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Nicht die Bohne von Profit

Ali Akinci11. Dezember 2003

Der weltweite Zusammenbruch der Kaffeepreise hat den wirtschaftlichen Druck in Mittel- und Südamerika sowie in Westafrika verstärkt. Die Preise sollen weiter sinken und das trotz Ausfällen in der Produktion.

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Kaffeepreise auf 100-Jahres-TiefBild: Bilderbox


Allein in Kolumbien sollen bereits zwei Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen sein, sagt der Präsident des kolumbianischen Kaffeepflanzer-Verbands (FNC), Gabriel Silva. "In Regionen, wo es einst gesunde Plantagen gab, sind Verzweiflung, Gewalt und Unsicherheit gewachsen." Hier pflanzen die oft hoch verschuldeten Kleinbauern zunehmend Schlafmohn und Kokasträucher zwischen die Kaffeestauden. Die Vereinten Nationen (UN) schätzen, dass der Anbau von Koka allein im vergangenen Jahr um 60 Prozent gestiegen ist.

Der Zusammenbruch der Kaffeepreise weltweit hat laut der Internationalen Kaffee-Organisation (ICO) den wirtschaftlichen Druck in Mittel- und Südamerika sowie in Westafrika verstärkt. Und: Die Preise sollen weiter sinken. Nach Angaben der Deutschen Welthungerhilfe (WHHDE) zahlen die Zwischenhändler in Mexiko heute 70 Prozent weniger für die rohen grünen Kaffeebohnen als noch vor fünf Jahren. Manche bieten nur noch zehn US-Cent pro Kilo Kaffee. Inzwischen sind die Produktionskosten viel höher als der Erlös. Daher geben immer mehr Pflanzer den Kaffeeanbau auf und versuchen, in den großen Städten Arbeit zu finden.

Rückgang der Exporteinnahmen

Für viele Länder bedeutet der Absturz der Kaffeepreise verheerende Einbußen bei den Exporteinnahmen. Im ostafrikanischen Uganda hat die Kaffee-Krise alle Erleichterungen durch den jüngsten internationalen Schuldenerlass mehr als aufgefressen. Äthiopien, das rund zwei Drittel seiner Ausfuhrerlöse mit Kaffee erzielt, büßt derzeit rund 150 Millionen Dollar pro Jahr ein.

Auch die Finanzminister jener Länder, in denen der Rohkaffee so prächtig gedeiht, klagen über den Preisverfall. In Zeiten niedriger Weltmarktpreise kassieren sie nämlich nicht nur weniger Ausfuhrzölle, sondern müssen ihre Kaffeepflanzer obendrein über staatlich oder halbstaatlich festgelegte Mindestaufkaufpreise subventionieren, um wenigstens die schlimmsten Auswirkungen von Einnahmeausfällen aufzufangen.

Kaffee vor Rohöl

Heute ist Kaffee für rund 70 Entwicklungs- und Schwellenländer noch vor Rohöl das bedeutendste Exportprodukt. Die beiden größten Kaffee-Exporteure, Brasilien und Kolumbien, bestreiten zusammen bis zu 45 Prozent der Weltausfuhr. Es folgen Vietnam, Guatemala, Uganda, Mexiko, Elfenbeinküste, Costa Rica, El Salvador, Kenia und Äthiopien. Rund drei Viertel der jährlichen Ernten werden als Rohkaffee nach Europa, Nordamerika und Asien verschifft.

Doch sind die Marktnotierungen für Rohkaffee nach der bis zum Frühjahr 2003 anhaltenden Erholungsphase zum Herbst/Winter weiter stark eingebrochen. Die realen Kaffeepreise auf dem Weltmarkt seien auf ein 100-Jahres-Tief gestürzt, erklärte die britische Hilfsorganisation Oxfam kürzlich. Das verwundert zunächst, weil die neue Saison 2003/2004 nach Meinung aller Experten wegen erheblicher Ernteausfälle in Brasilien voraussichtlich ein größeres Produktionsdefizit bringen wird. Auch die Nachfrage in den großen Verbraucherländern zeigt sich derzeit relativ fest und dürfte die jahrelange Zunahme von zwei Prozent aktuell sogar übersteigen.

Verkaufslawine auf Kaffeemarkt

Trotzdem werde am Rohkaffeemarkt derzeit eine regelrechte Verkaufslawine losgetreten, heißt es bei Marktbeobachtern. Der Grund: Spekulative Fonds hatten zuvor mit beträchtlichen Käufen den Markt abgeschöpft und wollen nun ihre umfangreichen Kontrakte an Rohkaffee so schnell wie möglich loswerden. Deshalb sind sich die Marktkenner auch sicher, dass das Defizit der Produktion rechnerisch problemlos aus den überhöhten Beständen gedeckt werden kann.

Mindestens genauso entscheidend für die anhaltende Marktschwäche ist auch die Erwartung an die kommende Saison. Marktbeobachter erwarten dann nämlich wieder eine kräftige Steigerung der Kaffeeproduktion und somit erneut einen über die Nachfrage hinausgehenden Ernteüberschuss. Und der wird für eine weitere Senkung des Rohkaffeepreises sorgen.

Kaffee Bauer in Äthiopien
Kaffee-Bauer in ÄthiopienBild: AP
Kaffeeernte in Nicaragua
KaffeeernteBild: AP