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Filmfestival Globale

5. November 2011

Bis zum 9. November zeigt das Berliner Festival "Globale" Dokumentationen, Spiel- und Kurzfilme zu den gesellschaftlichen Widersprüchen und den Auswirkungen der Globalisierung.

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Künstlerhaus Bethanien(Foto: Jutta Matthess/ Umbruch Filmarchiv)
Das FestivalhausBild: Jutta Matthess

Ein Festival ohne Roten Teppich, ohne Stars und ohne Kamerablitzgewitter, das ist die Globale. Vielleicht ist es das einzige Filmfestival, auf dem die Filme nicht wirklich im Zentrum des Geschehens stehen, sondern vielmehr als Einstieg zu Diskussionen und Workshops dienen. Mit dem Selbstverständnis, Politik mitzugestalten, gesellschaftliche Debatten anzustoßen und Ungerechtigkeiten zu thematisieren, hat die "Globale" ein ziemlich einzigartiges Profil unter den Filmfestivals.

Portraitbild Lieke Rahn (Foto: Bernd Sobolla/ DW)
Lieke Rahn von der GlobaleBild: Bernd Sobolla

"Wir wollen das Medium Film beziehungsweise Kino als politischen Raum nutzen und politische Themen auf die Agenda setzen, die in gängigen Medien keinen Platz finden", erläutert Lieke Rahn von der "Globale"-Leitung das Credo der Festivalmacher. "Was wir nicht wollen, ist Popcorn-Kino mit ein bisschen politischer Berieselung. Die Leute sollen aus dem Kino kommen und das Gefühl haben, dass sie an dieser Welt noch irgendwas verändern können. Mit diesen Zielen sind wir 2003 gestartet und sie treiben uns bis heute an."

Energie geht alle an

Portraitbild Carl Fechner (Foto: Bernd Sobolla/ DW)
"Alles andere ist eine Lüge", Carl Fechner, Regisseur von "Die 4. Revolution"Bild: Bernd Sobolla

Die rund 20 "Globale"-Mitarbeiter kommen aus zehn verschiedenen Ländern, so ist ein Filmprogramm mit sehr unterschiedlichen Perspektiven und Länderschwerpunkten entstanden, zu dem rund 4000 Besucher erwartet werden. In diesem Jahr gibt es insgesamt zwölf Themenblöcke wie "Arabische Länder im Fokus", "Widerstand in Lateinamerika", "Landraub in Sub-Sahara" oder "Media Implosion". Vor allem aber gibt es das Thema "Energie", denn das betrifft alle Menschen. Der Dokumentarfilm "Die 4. Revolution – Energy Autonomy" von Carl Fechner zeigt dazu, welche Initiativen es weltweit gibt, um die Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umzustellen. "Wir stehen vor dem größten Strukturwandel der Wirtschaft seit Beginn des Industriezeitalters", heißt es in dem Werk. Und während weltweit Vertreter aus Politik und Wirtschaft vor den Folgen des Ausstiegs warnen, zeigt Fechner in seinem Film nicht nur welche technischen Energiegewinnungsmöglichkeiten es inzwischen gibt, sondern er betont auch, dass mit der Energiewende eine Demokratisierungswelle über uns kommt.

Zwei Frauen hinter Glasfenstern(Foto: Globale)
Szene aus dem Film "Nosotros del Bauen"Bild: Globale

Denn die Abhängigkeit von wenigen Stromkonzernen wird bald sinken und stattdessen werden hunderttausende Anbieter zur Verfügung stehen. Die Kritik der Wirtschaft, die argumentiert, dass Deutschland seinen Platz als eine führende Industrienation verspielen wird, hält Fechner für absurd. "Das zeugt nur davon, wie unglaublich gelogen wird, um diesen Vorgang zu verzögern. Denn, wenn es zu dem Umstieg auf erneuerbare Energie kommt, gibt es eben auch Verlierer. Und das sind die mächtigsten Unternehmen dieser Welt.

