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Noch keine Normalität zwischen Deutschland und Israel

Peter Philipp12. Mai 2005

Am 12. Mai jährte sich der Tag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zum 40. Mal. Auch vier Jahrzehnte nach diesem "Brückenschlag" ist das Verhältnis zwischen den Ländern sehr komplex.

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Haben sich im Laufe der Jahre angenähert: Israel und DeutschlandBild: AP/DW

Politisch ist Deutschland in Europa inzwischen Israels wichtigster Verbündeter und wirtschaftlich hinter den USA Handelspartner Nummer zwei. Jenseits der Politik hat sich ein enges Geflecht persönlicher und kultureller Beziehungen zwischen Menschen in den beiden Staaten herausgebildet, die das "besondere Verhältnis" mit Leben erfüllen.

Willy Brandt
Willy Brandt: Motor der israelisch-deutschen BeziehungenBild: dpa

Dieses "Besondere" betonte auch der damalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt bei seiner Rede im Jahr 1973 vor dem Europäischen Parlament: "Was insbesondere die deutsch-israelischen Beziehungen angeht, so wird jedermann verstehen, wenn ich auch hier sage, dass sie einen besonderen Charakter haben. Diese Charakteristik bleibt unangetastet. Für uns kann es zumal keine Neutralität des Herzens und des Gewissens geben."

Deutsche Waffen an Israel

Offizielle diplomatische Beziehungen mit Israel gab es zu dem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren, diese Beziehungen hatten aber einen besonderen Stellenwert in der deutschen Außenpolitik. Obwohl es bereits 1960 zu dem historischen Treffen zwischen dem israelischen Staatsgründer David Ben Gurion und dem damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer im New Yorker "Waldorf Astoria" Hotel gekommen war, obwohl beide Staaten in Luxemburg 1952 das Wiedergutmachungsabkommen besiegelt hatten und obwohl es bereits diverse Kontakte zwischen beiden Staaten gab. Auch geheime Kontakte. Unter anderem auf militärischem Gebiet: Deutschland lieferte Israel Waffen.

Treffen Konrad Adenauer - Ben-Gurion, 12.05.2005 diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel
Guter Dinge sind der israelische Premierminister David Ben-Gurion (l.) und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer bei einem Treffen im New Yorker Waldorf-Astoria Hotel am 14.03.1960Bild: dpa

Adenauer war zunächst interessiert, diese Kontakte auch auf den Austausch von Botschaftern auszuweiten. Jerusalem lehnte aber ab. Es waren noch keine zwanzig Jahre nach Auschwitz und vielen erschien es zu früh, Beziehungen mit Deutschland aufzunehmen. In Köln etablierte man aber eine "Handelsmission" - gleichsam eine Ersatzbotschaft. Diese war in erster Linie dafür zuständig, mit Wiedergutmachungsgeldern in Deutschland Güter einzukaufen, die der junge Staat Israel brauchte.

Arabische Staaten brachen Beziehungen mit Bonn ab

Dass sich darunter auch Waffen befanden, wurde erst Anfang der sechziger Jahre ruchbar. In Bonn begann man sich deswegen Sorgen um die Beziehungen zur arabischen Welt zu machen. In der Tat: Der ägyptische Präsident Nasser lud DDR-Chef Walter Ulbricht Anfang 1965 nach Kairo ein und Bonn reagierte: Bundeskanzler Erhard bot Israel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen an - obwohl Nasser gedroht hatte, dies würde zur Anerkennung der DDR führen.

