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Kaffee und Kanonen

30. April 2010

Die Waffenlobby schlug Alarm, als Barack Obama zum Präsidenten gewählt wurde. Die Befürchtung: Es könnte erhebliche Einschränkungen des Rechts auf Waffenbesitz geben. Das Gegenteil ist der Fall.

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Symbolbild Fernschreiber Washington (Foto/Grafik: DW)
Bild: DW

Die Waffenliebe der Amerikaner ist ein schwieriges Thema. Europäer begreifen sie nur schwer, für amerikanische Politiker ist sie ein heißes Eisen. Mit der Waffenlobby legt man sich besser nicht an, auch wenn man ihre Ansichten nicht teilt. Das geht auch US-Präsident Obama nicht anders. Er unterzeichnete ein Gesetz, das das Tragen von Waffen auch in Nationalparks erlaubt. Zu seiner Verteidigung muss man sagen: Es war ihm kaum eine andere Wahl geblieben: Die Waffenfreigabe für die Naturschutzgebiete und Denkmäler des Landes war an das Gesetz gekoppelt, das Verbraucher gegen undurchsichtige und überzogene Kreditkartenverträge schützt.

Porträt DW-Washington-Korrespondentin Christina Bergmann (Foto: DW)

Diese Art von Junktim, also der Kopplung von Gesetzen, ist eine Spezialität der Waffenfans. So dürfen die Bürger der Hauptstadt Washington, dem District of Columbia, anders als die der anderen Bundesstaaten, noch immer keine Vertreter ins Repräsentantenhaus wählen. Das entsprechende Gesetz, das ihnen dieses Recht endlich zugestehen sollte, wurde jetzt zum wiederholten Male fallen gelassen. Denn daran gekoppelt wäre eine Lockerung der Waffengesetze in D.C. Mit Logik hat das nichts zu tun.

McCain für mehr Waffen in DC

Dabei mussten die Waffengesetze in der US-Hauptstadt nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes von 2008 schon gelockert werden. Das bedeutete: Das Verbot, halbautomatische Waffen zu besitzen, wurde aufgehoben. Auch die Bewohner Washingtons können jetzt Waffenscheine beantragen und Pistolen in ihrem Haus aufbewahren. Für John McCain ist das aber offensichtlich nicht genug. Der Verlierer des letzten Präsidentschaftsrennens hat jetzt einen Gesetzentwurf in den Kongress eingebracht, der die Waffengesetze in der Hauptstadt noch weiter aufweichen würde: Das Kaufen von Munition würde erleichtert und die Bedingungen für die Registrierung und den Kauf von Waffen gelockert.

Auf die Frage, wieso sich ein Senator aus Arizona um die Waffengesetze in Washington kümmert, antwortete der republikanische Senator, er glaube, dass "Bürger im ganzen Land in der Lage sein sollten, ihr verfassungsmäßig verbrieftes Recht auf Waffenbesitz auszuüben." Zufälliger Weise steht McCain außerdem in seinem Heimatstaat Arizona für die Wiederwahl in den Senat einem starken Herausforderer aus den eigenen Reihen gegenüber. Da kann es nicht schaden, die rechte Klientel zu bedienen.

Bewaffnet zu Starbucks

Auch wenn das Gesetz im Kongress zunächst keine Chance hat, zumindest die Stimmen der Organisation "OpenCarry.org" dürfte sich McCain gesichert haben. Ihre Mitglieder setzen sich dafür ein, dass sie ihre Waffen auch in der Öffentlichkeit tragen dürfen - für jedermann sichtbar, aber natürlich ordnungsgemäß in einen Holster geschnallt. Die Gruppe wurde 2004 gegründet und hat vor allem eins zum Ziel: Sie will die Öffentlichkeit an den Anblick von Waffen tragenden Bürgern gewöhnen. Anfang letzter Woche traf man sich am Washington Monument, im Herzen der Hauptstadt. Weil dort aber noch immer das Verbot des öffentlichen Tragens von Pistolen und Gewehren gilt, musste man sich mit Plakaten begnügen.

Anders ist es da in einigen Nationalparks im benachbarten Virginia. Dort waren die Protestler zwar weniger zahlreich, dafür aber nach Herzenslust bewaffnet. Und wenn es sie nach einem Cappuccino dürstete, war das auch kein Problem, wenn eine Filiale der Kaffeekette Starbucks in der Nähe war. Denn die hat mehrfach öffentlich erklärt: Dort, wo das Tragen der Waffen erlaubt ist - also in 43 Bundesstaaten - dürfen Möchtegern-Cowboys ihren Caramel Macchiato auch mit der Knarre im Holster bestellen. Firmen können nämlich eigentlich das Tragen von Waffen in ihren Geschäften untersagen. Starbucks verzichtet darauf.

Zu alledem kommt: Zwei Dutzend Bundesstaaten haben im letzten Jahr die Waffengesetze gelockert. Der Trend ist also offensichtlich und die Befürchtungen der Waffenlobby, unter Obama müssten sie auf ihre Schießeisen verzichten, erweist sich als unbegründet. Gruppen, die für striktere Waffengesetze kämpfen, stehen derzeit auf verlorenem Posten. So wie die "Brady Kampagne zur Verhinderung von Waffengewalt". Sie ist nach dem Pressesprecher von Ronald Reagan benannt, der bei dem Attentat auf den Präsidenten schwer verletzt wurde und sich seitdem für die Verschärfung der Waffengesetze engagiert. Nach Angaben der renommierten Organisation sterben in den USA jedes Jahr fast 31.000 Menschen durch Schusswaffengebrauch. Das sind 85 pro Tag.

Autor: Christina Bergmann
Redaktion: Nicole Scherschun