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Nichts für Zartbesaitete

Jens Thurau 13. Februar 2004

Der Medien-Kanzler ist nach seinem Rücktritt vom SPD-Vorsitz beleidigt. Und Abgeordnete machen es Eltern schwer: Wie sollen sie ihren Kleinen erklären, dass sich die Volksvertreter benehmen können, wie sie wollen?

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Was fiel uns auf im politischen Berlin diese Woche? Zweierlei. Erstens: Der Überraschungscoup des Kanzlers, den SPD-Vorsitz abzugeben, hat bislang noch nicht die Wirkung erbracht, die sich Gerhard Schröder davon erhoffte – im Gegenteil. Munter wird weiter gestritten in der SPD, seltsam einsam schaut Schröder dem Geschehen zu und legt sich mit Deutschlands größtem Boulevard-Blatt an. Zweitens: CSU–Landesgruppenchef Michael Glos beleidigt Minister von Bündnis 90/Die Grünen aufs Gröbste – und nichts passiert. So ist das halt mit der Immunität der Abgeordneten.

Bösartige Pressemenschen

Zunächst zum Kanzler: Einen Tag nach dem angekündigten Rücktritt vom SPD-Vorsitz steht Schröder schon wieder vor den Journalisten. Gemeinsam mit Franz Müntefering, der ihn beerben soll, gibt er bekannt, dass Klaus-Uwe Bennetter der neue SPD-Generalsekretär wird. Bösartig könnte man sagen, die Pressemenschen sind schon angekommen in der neuen Zeit. Fast alle Fragen richten sich an Müntefering, minutenlang gehen Schröders Blicke stumm von den fragenden Medienmenschen zum lieben Franz und zurück. Tja, nun ist er nur noch der Kanzler. Reicht ja eigentlich auch. Aber warum nur lässt sich diese trostlose Stimmung nicht verjagen?

Über Rentenpolitik und Ausbildungsabgaben wird munter weiter gewettert im Regierungslager. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement denkt offenbar darüber nach, nicht mehr für den stellvertretenden Vorsitz der Partei zu kandidieren. Tritt die Regierung aus der SPD aus? Die Parteilinken wollen andere Reformen, Müntefering verspricht, den Regierungskurs zu verteidigen. Und der Kanzler? Der hadert mit der "Bild"–Zeitung, der er eine Kampagne gegen Rot-Grün vorwirft und empfiehlt Zurückhaltung bei Interviews mit dem Boulevard-Blatt. Der Medien-Kanzler ist beleidigt. Erste Umfragen zeigen, dass sich das gemeine Volk nicht so furchtbar viel verspricht vom neuen Duo Schröder/Müntefering. Einer aus der Regierungsmannschaft sagt, bei der Hamburg-Wahl in zwei Wochen wäre es schon ein Erfolg, wenn die Niederlage knapp ausfällt und die CDU nicht haushoch gewinnt.

Es lebe die Immunität

Zweite Beobachtung, weniger wichtig, aber interessant: CSU-Landegruppenchef Michael Glos nennt Umweltminister Jürgen Trittin einen Öko-Stalinisten und Außenminister Joschka Fischer einen Ex-Terroristen. Auweia, nicht ganz die feine Art. Später rudert Glos zurück und erklärt, so ganz genau wisse er auch nicht, was das sein soll, ein Öko-Stalinist. Fischer reagiert gar nicht, Trittin nimmt es mit Humor. Ohnehin ist klar: Glos wollte in erster Linie eine Debatte über mögliche schwarz-grüne Koalitionen beenden, die schwach begonnen hatte in den Tagen zuvor. Ein paar Tage später ist die Debatte vorbei.

Passiert wäre dem forschen Bayern eh' nichts, Glos genießt ja Immunität. Ist ja auch nicht so wichtig. Das Problem bekommen, wenn überhaupt, dann Mütter und Väter, die ihrem Nachwuchs erklären müssen, warum die Mitglieder im hohen Haus des Bundestages sich benehmen dürfen, wie es ihnen beliebt. Aber das sind natürlich nur ein paar nebensächliche Gedanken des zartbesaiteten Korrespondenten.