Deutscher Botschafter in Israel 1965 akkreditiert
Als erster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland überreicht Dr. Rolf Pauls (l) am 19. August 1965 dem israelischen Staatspräsidenten Salman Schasar sein BeglaubigungsschreibenBild: dpa

Die DDR wurde nicht anerkannt. Dafür aber brachen die meisten arabischen Staaten ihre Beziehungen mit Bonn ab, als am 12. Mai 1965 offiziell die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel verkündet wurde.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Wegen des ungeklärten Status von Jerusalem eröffnete bald darauf in Tel Aviv eine deutsche Botschaft und ein erster israelischer Botschafter kam an den Rhein. Es war Ascher Ben Natan, ehemals Mitarbeiter des Verteidigungsministers und als solcher an Waffenlieferungsverhandlungen mit Deutschland beteiligt. Kurz nach seiner Ankunft zeigte er sich zufrieden mit seinem Empfang in Deutschland und er betonte, wie wichtig ihm die Beziehungen gerade für die Jugend beider Länder seien: "Die Jugend ist nicht verantwortlich für die Taten der Väter. Die Jugend sollte wissen, was passiert ist. Die Jugend in beiden Ländern muss versuchen, eine bessere Zukunft miteinander aufzubauen."

Lesen Sie im zweiten Teil, wie sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern verbesserten und wie Deutschland zum wichtigsten europäischen Partner Israels wurde.

Beziehungen verbessern sich

Im Laufe der Jahre gewöhnten sich die arabischen Staaten daran und schickten ihre Botschafter wieder zurück nach Bonn. Und auch in Israel wurden die diplomatischen Beziehungen immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Yohanan Meroz, Direktor des Jerusalemer Außenministeriums, definierte die Beziehungen bald als "ausgezeichnet, aber nicht normal". Jahre später erklärte er - inzwischen selbst Botschafter in Deutschland - was er damit meint:

Yohanan Meroz, ehemaliger israelischer Botschafter
Yohanan Meroz hält die Beziehung zwischen den beiden Staaten für "ausgezeichnet, aber nicht normal"Bild: dpa

"Ich glaube, dass sich die Beziehungen weitgehend normalisiert haben, ohne dass sie heute bereits normal sind." Präzisierend fügt er hinzu: "Wenn ich 'normalisiert' sage, so denke ich in der Tat an einen Vorgang. 'Normal' ist bereits das Endresultat. Ein Endresultat, bei dem natürlich auch historische, moralische und gefühlsmäßige Komponenten ihre Rolle haben." Meroz glaubte aber, dass die beiden Staaten auf dem Weg der völligen Normalisierung seien. Dabei betonte er aber nochmals, dass in dieser Generation die Beziehungen noch nicht endgültig normal sein können.

Deutschland ist Israels stärkster Partner in Europa

Deutschland entwickelte sich über die Jahre zu einem der zuverlässigsten Freunde Israels in Europa. Trotz gelegentlicher Missstimmung über Politikeräußerungen und trotz der Tatsache, dass die deutsche Politik keineswegs immer unterstützte und gut hieß, was verschiedene israelische Regierungen tun.

Eine aktive Rolle bei den Bemühungen um einen Nahostfrieden übernahm Deutschland allerdings nie. Zumindest solange nicht, wie Israelis und Palästinenser im Oslo-Abkommen nicht wenigstens selbst Bereitschaft dazu erkennen ließen. Seitdem ist auch die deutsche Politik in Nahost aktiver geworden und man versucht immer wieder zu helfen. Wobei man natürlich auch in Berlin weiß, dass nicht Deutschland und nicht Europa, sondern in erster Linie die Vereinigten Staaten den Einfluss haben, den es braucht, um die festen Fronten in Bewegung zu bringen.

Historische Verpflichtung

Dabei hat Deutschland keinen Frontenwechsel vorgenommen: Wenn man Israelis und Palästinensern zu einer friedlichen Lösung ihres Konfliktes verhelfen will, dann kann das als konsequente Fortsetzung der historischen Verpflichtung gesehen werden, die Deutschland den Juden und auch Israel gegenüber empfindet. Oder, in den Worten des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl: "Man will die Geschichte nicht vergraben und vergessen. Das will niemand, das wäre auch ganz schlimm. Aber wir gehen nach dem Satz: Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, begreift die Gegenwart nicht und kann keine Zukunft gestalten."