten, und mein Wunsch wäre schon, dass Birma nicht vergessen wird, sondern als ein Beispiel dient, das zeigt, dass Menschenrechte nicht an Religion oder an bestimmte Kulturen gebunden sind, sondern dass sie eben doch universell und unteilbar sind, weil, wenn Mönche einfach friedlich auf der Straße sagen, dass sie nicht genug zu essen haben oder dass sie mit den bestehenden Verhältnissen nicht einverstanden sind, dann ist das eben etwas ganz Wichtiges, dass sie das dürfen und dass eine Regierung dann nicht in die Massen schießt und diese friedlich demonstrierenden Menschen umbringt.

Ich glaube, auf solch einfache Menschenrechtsstandards kann man sich weltweit sehr schnell einigen, dass die einen im Recht sind und die anderen im Unrecht, die da schießen. Und da muss man nicht über Religion und kulturelle Bedingtheit von angeblich asiatischen Werten philosophieren. Das alles ist an der Stelle, wo es um das simple Recht auf Leben und Überleben geht, meines Erachtens falsch, und das hat Birma gezeigt, und deshalb ist Birma auch so wichtig, dass sich dort Veränderungen vollziehen.

In Russland wird bald gewählt. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf die bevorstehenden Parlaments- und dann Präsidentschaftswahlen in Russland?

Russland ist natürlich, was Menschenrechte angeht, ein Beispiel dafür, dass es auch in Gesellschaften, die eigentlich unser europäisches Werteverständnis nicht nur teilen, sondern mitgeprägt haben, wenn man an die vielen russischen Intellektuellen, Musiker, Maler, Schriftsteller denkt, dass es auch in solchen Gesellschaften wieder rückwärts gehen kann. Die Menschenrechtslage in der russischen Föderation hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert, sondern verschlechtert. Und die Lage ist in vielerlei Hinsicht doch so, dass der Kreml, die Regierung, mehr oder weniger die öffentliche Meinung bestimmt und damit auch letztlich all diejenigen, die substantielle Veränderungen wollen, was bürgerliche Freiheitsrechte und politische Beteiligungsrechte angeht, sehr schnell diskreditiert werden. Kasparow ist als Schachspieler bekannt und hat in Russland fast Beckenbauer-Status. Der Westen hat ihn als Politiker gekannt, aber im russischen Fernsehen ist er da nie irgendwie überhaupt öffentlich gesendet worden. Und insofern, glaube ich, haben wir hier eine Situation, die formal sogar eine demokratisch richtige Wahl ergeben könnte, obwohl ja die OSZE jetzt gesagt hat, wir fahren dort nicht mehr hin, weil man uns viel zu spät eingeladen hat und alle Vorbereitungen für eher unregelmäßige Wahlen schon im Vorfeld getroffen wurden, lohnt es auch nicht, am Wahltag noch da zu erscheinen zu den Duma-Wahlen, so dass es also eine Situation gibt, dass man sagen muss, diese Wahlen sind einfach durch die Medienmacht, die Kreml und Oligarchen in Russland haben, im Grunde entschieden. Die Gespräche, die ich mit russischen Oppositionsleuten wie Jablinsky oder Ryschkow hatte, die haben mir gesagt, hier kann im Grunde jeder der nächste Präsident werden. Wenn die Medienmacht des Kremls und von Gazprom und anderen diesen Mann promotet, dann wird er in ein oder drei Monaten auf jeden Fall zum Präsidenten gewählt. Das ist überhaupt keine Frage, wenn er die Unterstützung von Putin hat. Und jetzt müssen wir eben sehen, wie die Duma-Wahlen ausgehen und was danach folgt. Ich gehe davon aus, dass Putin sicher weiter eine wichtige Führungspersönlichkeit in der russischen Föderation bleibt, und insofern kann man ihn nur daran erinnern, was er im Deutschen Bundestag 2001 gesagt hat, wir teilen die gemeinsamen gleichen Werte, und dann erwarten wir einfach, dass er sich auch daran hält.

Lesen Sie weiter: Die Rolle der Birthler-Behörde.

