1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

EU: Nicht alle wollen Bruch mit der Türkei

7. September 2017

Die EU-Ratspräsidentschaft winkt ab: 2017 werde es in der EU keine Einigung mehr geben über einen Abbruch der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Frankreichs Präsident Macron will an der Türkei als Partner festhalten.

https://p.dw.com/p/2jVNZ
Estland Treffen der EU-Verteidigungs- und Außenminister | Federica Mogherini, EU-Außenbeauftragte
Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Estland zeigt Differenzen in der Türkei-Strategie Bild: Getty Images/AFP/R. Pajula

Der Vorstoß kam im deutschen Bundestagswahlkampf, vorgetragen vom SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz: Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssten angesichts der immer diktatorischeren Verhältnisse am Bosporus umgehend abgebrochen werden. Amtsinhaberin Angela Merkel hatte sich vorsichtig angeschlossen, aber zu bedenken geben, dass sie erst ihre EU-Kollegen davon überzeugen müsse. Wie die Bundeskanzlerin erwartet hatte, ist mit einer Einigung in der Europäischen Union über ein Ende der Verhandlungen so bald nicht zu rechnen. Es wäre Einstimmigkeit erforderlich.       

Sven Misker, Verteidigungsminister Estland
Wir warten ab: Estnischer EU-Ratspräsident Sven Mikser Bild: picture-alliance/Anadolu Agency/A. Hosbas

Die estnische Ratspräsidentschaft der EU teilte jetzt mit, sie erwarte in diesem Jahr keine Entscheidung mehr über die Zukunft der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Estlands Außenminister Sven Mikser, dessen Land noch bis Jahresende die Arbeit auf EU-Ebene organisiert, erläuterte bei dem Treffen in Tallinn: Man warte die Einschätzung der EU-Kommission dazu ab, die komme wohl erst Anfang 2018. "Ob und zu welchem Grad die Türkei weiter die Kriterien für die Beitrittsverhandlungen erfüllt", werde anschließend entschieden. 

Macron sagt Nein 

Die Bundesregierung hat angekündigt, das Thema beim kommenden EU-Gipfel im Oktober anzusprechen. Ablehnung kam bereits von Frankreich, einem wichtigen außenpolitischen Partner Deutschlands. Präsident Emmanuel Macron bezeichnete während seines Griechenland-Besuchs die Türkei als einen zentralen Partner der EU und warnte vor einem Bruch mit dem Beitrittskandidaten.

Griechenland Macron in Athen
Frankreichs Staatschef Macron wird in Athen zu Gesprächen über Perspektiven in Europa empfangenBild: Reuters/A. Konstantinidis

Zwar habe sich die Türkei in den vergangenen Monaten von der EU wegbewegt und sei zu weit gegangen, sagte Macron in einem Interview mit der griechischen Zeitung "Kathimerini". Das könne nicht ignoriert werden, vor allem mit Blick auf die Zollunion. "Aber ich möchte einen Bruch verhindern, weil sie (die Türkei) ein zentraler Partner in vielen Krisen ist, die uns alle betreffen, namentlich die Flüchtlingsfrage und die Bedrohung durch Terrorismus."

"Nicht einfach so weitermachen"

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel wies beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in Tallinn Einschätzungen zurück, dass es sich um eine "Kehrtwende" der Bundesregierung in der Türkei-Frage handele. Es sei schließlich die Türkei, die sich "mit rasender Geschwindigkeit" von Europa entferne, Menschenrechte missachte, den Rechtsstaat in Frage stelle und Journalisten inhaftiere, sagte der SPD-Politiker. 

Deutschland habe lange versucht, "nicht auf die Provokationen der Türkei zu antworten", obwohl Präsident Recep Tayyip Erdogan "uns Nazi-Deutschland genannt hat", fuhr Gabriel fort. Dann aber habe Ankara 680 deutsche Unternehmen verdächtigt, "Terroristen zu unterstützen" und deutsche Staatsbürger in Haft genommen. Deshalb sei nun der Punkt erreicht, an dem Deutschland nicht einfach so weitermachen könne, "als wäre da nichts geschehen".

Brücke zum Nahen Osten 

Finnlands Außenminister Timo Soini will dagegen ausdrücklich an den Beitrittsgesprächen festhalten. "Wir wissen, dass es Probleme mit Menschenrechten in der Türkei gibt", sagte er. Dialog mit Ankara sei aber der beste Weg, um mit Problemen umzugehen.

Estlands Minister Mikser sagte, die Türkei werde unabhängig von der Zukunft der Beitrittsgespräche "ein sehr wichtiger Partner in sehr vielen Politikfeldern bleiben". Er verwies dabei auf die Flüchtlingskrise, die Sicherheit in der Nahost-Region und die Rolle als NATO-Staat. Deshalb dürfe man "keine voreiligen Entscheidungen" treffen. 

Gespräche beenden oder aussetzen?

Die Beitrittsgespräche mit Ankara laufen seit 2005 und waren immer wieder von langen Phasen des Stillstands geprägt. Zuletzt hatte die EU 2015 und 2016 im Zuge der Zusammenarbeit mit Ankara in der Flüchtlingskrise die Verhandlungen auf zwei neue Politikfelder ausgedehnt. Nach den Massenverhaftungen in der Türkei beschlossen die EU-Staaten aber im Dezember, die Gespräche bis auf Weiteres nicht mehr auszuweiten.

Für ein vollständiges Ende der Beitrittsverhandlungen wäre ein einstimmiger Beschluss der Mitgliedstaaten nötig. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, diese auszusetzen. Dafür würde eine qualifizierte Mehrheit ausreichen. 

SC/jj (afp, rtr, APE)