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Nicht jeder grüne Strom ist Ökostrom

Kathrin Witsch20. März 2013

Atomenergie will in Deutschland niemand mehr, dafür ist Strom aus erneuerbaren Energien in Mode. Immer mehr Deutsche wechseln zu Ökostrom. Doch ganz so sauber und ökologisch wie er zu sein verspricht, ist er oft nicht.

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Solaranlage und Windrad auf grüner Wiese
Symbolbild Alternative EnergienBild: VRD - Fotolia

Ein Grund dafür, dass sich immer mehr Deutsche für grünen Strom entscheiden, ist: Der Mythos, Ökostrom sei teurer als normaler Strom, ist schon längst überholt. "Ökostrom ist heute schon genauso teuer wie konventioneller Strom", versichert Thomas Svetec, Niederlassungsleiter beim Ökostromanbieter Lichtblick in Koblenz, einem der vier größten Ökostromanbieter in ganz Deutschland. "Denn Wind und Sonne schicken keine Rechnung. Hingegen werden Ressourcen wie Kohle natürlich immer knapper und dementsprechend auch immer teurer."

Für viele ist der Aspekt Klimaschutz jedoch der ausschlaggebende Faktor für den Wechsel. Ökostrom stammt zum größten Teil aus Windenergie, Sonne, Biomasse und Wasserkraft.

Öko ist nicht gleich Öko

Ökostrom kann zwar auch von den großen Anbietern RWE, EON, ENBW oder Vattenfall bezogen werden - aber wer 100 Prozent umweltschonenden Strom möchte, der geht eben doch zu einem der reinen Ökostromanbieter. Denn viele der vermeintlich grünen Anbieter gehören zu Großkonzernen, die ihr Geld vor allem mit Atom- und Kohlekraftwerken machen und nur wenig für den Ausbau erneuerbarer Energien tun.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert den Ökostromerzeugern zwar die Abnahme ihres Stroms zu gewinnbringenden Preisen, ein zusätzlicher Umweltnutzen entsteht jedoch nur, wenn Stromanbieter den Bau von Ökostromanlagen über das EEG hinaus fördern.

In Sachen Ökostrom sind es vier Anbieter an der Zahl, die sich über die Jahre etabliert haben: EWS Schönau, Greenpeace Energy, Lichtblick und Naturstrom beziehen nicht nur Strom aus regenerativen Energien, sondern fördern auch aktiv den Ausbau von Anlagen zur nachhaltigen Stromförderung. Aber woran erkennt der Verbraucher einen 'echten' Ökostromanbieter?

Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie Verbraucherzentrale NRW Foto: Deutsche Welle, Kathrin Witsch, März 2013
Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRWBild: DW/K.Witsch

Ein Dschungel aus Siegeln und Zertifikaten

Die Deutschen lieben ihre Gütesiegel und Zertifikate. Deswegen gibt es auch für Ökostrom Siegel. Aber anstatt dem Verbraucher eine Orientierung aus dem Tarifdschungel zu bieten, stiften die vielen verschiedenen Gütesiegel eher Verwirrung. Zwischen dem Ok-Power-Zertifikat, dem Grüner-Strom-Label, dem Gütesiegel Öko-Strom und diversen TÜV-Zertifikaten ist es für das ungeübte Auge schwer zu erkennen, welches denn nun unverzichtbar ist.

Die zwei wichtigsten Siegel sind das Ok-Power, getragen von der Verbraucherzentrale NRW und dem Öko-Institut, und das Grüner-Strom-Label, unterstützt von BUND und NABU. Beide garantieren den Zubau erneuerbarer Energien zu 100 Prozent - das berücksichtigen die anderen Siegel entweder gar nicht oder vernachlässigen es stark. Um diesem undurchlässigen Dschungel aus Siegeln ein Ende zu setzen, fordert die Verbraucherzentrale NRW ein einheitliches Ökostromsiegel, ähnlich wie bei Bioprodukten.

Viele Verbraucher informieren sich über Angebote auf Vergleichsportalen im Internet. Udo Sieverding, Bereichsleiter Energie in der Verbraucherzentrale NRW rät davon jedoch ab: "Die Stiftung Warentest hat es aktuell noch einmal belegt: Es gibt derzeit keine sicheren Vergleichsportale für Ökostrom. Ich hoffe, dass durch die doch sehr drastische Bewertung noch mal Druck in diesen Markt kommt, der zu Veränderungen und Verbesserungen führt."

Einen extra Ökostromberater gibt es bei der Verbraucherzentrale zwar nicht, dafür aber einen allgemeinen Energieberater, der dabei hilft, das passende Angebot zu finden. Denn viele Verbraucher sagen zwar, dass sie gerne wechseln würden, aber dass es zu kompliziert sei.

Wechseln leicht gemacht

Warten, bis der Vertrag ausläuft, kündigen, neuen Vertrag schließen. Für viele Verbraucher ist dieser bürokratische Vorgang mit viel Stress und dem unliebsamen Ausfüllen tausender Formulare verbunden.

Dabei geht alles so einfach: Ökostromanbieter aussuchen, Vertrag unterschreiben, fertig. Denn der neue Anbieter erledigt den Papierkram. Das ist beim Ökostrom ebenso wie beim herkömmlichen Strom. Gewechselt werden kann entweder online oder direkt in einer Niederlassung des Anbieters.

Viele Verbraucher fragen sich allerdings nach dem Wechsel, wie sie sich sicher sein können, dass aus ihrer Steckdose auch wirklich 'grüner' Strom kommt. Die Farbe des Stroms ändert sich beim Anbieterwechsel natürlich nicht, trotzdem tut der Verbraucher etwas für die Umwelt. Denn das öffentliche Stromnetz ist wie ein großer Pool. Die Gesamtmenge des erzeugten Stroms fließt zunächst in diesen Strompool und wird von dort aus an alle Verbraucher verteilt.

Je mehr Kunden zu einem Ökostromanbieter wechseln, umso höher wird der Anteil an erneuerbaren Energien an der Gesamtmenge des produzierten Stroms. Im Idealfall steigt dabei auch der Ausbau der Anlagen, die nachhaltigen Strom erzeugen. Momentan beläuft sich der Anteil erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung bereits auf fast 25 Prozent.

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Bild: Fotolia/Schlierner

Aber warum eigentlich die Deutschen?

Neben Norwegen, Skandinavien, Österreich und der Schweiz macht sich so mittlerweile auch Deutschland einen Namen in Sachen Erneuerbarer Energien. Anscheinend haben die Deutschen ein ausgeprägtes Verlangen danach, einen persönlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

"Diese Bewegung finden wir so in Europa nicht. Das scheint in Deutschland bislang einmalig zu sein", sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW. "Vielleicht hat das Wurzeln in der deutschen Umweltbewegung und der ganzen Atomdiskussion der letzten Jahre - das war sicherlich ein großes Kriterium dafür."

Wissenschaftliche Studien zu diesem Thema gibt es noch nicht, aber für viele Verbraucher ist und bleibt Umweltschutz das wichtigste Argument für Ökostrom: "Ich bin auf Ökostrom umgestiegen, weil ich so einfach auch etwas zum Klimaschutz beitragen kann", sagt Ann-Christin Kopp aus Bonn. "Man tut etwas für die Umwelt und für sein Gewissen. Mein Gewissen ist jetzt sozusagen grün."