Ein wichtiges Thema in der Berichterstattung der Deutschen Welle, insbesondere für Mittel- und Südosteuropa, ist der Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit und dem Erbe der Geheimdienste. Die deutsche Birthler-Behörde dient ja oft als Beispiel. Welche Bedeutung messen Sie der Birthler-Behörde bei, und wie sehen Sie ihre Zukunft?

Ich halte die Birthler-Behörde oder eben unseren Umgang mit dem Archiv des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR für doch durchaus beispielhaft, einfach dadurch, dass dieses Archiv nicht vernichtet wurde und öffentlich, oder mehr oder weniger öffentlich, zugänglich ist. Es ist im Grunde das größte Archiv über das alltägliche Leben von Menschen in einer Gesellschaft über 40 Jahre. So ein Archiv über das normale Leben von Menschen gibt es nirgends noch einmal. Also, es ist nicht nur ein Denunziationsarchiv, es ist nicht nur ein Abhörarchiv, sondern es enthält ja Liebesbriefe und alles mögliche, also den kulturellen Reichtum dieses ganzen Archivs, den will ich nochmal betonen, und das andere, wir brauchen ihn natürlich auch, um deutlich zu machen, dass hier nicht jeder behaupten kann, er hätte mit der Staatssicherheit nichts zu tun gehabt oder jeder andere jemand beschuldigen kann, obwohl es nicht stimmt. Also wir brauchen den Zugang zu den Akten weiter, und ich glaube, wir brauchen auch noch Forschung in dem Bereich, aber wichtig ist mir, dass die Staatssicherheit nicht in dem Licht erscheint, als seien sie für alles verantwortlich gewesen.

Die Theorie und die Praxis im Marxismus-Leninismus haben schon übereingestimmt, und die Führung hatte die Partei der Arbeiter und Bauern und das Politbüro dieser Partei. Da saßen die Verantwortlichen für die Staatssicherheit. Wenn man nur über diese Birthler-Behörde und die Stasi-Akten redet, geht das ein bisschen unter, dass hier die Kommunistische Partei schon die Verantwortung hatte. Aber das Archiv ist natürlich auch ein Beispiel dafür, dass man in Deutschland sich auch nicht ganz einfach damit tut, selbst mit der Aufarbeitung von Geschichte. Nicht, wenn unliebsame Wahrheiten rauskommen, wenn es Menschen betrifft, die eigentlich vertrauenswürdig waren und dann gesagt wird, sie haben doch mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet. Aber auch, wenn es genutzt wird, um alte Rechungen zu begleichen. Je transparenter und je öffentlicher - auch für Forschung und Forscher - das Archiv zugänglich ist, umso einfacher ist es, das auch weiter zu rechtfertigen, und ich hab' meine Sorgen, wenn man zu schnell das Ganze ins Bundesarchiv eingliedert und nicht auch entsprechende Mittel bereitstellt, die Akten weiter zu archivieren, zu erfassen und zugänglich zu machen, dass dann viel verloren geht.

Also, das Entscheidende ist nicht, unter welcher Struktur die Birthler-Behörde weiterarbeitet, sondern das Entscheidende ist, dass endlich die Akten sauber archiviert werden, dass man Zugang hat, dass die Findbücher, diese ganzen Sachen es ermöglichen, wirklich Recherchen zu betreiben und das Archiv wirklich in seiner ganzen Breite nutzen zu können. Und natürlich persönlich würden mich auch die einen oder anderen Säcke mit den zerrissenen Akten interessieren, weil da vielleicht noch etwas Aktuelles aus den 80er-Jahren drin ist. Insofern lohnt es schon, noch dafür Geld auszugeben, aber ich glaube, die Organisation und wie das passiert, da ist vieles noch verbesserungswürdig, und da wünsche ich Frau Birthler auch wirklich, dass sie sich da in ihrem Haus starkmacht, dass nicht nur einfach eine Behörde als Behörde weiterarbeitet, sondern dass der Sinn, möglichst vielen den Aktenzugang zu erlauben, und das unabhängig von politischem Wohlgefallen oder auch nicht, das dann erfolgt. Das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt. Dann kann das auch irgendwann ins Bundesarchiv, aber das wäre nicht meine erste Debatte.