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Der Präsident bittet zur Wahl

3. August 2009

Seit Monaten steckt der Niger in einer politischen Krise. Jetzt sollen die Wähler in einem Referendum die Verfassung außer Kraft setzen und die Amtszeit des Präsidenten Tandja um drei Jahre verlängern.

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Mamadou Tandja (Foto: dpa)
Präsident um jeden Preis - Mamadou TandjaBild: picture alliance / dpa

Den Startschuss für die gegenwärtige Krise erlebte der Niger im Oktober vergangenen Jahres. Präsident Mamadou Tandja legte in der Stadt Zinder den Grundstein für eine Erdöl-Raffinerie. Zu der Zeremonie erschien auch eine Gruppe Jugendlicher mit T-Shirts, die unter dem Bild Tandjas das Wort "Tazartche" zeigen. In der Haussa-Sprache bedeutet das "Kontinuität". Die Jugendlichen wünschten sich also, dass Tandja auch nach dem 22. Dezember 2009 Präsident bleiben sollte, obwohl die Verfassung mehr als zwei Amtszeiten verbietet. Seit der Feier in Zinder verbreitete sich die "Tazartche"-Kampagne im ganzen Land.

Medienkampagne

Die staatlichen Medien ließen immer wieder diejenigen zu Wort kommen, die glauben, Tandja brauche mehr Zeit, um seine großen Projekte vollenden zu können. Doch auch der Widerstand formierte sich: Die größte Oppositionspartei PNDS-Tarayya, zahlreiche Bürgergruppen, Gewerkschaften und sogar kleinere Parteien des Regierungslagers schlossen sich zusammen zur "Koordination der Kräfte für die Demokratie und die Republik" (CFDR). Denn laut der Verfassung von 1999 darf der Präsident des Landes nur einmal wiedergewählt werden. Dieser könne die Verfassung nicht einfach ändern, um seine Amtszeit zu verlängern, empört sich Iro Sani, der Sprecher der PNDS. "Wir sind gegen das Referendum, weil das Verfassungsgericht, das allein die Verfassung des Niger interpretieren darf, gesagt hat, dass dieses Referendum illegal ist."

Das Ende der Demokratie?

Für das Bündnis der Referendums-Gegner ist klar, dass Tandja mit seinem Vorgehen seinen Amtseid bricht. Seine Anhänger weisen diesen Vorwurf zurück. Der Präsident komme lediglich dem Willen des Volkes nach, erklärt Abdourahman Hima, einer der Anführer der "Tazartche"-Bewegung: "Präsident Tandja hat keine Verfassung gebrochen. Artikel 49 erlaubt ihm, dem Volk jedes Thema zur Abstimmung vorzulegen, denn die Macht geht vom Volk aus. Er hat die Verfassung nicht gebrochen, er hat nur eine neue Verfassung vorgelegt." Beflügelt von dem, was er "den Willen des Volkes" nennt, hat Tandja das widerstrebende Parlament ebenso aufgelöst wie das Verfassungsgericht. Das so entstandene Machtvakuum füllt der Präsident, indem er sich auf den Verfassungsartikel beruft, der ihm das Regieren per Dekret erlaubt. Oppositionelle und kritische Journalisten werden immer wieder von der Polizei befragt.

Besorgte Beobachter

Zahlreiche Organisationen im In- und Ausland sehen deshalb die Demokratie im Niger bedroht. Auch die Afrikanische Union, die Westafrikanische Gemeinschaft ECOWAS, die Europäische Union und die US-Regierung waren sich selten so einig: Präsident Tandja muss aufhören, die Demokratie nach seinen Wünschen zurechtzubiegen. Doch der hat darauf nur eine Antwort: "Ich diene nur dem Volk des Niger. Ich bin nicht dazu da, der der internationalen Meinung zu dienen", sagte Tandja auf einer Pressekonferenz vom 23. Juli.Selbst der französische Präsident Sarkozy sah sich gezwungen, das "Tazartche"-Projekt öffentlich zu verurteilen. Doch die ehemalige Kolonialmacht hat im Niger schon oft ein doppeltes Spiel gespielt. Das Land liefert einen großen Teil des für die französische Atomwirtschaft wichtigen Urans. Auch Matthias Basedau vom GIGA-Institut für Afrika-Studien in Hamburg bewertet die Rolle Frankreichs zurückhaltend. "Ich finde, dass die Signale von Sarkozy zwiespältig sind. Er hat einerseits die Geschichte sehr stark verurteilt. Aber er hat auch gesagt, er wolle sich nicht einmischen." Frankreich sei zwar immer noch ein wichtiger Partner, doch die Rolle Frankreichs sei nicht ganz klar, sagt Basedau.

Ungewisse Zukunft

Am Dienstag (04.08.2009) sollen die Wähler nun über eine neue Verfassung entscheiden, die die nächste Präsidentenwahl auf 2012 festlegt. Bis dahin bliebe Tandja im Amt. Danach gäbe es dann keinerlei Begrenzung der Amtszeiten mehr. Die neue Verfassung sieht außerdem ein reines Präsidial-System vor, in dem der Präsident deutlich mehr Macht hat als heute. Viele Nigrer blicken schon besorgt auf die Zeit nach dem Referendum. Wird das Ausland die angedrohten Sanktionen ergreifen? Wie wird ein siegreicher Präsident Tandja mit seinen Gegnern im Inland umgehen?

Autoren: Yahouza Sadissou / Thomas Mösch

Redaktion: Michaela Paul