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COP23: Kohle ist sowas von gestern

Jennifer Collins | Louise Osborne
16. November 2017

Nationale Klimaverpflichtungen und die Schaffung des Regelwerks für das Übereinkommen von Paris sind die Kernthemen der COP23 Klimakonferenz in Bonn. DW erfährt vom Klimaexperten Niklas Höhne das Neueste.

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Rauchende Schornsteine eines Kohlekraftwerkes in China.
Bild: Getty Images/K. Frayer

Deutsche Welle: Warum hat man beschlossen, dass Länder über ihre Nationally Determined Contributions (NDCs), also über ihren individuellen Beitrag zum Klimaschutz, selbst entscheiden sollen?

Niklas Höhne: Es gab eine lange Diskussion während der internationalen Klimaverhandlungen darüber, wie man festlegen sollte, welches Land was macht. In der Anfangsphase war die Idee, dass man das von oben nach unten machen sollte, also grundsätzlich über die verschiedenen Reduktionsziele der Länder entscheiden sollte. Aber das war sehr sehr schwierig und da jedes Land ein souveräner Staat ist, hat man das gesamte System für das Übereinkommen von Paris herumgedreht, sodass jedes Land vorschlagen kann, was es in Zukunft tun wird. Und sobald alle Länder vorgeschlagen haben, was sie tun wollen, rechnet man das Ganze zusammen und sieht nach, ob es ausreicht. Und wenn es nicht ausreicht, dann müssen die Länder zu Hause ihren Vorschlag ehrgeiziger gestalten, bis das gesamte System so ehrgeizig ist, dass es mit den langfristigen Zielen im Einklang ist. 

Climate Action Tracker und anderen wissenschaftlichen Studien zufolge sind die NDCs in ihrer jetzigen Form nicht im Einklang mit Paris. Nehmen die Länder das Ganze ernst genug?

Als die Klimaziele der Länder herauskamen - schon 2014 und 2015 - war klar, dass das nicht ausreichen würde. Die Länder wissen das schon seit geraumer Zeit, und jetzt müssen sie noch mal anfangen und mehr machen. Tatsächlich hat kein großes Land seitdem einen ehrgeizigeren Entwurf vorgelegt. Es gab ein paar kleinere wie Korea oder Argentinien, die ihre Ziele höher gesteckt haben, aber auf der globalen Ebene ist das sehr wenig. Es müssten wirklich alle Länder mehr tun.

Deutschland München - Prof. Dr. Niklas Höhne  vom NewClimate Institute in Köln
"Kohle ist wirklich eine Technologie des letzten Jahrhunderts"Bild: DW/G. Rueter

Müssten größere und industrialisiertere Länder sehr viel mehr machen?

Es gibt da zwei Elemente. Eines ist, dass sie bei ihren NDCs ehrgeiziger werden sollten. Auf der anderen Seite sollten sie auch vor Ort mehr tun und dadurch ihre zukünftigen Emissionen senken. Während die Länder nicht wirklich ihre Klimaziele ändern, tun sie zu Hause viel. Vom letzten bis zu diesem Jahr haben wir beispielsweise gesehen, dass die Emissionen von China und Indien, die wir für 2030 prognostiziert hatten, jetzt viel niedriger sind, als wir vor einem Jahr vorausgesagt hatten. Das liegt daran, dass sie stark auf erneuerbare Energien setzen, die jetzt die emissionsintensive Kohle vom Markt drängen.  

Mehr zum Thema: Reichen die internationalen Selbstverpflichtungen aus, um den Klimawandel zu stoppen?

Gerade wurde bekannt gegeben, dass die Emissionen zum ersten Mal seit drei Jahren gestiegen sind. Worauf müssen sich Länder also wirklich konzentrieren, um Emissionen zu reduzieren? 

Die Emissionen waren ein paar Jahre lang stabil und sind jetzt etwas gestiegen. Beim Climate Action Tracker gehen wir davon aus, dass sie durch das momentane Handeln noch weiter steigen werden - sie haben ihren Höhepunkt also noch nicht erreicht. Es ist sehr wichtig, das Klima zu stabilisieren, das Maximum der Emissionen muss also so bald wie möglich erreicht werden. Dann müssen die Emissionen auf ein sehr niedriges Niveau gesenkt werden, bis Mitte des Jahrhunderts auf null. Die Länder müssen also definitiv aktiver werden. Das heißt mehr erneuerbare Energien und beinhaltet auch effizientere Verkehrsmittel mit niedrigen Emissionen. Elektromobilität ist ein Weg. Viel effizientere Gebäude und auch viel viel mehr Energieeffizienz und kohlenstoffarme Treibstoffe in der Industrie. 

Wie bekommt man die Industrie dazu, dabei mitzuspielen? Regierungen möchten Dinge umsetzen, aber man bekommt nicht unbedingt alle relevanten Stakeholder an Bord.

