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Nicht Harvard, sondern Almaty und Astana

Anne Herrberg31. Januar 2004

Feldforschung in Sibirien, Architekturstudium in Kasachstan, Sprachkurs in Estland – nicht nur durch die EU-Osterweiterung wird das Studium in den Länder jenseits der Oder immer attraktiver.

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Kasachstans Hauptstadt Astana - interessantes Pflaster für ArchitektenBild: AP

Aus einem kurzen Aufenthalt in Kasachstan ist ein zweiter längerer geworden und Andrej Eifert, Architekturstudent der Technischen Universität Berlin packt schon wieder die Koffer. Forschungsaufenthalt in Almaty und Astana, das bedeutet für ihn: beruflich weiterkommen, Lebenserfahrung sammeln, Forschungsschwerpunkte setzen. "Gerade was Design betrifft hat Kasachstan einiges zu bieten, es ist ein Multi-Nationen-Land im Umbruch – für junge Planer und Architekten gibt es dort viel Arbeit."

Der Auslandsaufenthalt bedeutet aber auch: Umstellung. So ist beispielsweise das Uni-System sehr viel verschulter als in Europa. "Es geht eher darum, etwas schnell zu machen, als Sachen zu hinterfragen", sagt Eifert. Auf der anderen Seite herrsche ein großer Ehrgeiz, Neugier auf andere Kulturen und Sprachen.

Interesse am Osten wächst

Für viele Studenten ist der Aufenthalt in einem östlichen Land zwar erst mal eine Überwindung, nach der Abreise aber schnell eine positive Erfahrung. Und das Interesse wächst, so Thomas Zettler, Daad-Referent für das Stipendien-Programm "Go East": "Vor ein paar Jahren konnten sie nur ein paar wenige Studenten nach Krakau schicken, sagte mir eine Vertreterin der Charité der Humboldt-Universität Berlin, jetzt gibt es dort nicht genügend Plätze für alle Medizinstudenten, die nach Polen wollen."

Austausch ostwärts ist im Kommen. Das Stipendiaten-Programm "Go East" unterstützt Studierende und Graduierte bei einem Auslandsaufenthalt in Osteuropa und Ländern der GUS.

Alte Vorurteile und neue Erfahrungen

Trotzdem: Paris, London, Madrid klingt für den Großteil der Studierenden immer noch attraktiver als Plovdiv, Lodz oder Miscoloc - sofern man überhaupt etwas über diese Städte gehört hat. "Der eiserne Vorhang ist erst vor zehn Jahren gefallen, davor kam man nicht so einfach in den 'Ost-Block'. Jetzt fehlt es an Infos, alte Vorurteile bleiben bestehen", erklärt Zettler das geringere Interesse am Osten. "Die meisten hatten Englisch als erste Fremdsprache, orientieren sich am westlichen Bildungssystem und fühlen sich auch gegenüber der anderen 'östlichen' Kultur nicht so sicher".

Winterlandschaft im Omsker Gebiet
Sibirische WinterlandschaftBild: www.projekt-sibirien.de

Zu Unrecht: Die Sowjet-Zeit ist vorbei, das wissenschaftliche Niveau kann mit dem hiesigen schon lange mithalten, von manchen Betreuungsverhältnissen (Anzahl der Studenten pro Professor) kann man hierzulande nur träumen und die meisten Universitäten haben längst auf moderne Lehrpläne und ein Punktesystem zur Leistungsanrechnungen umgestellt. Als Botaniker beispielsweise in Sibirien unterwegs zu sein, eröffnet außerdem ganz andere Forschungsmöglichkeiten.

In den letzten zehn Jahren hat sich Einiges getan: seit Sommer 2002 sind rund 1.400 Stipendien vergeben worden. Viele Universitäten, auch in den alten Bundesländern haben Partnerunis in Osteuropa. "Vieles ist einfacher geworden", sagt Martin Lenk, Geograf an der Universität Greifswald, "mit Go East bekommt man Unterstützung bei der Wohnungssuche, beim Visum, hat immer Ansprechpartner, die einem helfen die ganzen bürokratischen Hürden zu überwinden".

Nur eine Schwachstelle habe das Programm, sagt Lenk: die Förderung für ein Jahr beginnt immer am 1. August. Will ein Student nun in den Sommersemesterferien beispielsweise ein Praktikum oder einen Sprachkurs machen, muss er sich zweimal bewerben. Einmal für das laufende Jahr bis Ende Juli, einmal für die restliche Zeit ab Anfang August.

Fachkräfte gesucht!

Karriereschub im Osten. In Wirtschaft und Wissenschaft sind Fachkräfte mit Osterfahrung gefragter denn je. "Die Märkte liegen vor der Haustür und die Zeiten als aus den neuen Bundesländern jede Menge ausgebildete Ost-Experten kamen sind vorbei", sagt Oliver Wieck, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

"Bei einer spontanen Umfrage mit deutschen Unternehmen hat sich ergeben, dass großer Bedarf besteht an jungen Leuten, die sich mit der Kultur, Mentalität und Sprache in Ost-Ländern auskennen."

Karriere-Anschub erwünscht

Zudem werde sich der Bedarf mit der EU-Osterweiterung in Zukunft noch steigern, so Wieck, "so ein Auslandsaufenthalt bestimmt ja oftmals den weiteren Lebensweg, erschließt neue Kontakte und Kooperationen." Nicht umsonst ist das Interesse am Ost-Studium bei Wirtschaft und Jura, Naturwissenschaften und Medizin am größten.

Mit 2,5 Millionen Euro unterstützt das Bundesbildungsministerium das "Go East"-Programm. Neben dem erhofften Karriereschub profitieren die Studenten in vielfältiger Weise von dem Auslandsaufenthalt. "Aufgeschlossenheit", "Gastfreundschaft", "Lebenserfahrung", "interessante Kultur" liest man immer wieder in den Erfahrungsberichten ehemaliger Stipendiaten – am häufigsten aber: "einmalige Chance".