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"China will ein Solarmonopol"

Gero Rueter6. Juni 2013

Modulhersteller in Europa leiden unter Chinas Solar-Subventionen. Milan Nitzschke, Konzernsprecher von Solarworld, brachte das Antidumpingverfahren gegen China ins Rollen. Er sieht die EU-Strafzölle als Lichtblick.

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Milan Nitzschke , Konzernsprecher von Solarworld. (Foto: Solarworld)
Milan Nitzschke , Konzernsprecher von SolarworldBild: Solarworld

Deutsche Welle: Herr Nitzschke, was sind ihre Vorwürfe gegen die chinesische Regierung?

Milan Nitzschke: Chinas Regierung finanzierte ihre Solarindustrie mit rund 200 Milliarden Euro in den letzten Jahren. Damit werden Dumpingpreise finanziert - das heißt Preise, die unter den eigenen Herstellungskosten liegen. Damit kann niemand auf der Welt konkurrieren. Wer Produkte unterhalb der eigenen Herstellungskosten anbietet, macht mit jedem Verkauf einen Verlust. Das können sich marktwirtschaftliche Unternehmen nicht leisten. In China buttert der Staat aber immer wieder rein - so hat China fast ein Monopol im Solarbereich aufgebaut.

Wie sieht das Reinbuttern konkret aus?

Das beginnt zum Beispiel mit direkten Subventionen in die Fabriken, die ihren Strom dann komplett umsonst bekommen. Richtig interessant wird es aber bei den Krediten durch die Staatsbanken. Sie haben die Anweisung, die Solarunternehmen zu fördern. Es gibt Schätzungen, dass keins der Top-Fünf-Unternehmen aus China überhaupt noch lebensfähig wäre, ohne dass die chinesischen Staatsbanken immer wieder Kredite zur Verfügung stellen.

Wie viel teurer wären denn die Solarprodukte aus China ohne diese Subventionen?

Etwa doppelt so teuer wie heute. Denn dann würden sie auf den tatsächlich Herstellungskosten basieren. Zurzeit verkaufen chinesische Anbieter 30 bis 50 Prozent darunter - der Rest ist Verlust, der vom chinesischen Staat getragen wird.

Wären ohne diese Subventionen die europäischen Module konkurrenzfähig?

Die europäischen Produkte sind technologisch voll konkurrenzfähig. Wir haben die am stärksten automatisierten Fertigungen! Alles, was in China zurzeit eingesetzt wird, war vorher schon in Deutschland im Einsatz und ist hier entwickelt worden. Wir sind also voll wettbewerbsfähig - aber nur dann, wenn wir nicht gegen den chinesischen Staat konkurrieren, sondern gegen Unternehmen. Genau das tun wir im Moment nicht, weil der Staat die Unternehmen mit Milliardenbeträgen versorgt.

Die europäische Solarindustrie ist von Pleiten geschwächt. Helfen da noch die Zölle?

Für diejenigen, die ihre Fabriken bereits schließen mussten, kommt das zu spät - für alle anderen kommen die Zölle gerade rechtzeitig. Aber es ist in der gesamten Solarbranche schon seit ein, zwei Jahren fast nichts mehr investiert worden, weil keiner mehr Geld hatte. In China schon mal gar nicht, weil dort inzwischen eine Produktionskapazität aufgebaut wurde, die doppelt so groß ist wie die weltweite Nachfrage. Da wird niemand auf die Idee kommen, neue Technik einzuführen, eine neue Fabrik zu bauen oder eine neue Maschine zu kaufen.

In Asien boomt der Solarmarkt jetzt - leiden die Nachbarn auch unter Dumping?

Es gibt durchaus gute Hersteller in Südkorea, in Thailand, in Malaysia und in Indien. Firmen, wie LG Electronics, von denen wir wissen, dass die ordentliche Sachen machen. Aber selbst sie haben erklärt, dass sie nicht gegen chinesisches Dumping ankommen können.

Das, was China macht, ist ein Durchziehen auf dem weltweiten Solarmarkt und ein Zurückdrängen und Zerstören jeglicher Solarinfrastruktur. Am Ende haben deutsche und weltweite Kunden nur noch die Auswahl zwischen fünf, sechs chinesischen Produkten. Aber wir wollen einen internationalen fairen Wettbewerb.

Warum investiert China so intensiv in diesen Bereich?

China hat erkannt, dass der weltweite Solarmarkt wächst und dass man dort nicht nur auf die traditionellen Technologien setzen will, die man nach und nach übernimmt, sondern dass man mit einer der Zukunftstechnologien dabei sein und diese dominieren will, bevor der Markt überhaupt eine entsprechende Größe hat. Der Solarmarkt soll - so die Idee Chinas - nach Möglichkeit komplett übernommen werden, bevor er nachher eine Größe hat, in der es dann schwieriger wird.

Jetzt gibt es die vorläufigen Strafzölle, was ist Ihre Überlebensstrategie?

Diese Antidumpingzölle sind ja keine Bestrafung, sondern ein Ausgleich für unzulässiges Dumping. Sie stellen den fairen Wettbewerb wieder her. In fairem Wettbewerb brauchen wir uns vor niemandem zu fürchten - im Gegenteil, da sind wir bestens für ausgestattet, weil wir die modernste Fabrik weltweit haben! Wir arbeiten weiterhin daran, die Kosten zu senken, weil wir Topprodukte haben. Wir freuen uns aber auch darauf, wenn beispielsweise südkoreanische Wettbewerber auf den Markt kommen und wir uns mit ihnen messen können. Messen im Sinne von Qualität und Leistungsfähigkeit! Da rechnen wir uns für Solarworld und für die gesamte europäische Industrie große Chancen aus.

Wie sehen Sie das Verhalten der Bundesregierung?

Die Bundesregierung verhält sich diplomatisch. Meine Sorge ist nur, dass Frau Merkel und ihre Regierung von China nicht mehr ernst genommen werden. Wenn man zu frühzeitig sagt "Wir wollen ja in Wahrheit gar keine Zölle, wir wollen vielmehr eine große Freundschaft haben" - das ist zwar eine nette Geste, aber dann wird China nie zu Verhandlungen erscheinen.

Deswegen bin ich froh, dass die EU-Kommission es anders macht und die vorläufigen Zölle erhebt und verhandeln will. Aber ich habe ernsthaft Angst, dass am Ende die große Staatswirtschaft China - die aktuell reichste Staatswirtschaft der Welt - glaubt, sie könne mit Deutschland und anderen Mitgliedsstaaten der EU umspringen, wie sie will, dass sie das Recht brechen kann und am Ende nicht dafür belangt wird. Das hieße, dass wir uns dauerhaft in einer Abhängigkeit von China befänden und das würde am Ende alle Industrien treffen - nicht nur die Solarindustrie.

Milan Nitzschke ist Konzernsprecher vom deutschen Solarkonzern SolarWorld und Präsident der europäischen Solarhersteller-Initiative EU Pro-Sun. Bis 2007 war Milan Nitzschke Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) in Deutschland.