Das ist ein allgemeines Problem. Alle Länder tun sich schwer damit, zu Hause ihre Klimapolitik umzusetzen, weil man lange dachte, das sei teuer. Aber das ändert sich jetzt. In manchen Teilen der Welt kann man ein Solarkraftwerk inzwischen billiger bauen, als ein Kohlekraftwerk. In vielen sogar. Daher stimmt das Argument, dass Klimapolitik sehr teuer sei, nicht mehr. Trotzdem bleibt es schwierig. Und es ist schwierig, weil man berechtigte Interessen verschiedener Parteien hat, die befürchten, dass ihr Geschäftsmodell zerstört wird, etwa wie traditionelle Stromlieferanten, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Die Kunst ist, mit denen zusammenzuarbeiten, die gegen den Wandel sind, und ihnen zu helfen, den Wandel hinzubekommen. Das ist sehr schwer, und vielen Politikern fällt das schwer. Aber das, denke ich, ist der einzige Weg. 

Ein Arbeiter in Panzhihua, China, installiert Solarpanele
China hat mit erneuerbaren Energien Fortschritte gemachtBild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/Gao Yihan

Die US-Delegation hält eine Nebenveranstaltung zu Sauberer Kohle und Atomenergie als Strategien für die Zukunft ab. Wie sehen Sie das? 

Ich denke, Kohle ist wirklich eine Technologie des letzten Jahrhunderts. Sie ist überall auf dem Rückzug, auch in den USA. Ich denke, die Politik, die sie hier vorschlagen, um die Kohle wiederzubeleben, wird nicht funktionieren. Sie funktioniert schon in den USA nicht. Wirklich wichtig ist die Wirtschaft, und die begünstigt die Erneuerbaren und macht einen großen Bogen um Kohle. Deshalb glaube ich nicht an eine Wiedergeburt der Kohle - weder in den USA noch sonst wo. 

Wie sieht es bei Entwicklungsländern aus, die noch abhängiger von Kohle sind, und wo Wachstum eine wichtige Rolle spielt? Könnte Saubere Kohle dort als Übergang eingesetzt werden? 

Vor nur zwei Jahren dachten wir, Kohle sei nötig, um Ländern wie Indien zu helfen, sich angesichts ihrer Energiebedürfnisse zu entwickeln. Dort gibt es 300 Millionen Menschen ohne Strom, und sie müssen dagegen etwas tun. Aber heute werden selbst in Indien Pläne für neue Kohlekraftwerke gestrichen, weil die Erneuerbaren so schnell angenommen werden, dass diese Kohlekraftwerke nicht mehr benötigt werden. Die wirkliche Herausforderung wird es sein, diejenigen abzuschalten, die bereits laufen. Das ist etwas schwieriger. 

Sind Sie zuversichtlich, dass wir unter den gegebenen Bedingungen die Ziele des Übereinkommens von Paris wirklich erreichen können? 

Es wird sehr schwierig, die langfristigen Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen, aber es ist trotzdem möglich. Ich denke, wir haben einige ziemlich rasante Entwicklungen erlebt, die uns alle überrascht haben. Sie waren schneller, als wir noch vor einem Jahr gedacht hätten, und das macht mich zuversichtlich, dass wir es immer noch erreichen können. 

Mehr zum Thema: Bürgermeister nehmen Klimaschutz selbst in die Hand 

Manche Leute hier haben das Gefühl, die Verhandlungen über Transparenz und das Regelwerk gingen nicht schnell genug voran. Wie sehen Sie das? 

Das sind wieder zwei Welten. Eine ist die Welt der Klimaverhandlungen. Die sind absolut grundlegend, aber alleine werden sie das Problem nicht lösen. Während die Klimaverhandlungen nur langsam bei der Schaffung des Regelwerks vorankommen, ist diese ganze Konferenz eigentlich ein Schaukasten für all die interessanten Dinge, die gerade passieren. Man sieht viele Städte, Regionen und Unternehmen, die sich mit ihren sehr ehrgeizigen Handeln präsentieren. Man kann sehen, dass viele Regierungen zu Hause Strategien verfolgen, die sich in die richtige Richtung bewegen. Dieses Handeln muss gebündelt werden. Da geht es nicht nur um internationale Klimaverhandlungen, es geht um das Gesamtbild mit all den verschiedenen Akteuren. Und ich sehe sehr ermutigende Zeichen von einigen der Akteure, und das macht mich zuversichtlich.

Aktivisten bei einer Klimademonstration während der Weltklimakonferenz COP23 in Bonn
Die Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle dabei, die Aufmerksamkeit immer wieder auf das Thema Klimawandel zu lenkenBild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Welche Rolle müssen die Zivilgesellschaft und Gruppen an der Basis dabei spielen? 

Ich denke, die Zivilgesellschaft ist sehr sehr wichtig bei diesen Treffen. Eines der Ziele einer Konferenz wie dieser ist es, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Und jedes Jahr stellen diese Konferenzen das Klima ins Rampenlicht, und Gruppen aus der Zivilgesellschaft können auch dabei helfen, das zu tun. Am Ende liegt es beim Konsumenten. Unsere täglichen Entscheidungen beeinflussen, in welche Richtung wir uns bewegen. Zivilgesellschaftliche Gruppen können uns dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, die richtigen Regierungen zu wählen und dabei zu helfen, diesen Wandel zu schaffen.

Niklas Höhne ist Mitbegründer des NewClimate Institute. Er ist auch Special Professor "mitigation of greenhouse gas emissions” an der Universität Wageningen in den Niederlanden.