Deutschland hat ein großes Potential an erneuerbaren Energien. Es hat einerseits das Meer, es hat aber auch eine starke Windkraft-Ressource, es hat über 1000 Stunden Sonne durchschnittlich. Es gibt keinen technischen Grund, der einen Umstieg Deutschlands auf erneuerbare Energien verhindern könnte - nur politische." Der Film zeigt, welche Schäden Uranabbau und Uranproduktion hervorrufen, dass es bis heute kein schlüssiges Konzept für die Endlagerung von Atomenergie-Brennstäben gibt, und dass Städte wie Los Angeles oder Kairo dabei sind, ihre Energieversorgung auf Solartechnik umzustellen. - Aber der Film zeigt auch wie alte Mietshäuser zu Super-Energiespargebäuden umgebaut werden.

Kulturelle Veränderungen

Politische Gründe waren auch dafür verantwortlich, dass in "Nosovice", im Osten Tschechiens, der Autobauer Hyundai das größte Werk außerhalb Koreas baute. Zentraleuropäische Lage, billige Arbeitskräfte und billiger Landerwerb. Bauern, die nicht freiwillig verkaufen, werden von Regierungsvertretern "besucht" oder von verkaufswilligen Nachbarn unter Druck gesetzt. Plötzlich gibt es unter den Bewohnern des Gebietes einen regelrechten Kleinkrieg. Der Filmemacher Vit Klusak hat in "All for the good of the world and Nosovice" festgehalten, wie sich eine Region, die sich einst ausschließlich der Landwirtschaft widmete, in eine Industriezone wandelt. Mit vielen komischen Momenten, beispielsweise wenn einer der Bauern seinen Widerstand und schwarzen Humor in Form eines Kunstwerks aus alten Autoteilen ausdrückt, auf dem steht: "Ich habe Geld verloren, wegen deiner Entscheidung nicht zu verkaufen. Deshalb werde ich dich oder einen deiner Angehörigen umbringen. Fang lieber an, dein Leben zu genießen. Du weiß nie, wann es zu Ende ist." Während gleichzeitig - um das Kunstwerk herum - viele Bewohner auf Blasinstrumenten musizieren.

Szene aus "All for the good of the world and Nosovice" (Foto: Globale)
Der Eröffnungsfilm "All for the good of the world and Nosovice"Bild: Globale

Es gibt keine absolute Wahrheit

Viel Platz nimmt auch der Arabische Frühling ein. Wobei die "Globale" Filme präsentiert, die vor allem vom alltäglichen Leben und von persönlichen Überlebenskämpfen erzählen. Dazu gehört auch "Waiting for Abu Zaid" von Mohammad Ali Atassi. Dieser portraitiert den ägyptischen Literatur- und Islamwissenschaftler Abu Zaid, der als einer der führenden liberalen Denker des Islam galt und kurz nach den Dreharbeiten starb. Abu Zaid wurde von den Islamisten heftig angegriffen, weil er dafür eintrat, dass der Koran als religiöse Orientierung angesehen werde solle, aber nicht als Autorität für alle Fragen des Lebens. Für Abu Zaid war es eine Selbstverständlichkeit, dass Aspekte des religiösen Glaubens keine absolute Wahrheit darstellen können.

Während für Hindus die Kuh heilig ist und für Moslems der Gang um die Kaaba in Mekka, verehren andere Kulturen andere Orte, Gegenstände, Schriften… "Ich will nicht alles relativieren, aber ich will die Wahrheit der anderen anerkennen. Ich glaube an etwas, das wahr ist für mich. Aber es gibt Leute, die im selben Land wie ich leben, die aber an eine andere Wahrheit glauben. Soll ich sie umbringen, weil meine Wahrheit die richtige ist und ihre die falsche?" Islamisten in Kairo warfen ihm vor, er zweifle am göttlichen Ursprung des Korans und sei kein Muslim mehr. Sie klagten ihn vor dem Zivilgericht an und sorgten dafür, dass er zum Nicht-Moslem erklärt wurde. Somit wurde auch seine Eheschließung für nichtig erklärt, was einer Zwangsscheidung gleich kam. Schließlich musste Abu Zaid ins niederländische Exil fliehen. Sein Werk steht heute mehr denn je für den Versuch, den Islam zu modernisieren.

Die "Globale" geht nach dem 9. November auf Tour. Auf dem Programm stehen unter anderem Köln und Leipzig, verschiedene Städte in Polen sowie Rio de Janeiro und Montevideo.

Autor: Bernd Sobolla
Redaktion: Conny Paul